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Leitsätze:
1. Bei einem Kostenerstattungsanspruch der Verkehrssicherungspflichtigen für den Rhein wegen der Bergung eines gesunkenen Schiffs aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag wird die Haftungsbeschränkung auf Schiff und Fracht gemäß § 4 BSchG a. F. analog angewendet, wenn den Schiffseigner kein Verschulden an der Havarie trifft. Für eigenes Verschulden, insbesondere bei Verletzung seiner Pflicht zu Erhaltung der Fahrtüchtigkeit des Schiffs, haftet er ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung unbeschränkt persönlich.
2. Da bei einem Ruderversagen der Beweis des ersten Anscheins für mangelnde Wartung spricht, hat sich der Schiffseigner dahin zu entlasten, dass die elektrische Ruderanlage nach Konstruktion und Einbau tauglich war und sie sich in der Zeit vor der Havarie in einem Zustand befunden hat, der es erlaubte, sie in Betrieb zu nehmen. Eine wenige Stunden vor der Havarie veranlasste Reparatur an der Ruderanlage entlastet nicht, wenn eine anschließende umfassende Überprüfung der Ruderanlage in einer Belastungssituation unterblieben ist.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schifffahrtsobergerichts) Köln
vom 19.6.2001
- 3 U 187/00 B Sch -
(Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Verkehrssicherungspflichtige für den Rhein als Schifffahrtsstraße.
Der Beklagte war im Sommer 1998 Eigner des MS „Ursula" und führte sein Schiff am 30.06.1998 auf einer Reise von Sehnde nach Schweinfurt, als er in Höhe von Rheinkilometer 736,5 mit dem zu Tal fahrenden MS „Amazone" kollidierte. Infolge dieser Kollision sank das MS „Ursula" außerhalb des Fahrwassers vor einer dortigen Kribbe. Das WSA Köln sicherte das gesunkene Schiff durch Auslegen eines Wahrschaufloßes und forderte den Beklagten mit Schreiben vom 03.07.1998 auf, bis zum 06.07.1998 verbindlich zu erklären, dass er die Bergung seines Schiffes unverzüglich durchführen lasse. Weiter heißt es in diesem Schreiben, dass das WSA nach fruchtlosem Fristablauf die Bergung im Wege der zivilrechtlichen Geschäftsführung ohne Auftrag veranlassen werde und die Kosten der Bergung zu Lasten des Beklagten gingen. Da der Beklagte bis zum 07.07.1998 die gewünschte Erklärung nicht abgegeben hatte, teilte ihm das WSA Köln mit Schreiben vom 07.07.1998 mit, dass die Bergung nunmehr im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag durchgeführt werde, und verfuhr sodann entsprechend.
Der Beklagte, der das Eigentum an MS „Ursula" nicht aufgegeben hatte, verkaufte das Wrack für 20.000,00 DM. Dieser Betrag und die Fracht in Höhe von 4.067,23 DM kamen zwischen den Schiffsgläubigern zur Verteilung. Am 13.10.1999 bekam die Klägerin davon 19.783,26 DM. Mit ihrer Klage nimmt die Klägerin den Beklagten auf Erstattung ihrer für die Bergung des MS „Ursula" aufgewandten Eigen- und Fremdkosten in Höhe von 345.104,76 DM in Anspruch.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen und der Klägerin auch die Kosten des Verklarungsverfahrens aufzuerlegen.
Die Streithelferin des Beklagten hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat vorgetragen, seine Haftung sei nach dem Binnenschifffahrtsgesetz beschränkt auf den Wert von Schiff und Fracht, so dass die Klägerin mehr als die erhaltenen 19.783,26 DM nicht verlangen könne. Der Unfall sei für ihn ein unabwendbares Ereignis gewesen. Er sei zurückzuführen auf einen von ihm nicht zu vertretenden Ausfall der Ruderanlage an MS „Ursula". Vorsorglich hat der Beklagte die Höhe der geltend gemachten Ersatzpositionen bestritten.
