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Leitsatz:
Auch in einem Hafen braucht nicht damit gerechnet zu werden, daß Außenbordarbeiten an Schiffen verdeckt für andere Schiffsführer und ohne Aufstellung eines Wahrschaupostens ausgeführt werden.
Urteil des Schiffahrtsobergerichts in Köln
vom 3. März 1978
3 - 3/77 Sch.
(Schiffahrtsgericht Duisburg Ruhrort)
Zum Sachverhalt:
Dem Angeklagten als Schiffsführer des MS P wird vorgeworfen, bei einem Verholmanöver im Nordhafen von Duisburg-Ruhrort infolge Unaufmerksamkeit mit seinem Schiff gegen einen neben dem MS H befindlichen Nachen gestoßen zu sein, wodurch der sich darin zwecks Durchführung von Arbeiten an der Schiffswand von H befindliche Matrose Z. ins Wasser gestürzt und ertrunken sein soll.
Der Angeklagte hat gegen die vom Schiffahrtsgericht wegen fahrlässiger Tötung erfolgte Festsetzung einer Geldbuße von 30 Tagessätzen zu je 50,- DM Berufung eingelegt. In der Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht konnten die näheren Umstände des Todes von Z. nicht geklärt werden. Der Angeklagte wurde daher freigesprochen.
Aus den Gründen:
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insbesondere ist ungeklärt geblieben, wo Z. mit seinem Nachen unmittelbar vor dem Unfall gewesen ist; denn niemand hat ihn bei der Arbeit und unmittelbar vor dem Unfall gesehen.
Schiffsführer H. von MS H hat zwar angegeben, er habe Z. den Auftrag gegeben, vorne am Kopf seines Schiffes Rost abzukratzen und zu streichen, er hat aber nicht gesehen, wie Z. das Boot festgemacht hat. Üblicherweise, so hat H. weiter angegeben, geschehe das so, daß das Boot quer vor den Kopf gelegt und vorne und hinten an den Ankern befestigt werde. Die Befestigung nach dem Unfall sei so gewesen, wie sie üblicherweise hätte sein müssen.
Demgegenüber hat der Angeklagte angegeben, nach dem Unfall sei der Nachen nur an einem Tau befestigt gewesen. Dieses Tau sei an der Reeling festgemacht gewesen. Das steht in Obereinstimmung mit den Angaben des Zeugen Sch., der auch davon gesprochen hat, nach dem Unfall sei der Kahn nur noch an einem Tau befestigt gewesen und daran habe man den Nachen mit der Ankerwinde unter MS H hervorgezogen. War aber der Nachen nach dem Unfall nur noch mit einem Tau an MS H befestigt, kann nicht ausgeschlossen werden, daß der Kahn an der Backbordseite des MS H gelegen hat und so für den Angeklagten bei dem Verholmanöver durch den Schiffsrumpf des MS H verdeckt gewesen ist. Der Kahn braucht also nicht vor dem Kopf des MS H gelegen zu haben und sichtbar gewesen zu sein. Zuverlässige Schlußfolgerungen lassen sich auch nicht aus dem Umstand ziehen, daß der Angeklagte, ebenso wie andere Zeugen, ein Geräusch gehört und dann nach dem Verlassen seines Steuerhauses den Nachen hat verschwinden sehen; denn es steht nicht fest, wo der Nachen am MS H angekommen ist, da weder an dem Nachen noch an MS H Spuren festgestellt worden sind. Es läßt sich auch nicht ausschließen, daß der Nachen durch Sogeinwirkung für den Angeklagten überhaupt erst im letzten Teil der Geschehnisse sichtbar geworden ist.
Es bestehen im übrigen auch keine sicheren Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte schon bei der Annäherung an MS H den Nachen hätte erkennen können, da auch der damals auf dem Vorschiff des MS P arbeitende Zeuge Sch. den Nachen neben MS H nicht wahrgenommen hat.
Bei dieser Sachlage kann nicht festgestellt werden, daß der Angeklagte den Nachen mit dem Matrosen Z. hätte wahrnehmen und deshalb gefährliche Maschinenmanöver in der Nähe des Nachens hätte unterlassen müssen. Da auch in einem Hafen nicht damit gerechnet werden muß, daß Außenbordarbeiten an Schiffen verdeckt für andere Schiffsführer und ohne Aufstellung eines Wahrschaupostens ausgeführt werden, handelte der Angeklagte nicht gegen die berufliche Übung, wenn er sich bei seinem Verholmanöver mit MS P bis auf 15 bis 20 m an MS H annäherte. Daß er einen geringeren Abstand gehabt hat, hat zwar der Zeuge Sch. bekundet, dieser hatte aber vom Vorschiff des MS P aus keine so gute Beobachtungsposition wie der Angeklagte, so daß angesichts der bekannten Schwierigkeiten, auf dem Wasser Entfernungen zu schätzen, den Angaben des Angeklagten zu folgen ist, zumal dieser vor Gericht einen guten Eindruck hinterlassen hat und bestrebt erschien, die volle Wahrheit zu sagen.
Entsprechend dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft war nach alledem der Angeklagte von dem Vorwurf freizusprechen, den Tod des Matrosen Z. durch Fahrlässigkeit verursacht zu haben.
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