Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
An die Sorgfaltspflicht eines Personalabteilungsleiters einer Reederei, welcher für die ordnungsmäßige Bemannung der Reedereischiffe mitverantwortlich ist und Annahme und Einsatz des Schiffspersonals zentral zu beaufsichtigen hat, sind erhebliche Anforderungen zu stellen. Kann ein verantwortlicher Personalsachbearbeiter jedoch seine ernsthaften Bemühungen nachweisen, dem allgemein in der Binnenschiffahrt herrschenden Personalmangel auch in dem von ihm betreuten Betriebe nach Möglichkeit abzuhelfen, so dürfen die Anforderungen an das Verantwortungsbewußtsein nicht überspannt werden. Die Schiffsführer bleiben nach § 2 Nr. 4 Satz 1 BschSO für die ordnungsgemäße Bemannung in erster Linie verantwortlich.
Urteil des Oberlandesgerichts
Schiffahrtsobergericht
vom 15. März 1962
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
3 - 1/62
Zum Tatbestand:
In Fällen der Unterbemannung ist nicht nur der Schiffsführer strafbar. Auch die für die richtige Bemannung verantwortliche Aufsichtsperson einer Reederei kann bestraft werden, wenn sie die Fahrt mit einem unterbemannten Fahrzeug zuläßt (- was nicht mit Anstiftung verwechselt werden darf!). Diese Strafbarkeit ist in § 87 Abs. 1 (Ziffer 2a), Abs. 2 der BinnenSchUO in Verbdg. mit §§ 151 Gewerbeordnung und 366 Ziff. 10 StGB vorgesehen, kommt also nur für Zuwiderhandlungen gegen Bemannungsvorschriften auf den nichtrheinischen Wasserstraßen, d. h. auch auf Main, Neckar, Lahn, Mosel, Ruhr und anderen Nebenwasserstraßen des Rheins in Betracht. Mangels gleichartiger Vorschriften in der Rheinschiffsuntersuchungs-Ordnung ist eine Bestrafung für den gleichen Tatbestand auf dem Rhein selbst (also Zulassung der Fahrt mit einem nicht genügend bemannten Schiff) nicht möglich.
Kürzlich hatte nun das Oberlandesgericht in Köln als Schiffahrtsobergericht über die Berufung eines vom Schifffahrtsgericht verurteilten Leiters der Personalabteilung einer Reederei zu entscheiden, dem vorgeworfen war, die Verwendung eines unterbemannten Fahrzeugs auf der Ruhrwasserstraße zugelassen und damit einen Verstoß gegen § 87 BSchUO in Verbdg. mit § 151 GO begangen zu haben.
Das Schiffahrtsobergericht sprach den Beschuldigten wegen erwiesener Unschuld auf Kosten der Staatskasse frei. Dieses Urteil beruhte im wesentlichen darauf, daß der Beschuldigte den einwandfreien Nachweis führen konnte, daß seine Reederei und er selbst alles Erdenkliche zur Beschaffung von Personal und zur Verhinderung von Unterbemannungsfällen sowie zur entsprechenden Aufklärung der Schiffsführer dieser Reederei getan hatten.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Angeklagte war zwar als Leiter der Personalabteilung der Reederei grundsätzlich für die ordnungsmäßige Bemannung ihrer Fahrzeuge mitverantwortlich und konnte zumindest als Aufsichtsperson im Sinne des § 151 Abs. 1 GewO strafbar sein, wenn es im Betrieb des Schiffahrtsgewerbes seiner Firma zu Verstößen gegen die Mindestbemannungsvorschriften kam. Auch müssen sicherlich gerade bei großen Reedereien, in denen Annahme und Einsatz des Schiffspersonals zentral erfolgt, an Sorgfalt und Verantwortungsbewußtsein der zuständigen Sachbearbeiter erhebliche Anforderungen gestellt werden, zumal es weitgehend von ihnen abhängt, ob die einzelnen Schiffsführer ihre diesbezüglichen Pflichten ordnungsgemäß erfüllen.
Der Angeklagte hat jedoch überzeugend dargetan, daß im vorliegenden Falle von ihm nichts versäumt worden ist. Seine Reederei ist offensichtlich tatkräftig bemüht, dem immer noch herrschenden erheblichen Personalmangel in der Binnenschiffahrt zu ihrem Teile abzuhelfen. Sie bildet laufend 40 bis 50 Schiffsjungen aus, obwohl unter normalen Verhältnissen nur etwa 11 erforderlich wären.
