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Leitsatz:
Für den Erlaß eines Grundurteils, das die Feststellung eines Verschuldens des Beklagten voraussetzt, das für den Schaden ursächlich gewesen ist, genügt nicht die bloße Feststellung, daß der Beklagte ein fehlerhaftes Überholmanöver ausgeführt hat. Zu dieser haftungsbegründenden Kausalität muß die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der dem Beklagten angelasteten unerlaubten Handlung und dem behaupteten Schaden hinzutreten, für die der Kläger die Beweislast trägt.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 17. Juni 1993
284 Z - 9/93
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 12./13.2.1992 - C 111/90 RhSch -)
Tatbestand:
Der Kläger verlangt von dem Beklagten aus übergegangenem Recht Schadensersatz aufgrund einer Grundberührung, die MS "JM" durch Verschulden des Beklagten am 1.10.1989 gegen 16.00 Uhr im Bereich des Roxheimer Loches erlitten haben soll.
Zur genannten Zeit wurde das zu Tal fahrende MS "JM" (76,40 m lang, 8,20 m breit, 600 PS stark), das von dem Zeugen JM geführt wurde, im Bereich des als flache Stelle bekannten Roxheimer Loches von dem vom Beklagten geführten MTS "B" überholt.
Der Kläger hat behauptet, dem MS "JM" sei zunächst der zu Berg fahrende Schubverband "S1" entgegengekommen. Da sich die Fahrrinne zwischen km 438,6 und 438,7 bei dem damaligen Wasserstand stark verengt gehabt habe, seien in diesem Bereich Begegnungen und Überholungen nur auf engstem Raum und bei Seitenabständen von ca. 10 bis 20 m möglich gewesen. Nach der Begegnung mit dem Schubverband sei das leere MTS "B" in rascher Fahrt aufgekommen und habe auf der Backbordseite des MS "JM" zur Überholung angesetzt. Der Seitenabstand habe nur ca. 10 m betragen. Schon ab km 438 habe Schiffsführer M seine Fahrt von etwa einer halben Fahrstufe auf 120 UpM seiner Maschinenleistung zurückgenommen, wobei 250 UpM einer halben Fahrstufe entsprächen. Gleichzeitig habe er Achtungssignal gegeben. Da der Beklagte die Geschwindigkeit seines Schiffes nicht herabgesetzt habe, habe Schiffsführer M über Kanal 10 gebeten, langsamer zu fahren. Der Beklagte habe jedoch nicht geantwortet und sei weitergefahren. Dabei habe MTS "B" auf beiden Schiffsseiten eine Heckwalze hinter sich hergezogen. Bei der Vorbeifahrt sei das Hinterschiff von MS "JM" angesogen worden, wodurch das Vorschiff nach Steuerbord geraten sei. Als Gegenruder gelegt worden sei, habe MS "JM" mit dem Hinterschiff eine starke Grundberührung erlitten, wodurch es zu den von den Sachverständigen H und S festgestellten Schäden gekommen sei.
Der Kläger hat den Schaden des Eigentümers des MS "JM" auf 16.139,50 DM beziffert und behauptet, der Beklagte habe in Kenntnis des Unfalls und seiner Folgen sein Schiff zu neuen Reisen ausgesandt.
Ferner hat der Kläger Zahlungsverzug des Beklagten ab 10.12.1989 behauptet und ausgeführt, er hätte die Streitsumme während des Verzugszeitraums mit 9,5% Zinsen anlegen können.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger DM 16.139,50 nebst 9,5% Zinsen seit dem 10.12.1989 zu zahlen und zwar sowohl persönlich haftend als auch dinglich mit dem ihm gehörenden MTS "B".
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat ausgeführt, die Vorbeifahrt der Schiffe sei ohne Komplikationen in einem ausreichenden seitlichen Abstand von mehr als 10 m bei reduzierter Maschinenleistung verlaufen. Von MS "JM" sei kein Hinweis auf einen angeblichen Schaden anlässlich der Vorbeifahrt erfolgt. Erst am 17.10.1989 habe der für den Kläger tätige Experte H zu einer gemeinsamen Schadensbesichtigung eingeladen. Aus der Schadenstaxe ergäben sich keine Schäden, die bei einer Grundberührung typischerweise festzustellen seien.
