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Leitsätze:
1) Wird ein stilliegendes Motorschiff von Schubleichtern nicht direkt angefahren, sondern nur das an ihm längsseits befestigte Schiff, beruht sein Schaden aber auf dieser Kollision, stehen beiden betroffenen Schiffen Ansprüche aus einer Schiffskollision zu, deren Verjährung sich nach § 118 Abs. 1 BinSchG richtet.
2) Kommt eine Schiffsreparatur zu einem zeitlich absehbaren nahen Zeitpunkt nicht ernsthaft in Betracht, weil es sich um ein neues Schiff handelt und es auch nicht absehbar ist, daß es über eine längere Dauer nicht ausgelastet sein werde, und ist tatsächlich eine Reparaturzeit von längerer Dauer erforderlich, kann dem Anspruch auf Ersatz des Nutzungsausfalls nicht entgegengehalten werden, die Reparatur hätte „bei passender Gelegenheit" durchgeführt werden können.
3) Ein merkantiler Minderwert kann nur bei einem wesentlichen Schaden angenommen werden, nicht aber, wenn die Reparaturkosten lediglich etwa 1,5 % des Wiederbeschaffungswerts ausmachen.
Urteil des Oberlandesgerichts (Rheinschiffahrtsobergerichts) Köln
vom 29.5.1998
3 U 177/97 BSchRh
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin ist Versicherer des MS C. Die Beklagte ist Eignerin, zumindest Ausrüsterin des Schubbootes S.
MS C lag am 2.9.1994 ordnungsgemäß befestigt an den Dalben einer Verladestelle in Spyk. Backbord längsseits hatte MS B festgemacht, um ebenfalls dort zu löschen. Gegen 13.40 Uhr wurde MS B von zwei zu diesem Zeitpunkt noch durch Drähte fest miteinander verbundenen Schubleichtern angefahren, die sich aus dem Schubverband S losgerissen hatten. Die Anfahrung hatte zur Folge, daß auf MS C die Festmachedrähte brachen und beide Schiffe zu Tal trieben. Dabei kollidierte MS C zuerst mit einem Ponton; dann kam es mit dem Achterschiff fest und fiel mit seiner Steuerbordseite gegen die Böschung.
Aus übergegangenem Recht sowie daraus, daß ihr die Schiffseigner des MS C sämtliche Ansprüche im Frühjahr 1995 abgetreten hätten, bestätigt durch eine schriftliche Abtretungserklärung, verlangt die Klägerin Schadensersatz u. a. für den Kaskoschaden einschließlich eines merkantilen Minderwerts wegen einer das Schiff optisch beeinträchtigenden Schweißnaht unter der Wasserlinie sowie Nutzungsverlust für 22 Tage und 5 Stunden.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat der Klage hinsichtlich des Ersatzes des Kaskoschadens stattgegeben, nicht aber hinsichtlich des geltend gemachten merkantilen Minderwerts. Nutzungsverlust wurde nur für 2 Tage anerkannt. Die Berufung hatte in größerem Umfang Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Klägerin kann über die in erster Instanz zuerkannten Schadensersatzpositionen hinaus eine Forderung i.H.v. 49.289,38 DM hfl wegen des Nutzungsverlustes für 20 1/2 Tage geltend machen.