Der Angeklagte hatte ferner, wie sich auch aus einem vorgelegten Schreiben der Fachvermittlungsstelle für Binnenschiffer beim Arbeitsamt in Duisburg-Ruhrort v. 12. 3. 1962 ergibt, in ständiger Verbindung mit dieser maßgebenden Vermittlungsstelle gestanden und noch wenige Tage vor dem hier in Rede stehenden Fall von Unterbemannung Auftrag zur Vermittlung von 12 Matrosen erteilt.
Der Angeklagte ist auch seit Jahren bemüht gewesen, den Fehlbedarf an Deckpersonal wenigstens von Schiffsreise zu Schiffsreise durch kurzfristigen Einsatz von sogenannten Hilfsleuten zu decken. Dieser Einsatz läßt sich in der Regel nur von einem Tag zum anderen oder gar erst am Tage des Beginns der Schiffsreise bewerkstelligen. Schon deswegen sind die Reedereien dabei weitgehend auf die Mitarbeit der einzelnen Schiffsführer angewiesen, die auch nach der Regelung der Binnenschiffahrtsstraßenordnung (§ 2 Nr. 4 Satz 1) in erster Linie für die ordnungsmäßige Bemannung ihres Fahrzeugs verantwortlich sind.
In einem Rundschreiben vom 1. 4. 1960 wurden die Schiffsführer erneut nachdrücklich zur Mitarbeit bei der Bemannung der Fahrzeuge und zur selbständigen Einstellung von Personal aufgefordert.
Diese Rundschreiben befinden sich bei den Schiffspapieren der einzelnen Fahrzeuge, und die Schiffsführer sind nach der glaubwürdigen Angabe des Angeklagten auch mündlich dahin unterrichtet, daß sie vor jeder Fahrt selbständig einen Hilfsmann bei der Personalabteilung oder unmittelbar beim Arbeitsamt anzufordern haben, falls die Besatzung nicht vollständig ist. Erhalten sie von der Schiffahrtsabteilung der Reederei, die mit der Bemannung der Fahrzeuge selbst nichts zu tun hat, den Auftrag zu einer Schiffsreise, so müssen sie melden, ob ihr Schiff fahrklar ist. Fahrklar ist ein Fahrzeug aber nur bei Vorhandensein einer ordnungsmäßigen Bemannung. Für die Richtigkeit ihrer Meldung tragen die Schiffsführer selbst die Verantwortung.
Dem Angeklagten war unbedenklich zu glauben, daß er dem Schiffsführer, als dieser ihm am 15. 3. 1961 von der Kündigung des 2. Matrosen zum 1. April Mitteilung machte, gesagt hatte, er solle sich wieder meiden, wenn sein Schiff tatsächlich unterbemannt sein würde.
Es wäre Sache des Schiffsführers K. gewesen, sich zumindest rechtzeitig vor Antritt der Fahrt am 4. April bei der Personalabteilung wieder zu melden oder selbständig einen Hilfsmann für die neue Fahrt zu besorgen.
Nichts dergleichen ist jedoch geschehen. Dem Angeklagten war auch zu glauben, daß er ebensowenig anderweitige Kenntnis von dieser Fahrt erhalten hatte. Er macht ferner mit Recht geltend, daß er sich bei der großen Zahl der von ihm betreuten Fahrzeuge nicht ständig von sich aus um jeden einzelnen, für eine bestimmte Fahrt etwa kurzfristig erforderlich werdenden Hilfsmann kümmern könne und sich insoweit grundsätzlich auf das anweisungsgemäße Verhalten der verantwortlichen Schiffsführer verlassen müsse. Eine anderweitige Auffassung würde in der Tat auf eine Überspannung der diesbezüglichen berechtigten Anforderungen an einen verantwortlichen Personalsachbearbeiter der großen Reedereien hinauslaufen. Es kann hier auch nicht festgestellt werden, daß es der Angeklagte allgemein an ausreichender Beaufsichtigung und Belehrung der Schiffsführer hat fehlen lassen. Der schuldige Schiffsführer K. war bis dahin noch nicht durch ähnliche Verstöße gegen die Mindestbemannungsvorschriften und die einschlägigen Anweisungen der Reederei aufgefallen gewesen.