Im Übrigen hat der Beklagte die Höhe des Schadens bestritten.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat das Rheinschiffahrtsgericht ausgeführt, nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme habe zwar der Beklagte bei der Überholung des MS "JM" gegen § 6.09 Ziff. 1 RheinSchPV verstoßen, weil die Geschwindigkeit des von ihm geführten Schiffes wegen des geringen Seitenabstandes zu MS "JM" beim Überholen zu hoch gewesen sei, so dass die Gefahr einer unzulässigen Sogeinwirkung auf dieses Schiff bestanden habe. Der Kläger habe jedoch nicht bewiesen, dass MS "JM" durch dieses Verhalten des Beklagten tatsächlich Grundberührung erlitten und hierdurch die von den beiden Privatsachverständigen H und S festgestellten Schäden entstanden seien. Angesichts erheblicher Zweifel aus tatsächlichen Gründen hat sich das Rheinschiffahrtsgericht außerstande gesehen, den Angaben des Zeugen M und der seine Aussage teilweise bestätigenden Bekundung der Zeugin St die Überzeugung von einer haftungsausfüllenden Kausalität zwischen dem schuldhaften Verhalten des Beklagten und dem Schaden zu entnehmen. Zu Gunsten des Klägers streite auch kein Beweis des ersten Anscheins, weil der festgestellte Schaden viele Ursachen haben könne.
Der Kläger wendet sich mit seiner Berufung gegen die Beweiswürdigung in dem angefochtenen Urteil. Er sieht die haftungsausfüllende Kausalität als bewiesen an.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt zu erklären, hilfsweise, den Beklagten zur Zahlung von 16.139,50 DM nebst 9,5% Zinsen seit dem 10.12.1989 zu verurteilen, wobei der Beklagte nicht nur persönlich, sondern auch dinglich mit MTS "B" in gleicher Höhe aufgrund des Unfalls vom 1.10.1989 bei Rhein-km 438,5 - 7 haftet.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und tritt den Ausführungen des Klägers entgegen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache konnte die Berufung keinen Erfolg haben.
Mit dem Rheinschiffahrtsgericht entnimmt auch die Berufungskammer den Aussagen der unbeteiligten Zeugen vdS und K, bei denen es sich um erfahrene Schiffsführer handelt, dass MTS "B" mit einer für den geringen Seitenabstand der Schiffe zu hohen Geschwindigkeit das MS "JM" überholt und hierdurch die Gefahr einer unzulässigen Sogeinwirkung auf dieses Schiff herbeigeführt hat. Beide Zeugen haben übereinstimmend und unabhängig voneinander eine Fahrweise des MTS "B" beobachtet, die für die Gefahr einer Grundberührung des MS "JM" sprach, wenn sie auch von ihren Schiffen aus den Abstand der beiden Schiffe und die genaue Geschwindigkeit des MTS "B" nicht angeben konnten. Auch die Berufungskammer sieht ebenso wie das Rheinschiffahrtsgericht keine durchgreifenden Gründe, die Fahrweise des Beklagten anders als die beiden erfahrenen Zeugen zu beurteilen.
Ebenso wenig wie das Rheinschiffahrtsgericht hat sich die Berufungskammer davon überzeugen können, dass der mit der Klage verfolgte Schaden auf die fehlerhafte Fahrweise des Beklagten zurückzuführen ist.
Wie das Rheinschiffahrtsgericht mit Recht ausgeführt hat, ist eine Grundberührung des MS "JM" nur durch den Schiffsführer dieses Schiffes, den Zeugen Manfred M, und mit Einschränkungen durch seine Matrosin, die Zeugin Brigitte St, bestätigt worden. M will während der Überholung durch MTS "B" "voll über den Kies marschiert" sein; die Zeugin St will im Maschinenraum von MS "JM" gehört haben, "dass das Schiff über Kies" gegangen ist; der Zeuge M habe dann, so hat die Zeugin weiter bemerkt, als sie an Deck gekommen sei, geschimpft und gesagt, es habe jemand zu schnell überholt und auch, wer es gewesen sei.