Der entsprechende Anspruch ist nicht verjährt. Entgegen der Auffassung des Rheinschiffahrtsgerichts geht der Senat davon aus, daß sich die Verjährung nicht nach § 117 Abs. 1 Nr. 7 BSchG, sondern nach § 118 Abs. 1 BSchG richtet. Geltend gemacht werden Ersatzansprüche aus dem Zusammenstoß von Schiffen. Daß es keine direkte Kollision zwischen MS C und SB S gegeben hat, ändert nichts daran, daß die Ansprüche „aus dem Zusammenstoß von Schiffen" herrühren. Auch die Schubleichter von MS S, die mit dem aus MS C und MS B bestehenden Päckchen kollidiert sind, stellen i.S.d. Binnenschiffahrtsgesetzes Schiffe dar, handelt es sich doch auch insoweit um mit einem Hohlkörper versehene Fahrzeuge von nicht ganz unbedeutender Große, deren Zweckbestimmung es mit sich bringt, über oder unter Wasser fortbewegt zu werden und dabei Personen oder Sachen zu tragen (Vortisch/ Bemm § 92 Rdnr. 4). Auch der Umstand, daß MS C als innenliegendes Schiff des Päckchens nicht direkt mit den Schubleichtern in Berührung gekommen ist, führt nicht zu einer abweichenden Bewertung, da zum einen ein derartiges Päckchen bei einer Kollision mit Unfallfolgen für alle Schiffe des Päckchens als eine Einheit anzusehen ist und naturgemäß den Eigentümern beider betroffener Schiffe des Päckchens in gleicher Weise Ansprüche aus einer Schiffskollision zustehen. So wäre es auch im Ergebnis sachlich nicht gerechtfertigt, wenn die Ansprüche der Eigentümer von MS B in zwei Jahren, die der Eigentümer von MS C aber bereits nach einem Jahr verjährten.
Auch der Umstand, daß die wesentlichen Schäden an MS C nicht direkt durch die Schiffskollision hervorgerufen worden sind, sondern erst infolge des hierdurch verursachten Abtreibens und der dann erfolgten Berührungen mit einem Ponton und der Böschung, vermag an dem Ausgangs- und Anknüpfungspunkt für die Ansprüche, nämlich der Schiffskollision, nichts zu ändern.
Bei der somit anzunehmenden zweijährigen Verjährungsfrist ist die erst nach Klageerhebung vorgenommene schriftliche Abtretungserklärung vom 25.06.1996 noch innerhalb der Frist erfolgt und im Prozeß vorgelegt worden. Den Schlußfolgerungen, die das Rheinschiffahrtsgericht aus dieser Erklärung zieht, vermag der Senat nicht uneingeschränkt zu folgen. Die Zedenten haben als Zeugen bestätigt, daß es ihnen schon bei der früheren mündlichen Abtretung um eine Gesamtabtretung gegangen sei. Der Wortlaut der schriftlichen Erklärung hätte zwar klarer ausfallen können. Er spricht aber eher für die Klägerversion, denn er enthält einerseits keine Einschränkung zum Umfang (unsere Ansprüche aus der Kollision ... vollständig!). Andererseits deutet auch die Formulierung „zum gerichtlichen Inkasso" darauf hin, daß es nicht nur um bereits befriedigte Ansprüche ging. Unabhängig von der Frage, ob aufgrund dieser schriftlichen Bestätigung eine bereits frühere mündlich erfolgte Abtretung aller Ansprüche hinreichend belegt ist, kommt der schriftlichen Erklärung jedoch eine Bestätigung in dem Sinne zu, daß in ihr zugleich eine Neuvornahme des Geschäfts gesehen werden kann. Bei der unter diesem Gesichtspunkt vorzunehmenden Auslegung der schriftlichen Abtretungserklärung ergibt sich als wesentlicher Umstand, daß die Erklärung im Verlaufe des Prozesses eingeholt worden ist, nachdem die Aktivlegitimation der Klägerin bestritten worden war, und die Zedenten zu diesem Zeitpunkt jedenfalls wußten, daß es auf die Abtretung aller Ansprüche ankam. Selbst wenn man der schriftlichen Erklärung nur die Bedeutung einer Inkassoermächtigung zubilligen will, so reicht das für die Aktivlegitimation der Klägerin aus, was zur Folge hat, daß mit der Vorlage der Erklärung am 05.07.1996 die am 02.09.1996 endende zweijährige Verjährungsfrist unterbrochen worden ist.
