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3 U 153/82 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsobergericht)
Datum uitspraak: 15.03.1983
Kenmerk: 3 U 153/82
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Regeling: § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 114 BSchG
Rechtbank: Oberlandesgericht Köln
Afdeling: Schiffahrtsobergericht

Leitsätze:

1) Neuer Rechtsstreit zur Frage der Mithaftung von Schubleichtern in einem Schubverband für einen Schaden, der allein durch falsche Manöver der Schiffsführung des Schubbootes schuldhaft verursacht und dessen Eigner mit dem oder den Eignern der Schubleichter nicht identisch ist.

2) Die entsprechende Anwendung des § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 3, § 114 BSchG soll aus der Interessenlage mit Rücksicht auf spezifische Bedürfnisse der Schifffahrt und wegen der vom Schubverband als nautischer Einheit ausgehenden Gefahr geboten sein.

Urteil des Oberlandesgerichts Köln – Schiffahrtsobergericht

vom 15. März 1983

3 U 153/82

(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)

Zum Tatbestand:

Ein Schubverband, bestehend aus Schubboot T des Eigners X und 4 Schubleichtern der Beklagten, fuhr auf der Bergfahrt in die Ruhrmündung ein, um den vorn vorgespannten Schubleichter H am nördlichen Ufer bei km 0,55 abzulegen. Wegen unsachgemäßer Manöver - was während dieses Rechtsstreits von keiner Seite bestritten worden ist - verfiel der gesamte Schubverband zum nördlichen Ufer hin, wo H einen der dort befindlichen Dalben rammte und zerstörte.
Nachdem die Klägerin als Eigentümerin des Dalbens zunächst vergeblich versucht hatte, vollen Ersatz ihres Schadens bei dem in Konkurs geratenen Eigner des Schubbootes zu erlangen, richtet sich ihr Anspruch nunmehr gegen die Beklagte, die als Eignerin der 4 Schubleichter hafte. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch von ca. 90000,- DM wurde während des Verfahrens infolge von Teilzahlungen aus der Konkursmasse des Schubbooteigners auf ca. 78300,- DM gesenkt.
Das Schiffahrtsgericht hat die Beklagte dem Grunde nach antragsgemäß verurteilt, weil die Besatzung des Schubbootes auch als Besatzung der Schubleichter anzusehen sei und die Beklagte für das Verschulden der Besatzung einzustehen habe.
Die Beklagte beanstandet u. a. die Durchbrechung des Verschuldensprinzips. Keinesfalls gehe es an, die3Schubleichter, die mit dem Dalben überhaupt nicht in Berührung gekommen seien, haften zu lassen.
Das Schiffahrtsobergericht hat die Berufung zurückgewiesen.

Aus den Entscheidungsgründen:

„...
Die Beklagte hat für den Navigationsfehler des Schubbootkapitäns nach dem Rechtsgedanken, der in den Vorschriften der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 3 BSchG zum Ausdruck gekommen ist, einzustehen.
Eine unmittelbare Anwendung dieser Rechtsvorschriften kommt vorliegend nicht in Betracht.
Der Begriff der Schiffsbesatzung im Sinne des § 3 BSchG wird - wie auch bei § 481 HBG - eng ausgelegt. Wie u. a. die Bezeichnungen „Dienstverrichtung" in § 3 Abs. 1 BSchG und „Dienstverhältnis" in § 5 bzw. „Dienstvertrag" in §§ 102 ff. BSchG zeigen, sind zur Besatzung, d. h. auch zu den „übrigen auf dem Schiff angestellten Personen" (§ 3 Abs. 2 BSchG) nur diejenigen zu rechnen, die als Arbeitnehmer des Eigners kraft eines auf eine gewisse Dauer berechneten unmittelbaren Dienstverhältnisses in den arbeitsteiligen Organismus der Schiffsdienste und der Bordgemeinschaft eingegliedert sind (vgl. BGHZ 3, 34 ff, 39 m.w.N.).
Ein solches arbeitsrechtliches Verhältnis hat zwischen der Beklagten und der Besatzung des Schubbootes nicht bestanden. Dienst- oder arbeitsrechtliche Beziehungen hatte die Schubbootbesatzung ausschließlich zum Eigner des Schubbootes „THADDEUS".
Indessen müssen hier die Haftungsbestimmungen der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 3 BSchG entsprechend angewendet werden. Das erscheint aus der Interessenlage heraus geboten.