Das Schifffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung hatte im wesentlichen keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Das Schifffahrtsgericht hat im Ergebnis zu Recht einen Kostenerstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten aus dem Gesichtspunkt der Geschäftsführung ohne Auftrag bejaht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats kann die Klägerin als auftragslose Geschäftsführerin gemäß §§ 677, 683, 670 BGB Ersatz von Bergungskosten beanspruchen. Mit der Sicherung und Hebung des Wracks hat die Klägerin ein dem Beklagten gemäß § 1004 BGB obliegendes Geschäft für diesen besorgt, selbst wenn sie hierzu auch ihrerseits im Rahmen ihrer privat- und öffentlich-rechtlichen Verkehrssicherungspflicht verpflichtet war. Für die Fremdgeschäftsführung reicht es aus, dass der handelnde auch im Interesse eines anderen tätig wird. Ein etwa entgegenstehender Wille des Beklagten wäre gemäß § 679 BGB unbeachtlich (vgl. OLG Köln MDR 55, 485; OLGZ 68, 24 und ZfB 72, Sammlung Seite 481; BGH NJW 69, 1205 f. und BGHZ 65, 384 ff.; s. a. BGH NJW 634, 1365 (Anspruch aus § 812 BGB bejaht); Vortisch/ Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4. Auflage, § 93 Rdn. 25; Bartlsperger ZfB 75, Sammlung Seite 673; Laubinger ZfB 82, Sammlung Seite 893 ff. (901)).
Soweit in der Literatur die Auffassung vertreten worden ist, der Wasserstraßeneigentümer müsse öffentlichrechtlich gegen den Störer vorgehen (so Bartlsperger und Laubinger jeweils a. a. 0.), hat der BGH in seiner Entscheidung BGHZ 65, 384 ff. (388) ausdrücklich daran festgehalten, dass die Klägerin nicht auf polizeiliches Vorgehen beschränkt ist, sondern privat-rechtlich im Wege der Geschäftsführung ohne Auftrag Ersatz ihrer Aufwendungen für Schiffs- und Ankerbergungen verlangen kann, da die strompolizeilichen Vorschriften keinen Ausschließlichkeitscharakter besitzen. Die Rechtsprechung hat aber stets auf die betreffenden Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag die Haftungsbeschränkung auf Schiff und Fracht gemäß § 4 Binnenschifffahrtsgesetz a. F. analog angewendet, wenn den Schiffseigner kein Verschulden traf. Begründet wurde dies mit dem das ganze Schifffahrtsrecht beherrschenden Grundsatz, dass der Eigentümer eines Schiffes wegen solcher Schäden, die ohne sein Verschulden infolge der mit der Schifffahrt verbundenen Gefahren entstanden sind, nur mit Schiff und Fracht hafte. Diesem Gedanken entspreche die Regelung nach § 25 Standungsordnung für die im Bereich der Seeschifffahrt gesunkenen Schiffe. Auch § 4 Binnenschifffahrtsgesetz gehe davon aus, dass der Schiffseigner durch Versäumnisse und Verschulden der Schiffsbesatzung, der er das Schiff anvertraute, zwar verpflichtet wird, dass es ihm aber wegen des Fehlens ausreichender Überwachungsmöglichkeiten und angesichts der aus einer Verpflichtung möglicherweise entstehenden schwerwiegenden Schadensfolgen unzumutbar, sei, mehr einzubüßen, als er dem Verkehr in Gestalt von Schiff und Frachtforderungen anvertraut habe. Nach Anlass, Ursache und Interessenlage müsse dies für die gegen den Schiffseigner geltend gemachten Hebungskosten gelten, die ihren Anlass aus der nautischen Gefahr des Schiffsverkehrs fänden (vgl. BGH NJW 55, 340, (342); OLG Köln MDR 55, 485 und OLGZ 68, 24 (26 f.); BGH NJW 69, 1205 f.). Hieran hält der Senat für den vorliegenden, noch nach altem Recht zu beurteilenden Fall der Bergung eines Schiffswracks fest, zumal sich die Schifffahrt mit Sicherheit auf die zuvor erläuterte jahrzehntelange Rechtsprechung eingestellt und dementsprechend von einer speziellen Bergungskostenversicherung abgesehen hatte.