Dem Anspruch der Klägerin auf Ersatz des Nutzungsausfalls läßt sich auch nicht entgegenhalten, die Reparatur hätte „bei passender Gelegenheit" durchgeführt werden können. Der Sachverständige E hat diese von Beklagtenseite in den Prozeß eingeführte schagwortartige Umschreibung in seiner Stellungnahme zwar übernommen, ohne sie allerdings argumentativ mit Inhalt auszufüllen. „Bei Gelegenheit" kann entweder bedeuten, wenn das Schiff ohnehin in die Werft muß oder wenn keine Aufträge vorliegen. Zum ersteren ist zu sagen, daß es sich um ein neues Schiff handelt. Deshalb macht die Klägerin insoweit zu Recht geltend, daß es für sie auf absehbare Zeit keinen Grund für ein Werftaufenthalt gibt. Im übrigen ist es für sie auch nicht absehbar, daß das Schiff, welches überdies als sogenanntes Continue-Schiff fährt, zu irgendeinem Zeitpunkt über eine längere Dauer nicht ausgelastet ist. Wie die tatsächliche Reparaturdauer von jedenfalls 17 Tagen zeigt, wäre eine derartige längere Reparaturdauer „bei Gelegenheit" ohnehin auch bei einem nicht ständig ausgelasteten Schiff schwerlich unterzubringen. Da in dieser Hinsicht von einer erläuternden Anhörung des Sachverständigen keine stichhaltigen Argumente zu erwarten sind, die eine andere Betrachtung rechtfertigen, besteht keine Veranlassung, dem entsprechenden Antrag der Beklagten nachzukommen. Davon abgesehen läßt sich aber auch im Rahmen der Schadensminderungspflicht in rechtlicher Hinsicht ohnehin keine den Eigentümer des geschädigten Schiffs betreffende Verpflichtung zur Reparatur bei Gelegenheit rechtfertigen, wenn diese Gelegenheit nicht in einem zeitlich absehbaren nahen Zeitpunkt ernsthaft in Betracht kommt.
Kann die Klägerin somit den weiteren Nutzungsausfall des Schiffes geltend machen, so begegnet die von der Klägerin aufgestellte Berechnung der Ausfalltage insoweit Bedenken, als jedenfalls ein Abzug i.H.v. 1 1/2 Tagen zu machen ist, weil der Schiffer zu viel Zeit verwendet hat, um seine Hauswerft anzufahren, was ihm noch am selben Abend der Löschung möglich gewesen wäre, wie der Sachverständige überzeugend dargelegt hat. Konkret wäre somit für den Ausfall ab 03.09. bis 05.09. 3 1/2 Tage anzusetzen und für die Reparatur vom 30.09. bis 17.10. nochmals 17 Tage, so daß sich 20 1/2 Tage ergeben. 17 Tage für die Reparaturdauer sind anzusetzen, weil die Reparatur - unabhängig von der vorherigen Sachverständigenschätzung der voraussichtlichen Reparaturdauer - eben so lange gedauert hat und nicht ersichtlich ist, daß an einer etwaigen Verzögerung die Klägerin ein Verschulden trifft. Was die Höhe des täglichen Nutzungsausfalls angeht, so ist der Tagessatz von 2.152,00 DM bzw. 2.404,36 hfl. aufgrund der Aussage des Zeugen V erwiesen. Damit ergibt sich eine Forderung über 20,5 x 2.404,36 hfl, insgesamt somit 49.289,38 hfl.
Ohne Erfolg bleibt die Berufung, soweit mit ihr die nicht zuerkannten Positionen für die Schweißraupe und die Umsatzsteuer bei den Expertenkosten weiterverfolgt werden. Das Rheinschiffahrtsgericht hat zu Recht weder die Kosten für die Schweißraupe noch einen merkantilen Minderwert zuerkannt. Daß es für die Schiffskosmetik, die im Grunde, wie den Ausführungen des Sachverständigen zu entnehmen ist, eine Beschädigung darstellt, keinen Ersatzanspruch gibt, ergibt sich aus der Unsinnigkeit der Maßnahme. Einen merkantilen Minderwert kann man nur bei einem wesentlichen Schaden annehmen, nicht aber, wenn - wie vorliegend - die Reparaturkosten lediglich etwa 1,5 % des Wiederbeschaffungswerts ausmachen..... "
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1998 - Nr. 22 (Sammlung Seite 1717 f.); ZfB 1998, 1717 f.