Auch die Berufungskammer sieht diese Aussagen nicht als ausreichenden Nachweis dafür an, dass MS "JM" im zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Überholung durch MTS "B" eine Grundberührung gehabt hat und hierauf die von den Sachverständigen festgestellten Schäden an der Ruderanlage dieses Schiffes beruhen. Gegen die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen M und den Beweiswert der Angaben der Zeugin St sprechen mehrere erhebliche Umstände:
1. Weder die angebliche Unfallstelle noch die zur Unfallzeit gegebene Verkehrssituation einschließlich des Überholmanövers des MTS "B" können den Angaben des Zeugen Manfred M zweifelsfrei entnommen werden.
M hat bei seiner erstinstanzlichen Vernehmung angegeben, MTS "B" habe sein Schiff etwa zwischen km 438,7 bis km 439,1 überholt. Diese Angaben stehen im Widerspruch zu den Angaben des Klägers in der Klageschrift, wonach MS "JM" bei km 438,5 - 7 Grundberührung im Zusammenhang mit der Überholung durch MTS "B" erlitten haben soll. Dass es sich insoweit nicht um einen an sich unbeachtlichen Informationsfehler handelt, entnimmt die Berufungskammer der vom Kläger vorgelegten und mit den Angaben in der Klageschrift übereinstimmenden Telefonnotiz ihres inzwischen verstorbenen Geschäftsführers Sp vom 3.10.1989, in der es u.a. heißt : "So. 16.05 1.10.89 438,500 linkrh. Roxh. Loch TMS "B" / v.B gerakt ...". Unvereinbar erscheinen die Angaben des Zeugen M gegenüber Herrn Sp über den Ort der Überholung auch wegen der Aussagen des unbeteiligten Zeugen vdS. Dieser Zeuge will mit seinem Schubverband "S1" dem MS "JM" etwa bei km 438,1 begegnet sein. VdS will später gesehen haben, wie MTS "B" MS "JM" gerade überholte. Die Überholung habe etwa zwei Kilometer weiter unterhalb stattgefunden, so hat vdS ausdrücklich angegeben.
Bei dieser Sachlage lässt sich der Ort der angeblichen Grundberührung nicht sicher festlegen, zumal der Zeuge M keine Angaben darüber gemacht hat, um seinen Standort im Zeitpunkte der angeblichen Grundberührung durch Angaben zum Abstand zu den oberhalb des Roxheimer Loches ausgelegten beiden Bojen, von denen der Zeuge vdS gesprochen hat, und der Einmündung des dort befindlichen Kanals zu präzisieren.
Das Verkehrsgeschehen auf dem Strom einschließlich des Überholmanövers des MTS "B" hat der Zeuge M bei seiner Aussage vor Gericht widersprüchlich dargestellt. M hat zunächst angegeben, ihm sei zunächst der Schubverband "S1" begegnet. Vor dieser Begegnung habe er das zu Tal fahrende MTS "B" 1 1/2 km hinter sich gesehen. Nach der Begegnung mit dem Schubboot "S1" sei das leere MS "F" zu Berg gekommen. Im Zeitpunkt der Begegnung mit MS "F" sei MTS "B" bereits mit seinem Vorschiff an seinem Hinterschiff gewesen. Im weiteren Verlauf seiner Vernehmung hat der Zeuge M dann ausgesagt, das Schubboot "S1" habe gerade sein Heck passiert gehabt, als MTS "B" an sein Hinterschiff gekommen sei. "B" habe sein "Hinterschiff in einem Abstand von vielleicht 1,50 m passiert, da wegen des Schubverbandes nicht mehr Platz" gewesen sei. Er sei schräg an seinem Hinterschiff vorbeigefahren. Auf Befragen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten hat der Zeuge diese Angaben wiederholt und hinzugefügt, die Begegnung mit MS "F" habe nach dem Überholen durch "B" stattgefunden. Berücksichtigt man die bereits erwähnten Angaben von Schiffsführer vdS, der das Überholmanöver des MTS "B" aus einer Entfernung von etwa 2 km oberhalb gesehen hat, können die vorgeschilderten Angaben des Zeugen M zur Begegnung seines Schiffes mit dem Schubverband und damit zu der Frage des für das Überholmanöver zur Verfügung stehenden Raumes nicht zutreffen; denn die Bekundungen des unbeteiligten Zeugen vdS geben zu Zweifeln keinen Anlass. Dieser Zeuge hat im übrigen ausgesagt, zu der hier fraglichen Zeit sei MTS "B" sein Gesprächsthema gewesen, weil man sich überlegt hätte, wie viel Arbeit man gehabt hätte, wenn Leichter abgerissen wären, nachdem durch die harte Vorbeifahrt des MTS "B" seine Leichter hochgegangen und die Drähte rack geworden waren. Daraus folgt, dass der Zeuge vdS die Fahrweise des MTS "B" mit Aufmerksamkeit in sich aufgenommen hat und die Begegnung mit MS "JM" bereits eine gewisse Zeit zurückliegen musste, als der Zeuge das Überholmanöver des MTS "B" sah.