Die Haftungsbestimmungen der §§ 4, 114 BSchG sind in besonderem Maße auf die spezifischen Bedürfnisse der Schiffahrt zugeschnitten. Einerseits wird im Hinblick auf die mit dem Schiffahrtsbetrieb verbundenen besonderen Gefahren die Entlastungsmöglichkeit nach § 831 Abs. 1 Satz 2 ausgeschlossen; andererseits wird aus allgemeinwirtschaftlichen Gründen die Haftung gegenständlich beschränkt, um das mit der Schiffahrt verbundene Risiko in angemessenem Rahmen zu halten. Diese Gesichtspunkte fordern eine entsprechende Anwendung, wenn die Gleichheit der Interessenlage es gebietet, dem Geschädigten einen gleichartigen Schutz zu gewähren. In Anwendung dieser Rechtsgedanken hat bereits das Reichsgericht im Falle eines Festmachers, der ein selbständiges Gewerbe betrieb, die Haftung des Eigners bejaht (RGZ 119, 270) und in einem Fall, in dem der Angestellte eines Stauereibetriebes einen Fehler gemacht hatte, die Reederhaftung aus § 485 HGB für gegeben erachtet (RGZ 126, 35). Der Bundesgerichtshof hat sich dieser Rechtsauffassung in der Entscheidung BGHZ 3, 34 ff. angeschlossen. Bei dieser Entscheidung ging es um die Haftung des Eigners für das Verschulden eines selbständigen Werkunternehmers, den der Eigner mit der Bewachung von Schuten beauftragt hatte. Der Bundesgerichtshof hat dabei mit Recht den Grundsatz entwickelt, daß es nicht gerechtfertigt sei, die Haftung des Schiffseigners für Schäden, die bei Arbeiten entstehen, für die er an sich Sorge zu tragen hat, dann auszuschließen, wenn er diese Arbeiten nicht durch Angehörige der Schiffsbesatzung vornehmen, sondern sie für seine Rechnung durch Angehörige eines anderen selbständigen Betriebes ausführen läßt (a.a.O. S. 41).
Um Arbeiten dieser Art handelt es sich beim Transport der Leichter durch das Schubboot. Wie der Bundesgerichtshof in seiner für die Haftung im Schubverband grundlegenden Entscheidung VersR 1978, 226 f. ausgeführt und wie auch der Senat in seiner Entscheidung VersR 1977, 276 f. dargelegt hat, stellt die Reise des Leichters gerade einen besonders gefährlichen Teil des Schiffsbetriebs dar: Für diesen wesentlichen und typischen Teilbereich trägt der Eigner der Leichter die Haftung nach §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 3 BSchG, sofern er auch Eigner des Schubbootes ist; dann läßt er diese eigene Aufgabe eben auch durch seine eigene Besatzung ausführen. Er kann sich der Haftung für diesen besonders gefährlichen Teil des Schiffsbetriebes nicht dadurch entledigen, daß er diese Arbeit für seine Rechnung durch den Schubbooteigner als selbständigen Werkunternehmer ausführen läßt. In diesem Fall ist es vielmehr gerade nach den vom Reichsgericht und vom Bundesgerichtshof entwickelten Grundsätzen zur rechtsähnlichen Anwendung der Haftungsbestimmungen der §§ 3 Abs. 1, 4 Abs. 1 Nr. 3 BSchG geboten, den Eigner der Leichter für das Verschulden der Schubbootbesatzung haften zu lassen.
Diese Haftung stellt entgegen der Auffassung der Beklagten keine Durchbrechung des Verschuldensprinzips dar. Anknüpfungspunkt für die Haftung ist wie auch bei der unmittelbaren Anwendung dergenannten Vorschriften fremdes Verschulden. Dieses fremde Verschulden wird in beiden Fällen dem Eigner haftungsmäßig zugeordnet, ohne daß es auf ein Verschulden von seiner Seite ankäme: Das zeigt sich schon daran, dass dem Eigner auch im Fall der unmittelbaren Anwendung der Rechtsvorschriften jede Exculpationsmöglichkeit abgeschnitten ist. Kann auch eine noch so sorgfältige Auswahl oder Beaufsichtigung der Besatzung den Eigner nicht entlasten, so ist nicht ersichtlich, inwiefern vorliegend eine Durchbrechung des Verschuldensprinzips in der Haftung für ein Verschulden des Werkunternehmers liegen soll. Im übrigen kennt das Gesetz in der Regelung des § 2 Abs. 2 BSchG einen noch härter ausgestalteten Fall des Einstehenmüssens für fremdes Verschulden: Danach kommt eine dingliche Haftung des Eigentümers für den Ausrüster nach Abs. 1 dieser Vorschrift sogar dann in Betracht, wenn er ihn nicht einmal selbst ausgewählt hat.

Bei der dargelegten Interessenlage erschiene es auch nicht sachgerecht, für die Haftung einzelner Leichter darauf abzustellen, welcher Teil des gesamten Schubverbandes mit dem geschädigten Objekt unmittelbar in Berührung gekommen ist. Insoweit ist zu berücksichtigen, daß gerade der Schubverband als solcher mit der starren Verbindung der einzelnen Teile zu einer nautischen Einheit eine besondere Gefahr darstellt. Die hiervon ausgehende Gefahr kann nur einheitlich beurteilt werden. Zum einen kann es nicht auf den rein zufällig bedingten Umstand ankommen, welcherTeil des starren Gesamtverbandes die Kollision unmittelbar herbeiführt. Zum anderen muß in dem Fall, in dem durch den Schubverband ein anderes Schiff infolge Gefährdung und ohne gegenseitige Berührung zu Schaden kommt, ohnehin jeder Leichter mithaften. Haftungsgrund ist die Zurechnung des Verschuldens der Schubbootbesatzung, und diese Zurechnung ist unabhängig davon gegeben, ob der jeweilige Leichter das geschädigte Objekt unmittelbar berührt hat oder nicht.
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