Allerdings ist die analoge Anwendung von § 4 Binnenschifffahrtsgesetz a. F. nur gerechtfertigt, wenn den Schiffseigner kein Verschulden trifft. Für eigenes Verschulden, insbesondere bei Verletzung seiner Pflicht zur Erhaltung der Fahrtüchtigkeit des Schiffes, haftet er ohne die Möglichkeit der Haftungsbeschränkung nach dem Binnenschifffahrtsgesetz unbeschränkt persönlich (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsgesetz § 4 Rdn. 3 f.; Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, 3. Auflage, § 1.08 Rdn. 9).
Bei einem Ruderversagen spricht der Beweis des ersten Anscheins für mangelnde Wartung. Der Schiffseigner hat sich daher dahin zu entlasten, dass die elektrische Ruderanlage nach Konstruktion und Einbau tauglich war und sie sich in der Zeit vor der Havarie in einem Zustand befunden hat, der es erlaubte, sie in Betrieb zu nehmen (vgl. Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsgesetz, § 92 Rdn. 9; Bemm/von Waldstein, Rheinschifffahrtspolizeiverordnung, § 1.08 Rdn. 12 f.; BGH Versicherungsrecht 69, 441; Straßburg ZfB 78, 475 und 2001, Sammlung S. 1822; Senat ZfB 97, 1623).
Dem Beklagten ist der ihm obliegende Entlastungsbeweis nicht gelungen. Nach dem Gutachten des Sachverständigen E steht fest, dass sich die elektrische Ruderanlage schon vor der Überflutung infolge der Havarie in schlechtem Zustand befand....
Entgegen dem Vorbringen des Beklagten und der Streithelferin sind die festgestellten Mängel nicht sämtlich auf die Überflutung und die aggressive Wirkung der im Rheinwasser gelösten Düngemittelladung zurückzuführen. Vielmehr steht nach den Überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen fest, dass, schon vor der Havarie eine Reihe von Mängeln vorlagen, die dann auch für das Ruderversagen ursächlich geworden sind...
Zwar wird man nicht annehmen können, dass der Beklagte als Laie im Bereich der Elektrotechnik die festgestellten Mängel im Einzelnen gekannt hat. Andererseits kann ihm nicht verborgen geblieben sein, dass sich die Schütze altersbedingt und in Folge nicht geschlossener Staubkappen in einem schlechten Zustand befanden. Dafür spricht schon, dass er Ersatzschütze an Bord genommen hatte, mit einem Ausfall der alten Schütze infolge Verschleißes also offensichtlich rechnete.
Dass der Beklagte wenige Stunden vor der Havarie durch die Streitverkündete Reparaturarbeiten an der Ruderanlage hat durchführen lassen, entlastet ihn nicht. Soweit er sich auf eine Entscheidung des Senats beruft, ein Schiffsführer brauche nicht klüger und kenntnisreicher zu sein als die fachkundigen Prüfer der SUK (ZfB 97, Sammlung Seite 1647), kann dieser Grundsatz nicht ohne weiteres auf einen Monteur übertragen werden. Denn der Erklärung eines Monteurs nach Durchführung einer Reparatur, jetzt sei alles in Ordnung, kann nicht im selben Maße vertraut werden wie einem Attest der Prüfer der SUK nach erfolgter Sonderuntersuchung. Dies gilt schon deshalb, weil ein Monteur häufig nicht dieselbe Sachkunde besitzt wie die besonders qualifizierten Prüfer der SUK, und zum anderen, weil häufig nur ein eingeschränkter Reparaturauftrag erteilt wird und nach Durchführung der Arbeiten keine umfassende Überprüfung der Ruderanlage in einer Belastungssituation erfolgt.
Auch im vorliegenden Fall hat eine derartige Prüfung nicht stattgefunden. Es kann offen bleiben, ob der Beklagte im Hinblick auf die Gefährlichkeit eines Ruderausfalls und die Art der hier durchgeführten Reparatur verpflichtet gewesen wäre, eine Sonderuntersuchung durch die SUK nach § 2.08 RhSchUO herbeizuführen, wonach eine Sonderuntersuchung für den Fall einer wesentlichen Änderung oder Instandsetzung vorgeschrieben ist Immerhin war nicht lediglich ein Schütz ausgetauscht worden; der Zeuge M hatte vielmehr auch Arbeiten an der nicht funktionierenden Bremse ausgeführt, die bewirkt, dass das Ruder in der gewählten Einstellung stehen bleibt.