2. Nach Angaben des Zeugen M soll sein Schiff durch Sogwirkung nach Steuerbord abgegangen sein. Er will hart Backbordruder gegeben und zur Verstärkung der Ruderwirkung das Notruder zugeschaltet und die Maschinenkraft verstärkt haben, um Druck aufs Ruder zu bekommen. Es habe danach einen harten Schlag am Ruder gegeben und man sei dann "auch voll über den Kies marschiert". Er habe dann noch versucht, MTS "B" über Funk anzusprechen. Gegen diese Angaben sprechen folgende Zweifel:
Wie aus der Schadenstaxe des Sachverständigen H folgt, haben die beiden an der Schadensaufnahme beteiligten Privatsachverständigen festgestellt, dass der Steuerbord-Ruderschaft von MS "JM" mit Verstellung des Blattes nach außen um 12 Grad verdreht war. Später wurde durch die Werft nach Abnahme des Steuerbordquadranten am Schaft des Ruders eine Verbiegung des Konus von 5 mm festgestellt. Auch wurde eine passende Kerbung im Stehblech des Stoppers und eine zusätzliche Spur im Quadrant gefunden, was zur damaligen Darstellung des Zeugen M, das Steuerbordruder sei anscheinend hart gegen den Deckstopper gelaufen, passen konnte. Bei Erwägung der Fakten haben die Sachverständigen diese Ansicht des Zeugen M jedoch verworfen, weil der Vorgang ihrer Ansicht nach anders abgelaufen sein musste. Sie haben die Ansicht vertreten, als der Zeuge M durch Betätigung des Tillers bei zugeschaltener Zusatzpumpe eine Hart-Backbord-Ruderlage angestrebt habe, habe sich sein Schiff achtern gesetzt und bei etwa 3/4 Ruderlage Grundberührung gehabt. In diesem Moment sei das unter hohem Druck bewegte Steuerbord-Ruder, am Sandgrund festgehalten und ein Gegendruck erzeugt worden. Bevor der hierfür vorgesehene Sekundär-Überlastungsschutz diesen Gegendruck habe abbauen können, sei der Ruderschaft in Sekundenbruchteilen bereits verdreht worden.
Die Berufungskammer sieht keinen begründeten Anlass, die aufgezeigten Feststellungen der beiden Privatverständigen und die sich hieraus ergebenden Schlussfolgerungen in Zweifel zu ziehen. Es bedarf auch keiner Erörterung, ob deren Ausführungen für die Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen M sprechen. Auch dann bleiben erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der Angaben des Zeugen M:
Aus den Ausführungen der beiden Privatsachverständigen ergibt sich, dass außer den Schäden an dem Ruder keinerlei sonstige Spuren einer Grundberührung an MS "JM" festgestellt werden konnten, was den Bekundungen des Zeugen M widerspricht, wonach sein Schiff "voll über den Kies marschiert ist". Wären diese Angaben richtig, hätte der Schiffskörper erkennbare Schleifspuren aufweisen müssen.
Weitere Zweifel an der Sachdarstellung des Zeugen M ergeben sich daraus, dass nicht als bewiesen erachtet werden kann, der Zeuge habe nach der angeblichen Grundberührung die Schiffsführung des MTS "B" auf den Vorfall hingewiesen. Zwar will M seinen Angaben zufolge versucht haben, MTS "B" über Funk anzusprechen. Gegen diese Angaben spricht, dass der Schiffsführer des Schubbootes "S1", der Zeuge vdS, nicht sagen konnte, ob der Zeuge M über Sprechfunk gesagt hat, er habe Grundberührung gehabt. Ferner will der Zeuge M "R", "F" und "S1" daraufhin angesprochen haben, ob sie den Vorfall beobachtet hätten, was außer "F" beide bestätigt hätten. Auch von einer solchen Anfrage hat Schiffsführer vdS bei seiner Vernehmung nichts erwähnt. Wären Durchsagen des vom Zeugen M behaupteten Inhalts erfolgt, hätte der Zeuge vdS derartige Durchsagen mit Sicherheit erwähnt. Da er dem Geschehen seine Aufmerksamkeit zugewandt hatte, wäre ihm eine solche Durchsage auch nicht entgangen, zumal er vor dem Überholmanöver des MTS "B" gehört hatte, dass M die Schiffsführung des MTS "B" aufgefordert hatte, langsamer zu machen. Da der Zeuge vdS seinen Abstand zu MS "JM" zur Zeit des Überholvorgangs mit MTS "B" mit etwa 2 km angegeben hat und dieses Schiff noch in seinem Blickfeld hatte, hält es die Berufungskammer für ausgeschlossen, dass vdS eine Durchsage des Zeugen M wegen zu geringer Reichweite des Funkgeräts des MS "JM" nicht gehört haben kann. Kann aber nicht festgestellt werden, dass der Zeuge M nach einem Auslaufen seines Schiffes, "einem harten Schlag in das Ruder" und nach "einem Marsch über Kies" den hierfür ursächlichen Überholer angesprochen und sofort verantwortlich gestellt und auch nicht andere Schiffe auf den Vorfall angesprochen hat, nachdem er vor dem Beginn des Überholmanövers vom Beklagten ausdrücklich über Funk eine Verringerung der Geschwindigkeit verlangt hatte, muss als zweifelhaft angesehen werden, ob es überhaupt im zeitlichen und örtlichen Zusammenhang mit dem in Rede stehenden Überholmanöver zu einer Grundberührung des MS "JM" gekommen ist. Der von den beiden Privatsachverständigen festgestellt Ruderschaden kann bei anderer Gelegenheit, möglicherweise durch die von einem festgefahrenen niederländischen Schiff herbeigeführte Untiefe, von der der Zeuge vdS gesprochen hat, entstanden sein, was auch mit den Bekundungen der Zeugin St übereinstimmen könnte, da diese Zeugin keine Angaben darüber machen konnte, wo sich MS "JM" befunden hat, als sie die Geräusche einer Grundberührung wahrnahm.
Dass die Interessenten des MTS "B" ersichtlich erst am 17.10.1989 zu der Schadensbesichtigung aufgefordert worden sind, der Zeuge M den Schadensfall ausweislich der Gesprächsnotiz des verstorbenen Geschäftsführers Sp schon am 3.10.1989 dem Kläger gemeldet hat, spricht zwar dagegen, dass der Schaden nach dem 3.10.1989 entstanden ist, schließt aber nicht aus, dass der Schaden erst nach Abschluss des Überholmanövers des MTS "B" entstanden sein kann.
Nach vorstehenden Ausführungen konnte sich die Berufungskammer nicht von der Richtigkeit des Klagevorbringens überzeugen. Es bleiben schwerwiegende Zweifel an der Richtigkeit der Aussagen des Zeugen M. Die Folgen dieser Beweislosigkeit gehen zu Lasten des Klägers, der die Beweislast für die haftungsausfüllende Kausalität zwischen der dem Beklagten angelasteten unerlaubten Handlung und dem behaupteten Schaden trägt.
Entgegen der vom Kläger vertretenen Auffassung ist für den Erlass eines Grundurteils der Berufungskammer wegen der dem Schiffseigner entgangenen Nutzungen des MS "JM" kein Raum. Ein solches Grundurteil würde die Feststellung eines Verschuldens des Beklagten voraussetzen, das für den an MS "JM" entstandenen Ruderschaden ursächlich gewesen ist. Ein solches Verschulden ist jedoch, wie vorstehend ausgeführt ist, gerade nicht bewiesen. Es genügt nicht die bloße Feststellung, dass der Beklagte ein fehlerhaftes Überholmanöver ausgeführt hat. Zu der haftungsbegründenden Kausalität muss die haftungsausfüllende Kausalität hinzutreten. Daran fehlt es.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach alledem die Klage mit Recht abgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger in entsprechender Anwendung des § 97 Absatz 1 ZPO.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Mannheim vom 10.3.1992 wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
3. Die Festsetzung der Kosten erfolgt gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte durch das Rheinschiffahrtsgericht Mannheim.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993 - Nr.22 (Sammlung Seite 1447 f.), ZfB 1993, 1447 f.