Jedenfalls muss sich der Beklagte vorwerfen lassen, dass er nach Durchführung der Reparaturarbeiten die Ruderanlage nicht durch eine Probefahrt unter Belastung hat überprüfen lassen.
Unstreitig hatte der Beklagte während der gesamten Arbeiten und Überprüfungen den Keilriemen abmontiert, der dazu dient, das Ruderwerk hinten zu bewegen. Dies hatte - wie der Zeuge M bestätigt hat - zur Folge, dass die durch die Schütze fließenden Ströme nicht so stark waren, als wie wenn das Ruder unter Belastung gestanden hätte. Es erscheint ohne weiteres denkbar, dass sich bei einem Probelauf der Maschine unter Belastung der für das Ruderversagen ursächliche Fehler der elektrischen Ruderanlage, der seitens der Streitverkündeten nicht dauerhaft beseitigt worden war, gezeigt hätte. Insbesondere hätte auch überprüft werden müssen, ob die Umschaltung auf das Notruder nach der Reparatur noch funktionierte.
Nach alledem hat der Beklagte den ihm obliegenden Entlastungsbeweis nicht geführt. Sein Vorbringen in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 14.05.2001 gibt dem Senat keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Auch wenn das von dem Zeugen M eingebaute Schütz fabrikneu war und nach der Montage funktionierte, ändert dies nichts daran, dass sich die elektrische Anlage im übrigen infolge unzureichender Wartung in einem mangelhaften Zustand befand, aufgrund dessen es zu dem Ruderversagen gekommen ist. Insoweit hat der Sachverständige E zwei Alternativen zum möglichen Unfallverlauf dargestellt, wonach unter anderem der schlechte Zustand der beiden ältesten Schütze BS und SB zu der Havarie geführt haben kann.
Der Beklagte kann sich auch nicht damit entlasten, dass die Notruderanlage beim Wiederaufziehen des Keilriemens nach erfolgter Reparatur noch funktioniert habe. Nach den Feststellungen des Sachverständigen E zum möglichen Unfallverlauf hat der in der Steuerelektronik aufgetretene Defekt dazu geführt, dass entweder die Rudermaschine oder die Bremse die Umschaltung auf Handsteuerung blockiert hat. Insoweit ändert sich nichts an der Beurteilung, dass der Beklagte gehalten war, die Mangelfreiheit des elektrischen Systems nach erfolgter Reparatur unter Belastung testen zu lassen.
Keinesfalls durfte er darauf vertrauen, dass es ihm dann, wenn die Reparatur nicht zu einer dauerhaften Beseitigung der Mängel geführt hatte und es infol- gedessen zu einem erneuten Ruderausfall kam, auf jeden Fall gelingen werde, rechtzeitig auf die Handsteuerung umzuschalten. Nach alledem hat der Beklagte die Havarie schuldhaft verursacht und ist daher verpflichtet, der Klägerin die ihr durch die Sicherung und Bergung des Schiffswracks entstandenen Kosten zu ersetzen.
Die der Klägerin zu erstattenden Aufwendungen belaufen sich auf insgesamt 342.756,13 DM, von denen nach Zahlung des Betrages von 19.783,26 DM nach 322.972,87 DM offen stehen.
Die Klägerin kann zunächst Erstattung des an die Firma B für die Bergung des Schiffswracks gezahlten Betrages von 321.320,00 DM beanspruchen. Ferner kann sie Ersatz der ihr in diesem Zusammenhang entstandenen Gemeinkosten verlangen, die die Parteien und die Streitverkündete übereinstimmend mit 10.000,00 DM unstreitig gestellt haben. Schließlich hat die Klägerin gegen den Beklagten Anspruch auf Erstattung ihrer Kosten für das Auslegen und Einholen des Wahrschaufloßes zur Sicherung des Wracks in Höhe von 11.436,13 DM. Nach näherer Erläuterung der diesbezüglichen Kosten und Vorlage der entsprechenden Leistungsnachweise durch die Klägerin hat der Beklagte die betreffenden Positionen nicht mehr substantiiert bestritten. Sie sind daher als zugestanden anzusehen..."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2001 - Nr.11 (Sammlung Seite 1839 ff.); ZfB 2001, 1839 ff.