Jurisprudentiedatabank
Leitsätze:
1) In der Radarfahrt zu Tal muß ein Schiffsführer stets das Dreitonzeichen nach § 4.06 Nr. 1 c RheinSchPVO geben, wenn die hierfür in § 6.32 Nr. 4a RheinSchPVO festgelegten Voraussetzungen geben sind, er also z. B. „auf dem Radarbildschirm Fahrzeuge bemerkt, deren Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen kann". Eine Übung,von dieser Regelung abzuweichen, istvorschriftswidrig und im Interesse einer ordnungsgemäßen und sicheren Abwicklung des Schiffsverkehrs nicht hinnehmbar.
2) Die Pflicht, das Dreitonzeichen zu geben, begründet nicht schon das Fehlen einer Kursabsprache.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 10. Dezember 1992
271 Z - 20/92
(auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 3. September 1991 - 5 C 60/90 BSch -)
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Folgen eines Schiffsunfalls, der sich am 5.9.1989 gegen 8.05 Uhr bei Nebel bei Rhein-km 798,8 ereignet hat.
Die Klägerin ist Versicherer des MS "S" (80 m x 9 m; 1.349,244 t; 800 PS).
Die Beklagte zu 1 ist Eignerin des TMS "M" (79,60 m x 9,25 m; 1.063,699 t; 811 PS).
Der Beklagte zu 2 ist persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1.
Der Beklagte zu 3 hat TMS "M" als Lotse verantwortlich geführt.
Am Morgen des 5.9.1989 befand sich MS "S" beladen mit 1.300 t Zementklinkern (gemittelter Tiefgang: 2,56 m) auf der Talfahrt von Duisburg nach Rotterdam. Das Schiff fuhr mit Hilfe von Radar. Zur gleichen Zeit fuhr TMS "M" beladen mit 1.039 t Gasöl (gemittelter Tiefgang: 2,35 m) ebenfalls mit Radarhilfe zu Berg. Anstelle eines Tubus war auf dem Bildschirm des Radargeräts ein Eimer mit ausgeschnittenem Boden aufgesetzt. Zwischen den Fahrzeugen wurde bei der Annäherung keine Kursabsprache über Kanal 10 getroffen.
Unterhalb der Emschermündung kam es zu einer Kollision der Schiffe, wobei an beiden Schiffen erhebliche Schäden entstanden.
Die Klägerin hat behauptet, MS "S" sei etwa 35 m aus den rechtsrheinisch liegenden roten Tonnen gefahren und habe sich gemeldet, als ein Bergfahrer in einer Entfernung von etwa 1000 - 1200 m in Sicht gekommen sei. Eine Antwort sei nicht erfolgt. Da die Kurse der Schiffe so angelegt gewesen seien, dass sich die Schiffe in einem seitlichen Abstand von 50 m passiert hätten und der Kurs des TMS "M" wegen eines linksrheinisch befindlichen Grundes normal gewesen sei, habe kein Anlass zur Besorgnis bestanden. Als Schiffsführer S von MS "S" seine Aufmerksamkeit schon anderen Bergfahrern zugewandt habe, habe er plötzlich im Radarbild bemerkt, dass TMS "M" in starker Backbordschräglage auf MS "S" zugekommen sei. Schiffsführer S habe den Bergfahrer mit den Worten: "Hör mal Kollege, willst Du wohl zu Tal drehen? Hier kommt Talfahrt" angesprochen. Eine Antwort habe er nicht erhalten. Er habe dann noch versucht, mit Backbordruderlage TMS "M" zu umfahren, habe die Kollision aber nicht verhindern können. Die Kollision habe sich im rechtsrheinischen Stromdrittel ereignet. TMS "M" sei mit dem Backbordvorschiff gegen das Backbordachterschiff von MS "S" angekommen.
Die Klägerin hat ihren Schaden auf 82.925,62 DM beziffert und die Voraussetzungen des Zahlungsverzuges seit dem 15.11.1989 dargetan.
Die Beklagte zu 1 hat TMS "M" in Kenntnis des Unfalls und seiner Folgen zu neuen Reisen ausgesandt.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 82.925,62 DM nebst 4% Zinsen seit dem 15.11.1989 zu zahlen, die Beklagte zu 1 außerdinglich mit TMS "M" im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich haftend.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten haben behauptet, dass der anstelle eines Tubus auf den Radarschirm des TMS "M" gesetzte Eimer mit ausgeschnittenem Boden eine gute Sicht geboten habe und der Ausschnitt des Radarbildes sogar noch günstiger gewesen sei, als es bei einem handelsüblichen Tubus der Fall sei.
TMS "M" habe bei der Annäherung an die Unfallstelle linksrheinisch fahrend ein Echo im Bild gehabt, das keinen Vorausgang gezeigt habe. Man habe dieses Echo für einen Stillieger gehalten, da auch kein Schraubenwasser zu sehen gewesen sei. Da sich dieses Echo auch nicht im Fahrwasser der Talfahrt, die dort rechtsrheinisch zu fahren pflege, befunden habe, habe sich der Beklagte zu 3 entschlossen, zwischen dem vermeintlichen Stillieger und dem linksrheinischen Grund zu passieren. Dann habe sich das Echo jedoch als ein nach linksrheinisch verfallender Talfahrer herausgestellt. Nun sei die Kollision nicht mehr zu verhindern gewesen. Daran trage die Schiffsführung des TMS "M" kein Verschulden. Jedenfalls müsse sich Schiffsführer S von MS "S" vorwerfen lassen, nichts unternommen zu haben und weitergefahren zu sein, obwohl er nach eigenen Angaben TMS "M" in einer Entfernung von rund 800 m auf dem Radarschirm etwa 60 m aus dem linken Ufer fahrend wahrgenommen habe. Er habe es auch unterlassen, ein Dreiklangsignal zu geben.
Ihren Schaden hat die Beklagte zu 1 auf 130.449,50 hfl beziffert. Mit diesem Schaden haben die Beklagten gegen die Klageforderung aufgerechnet.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat nach Beiziehung der Verklarungsakten 5 II 6/89 des Schiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort und der den Unfall betreffenden Akten der Wasserschutzpolizeistation Wesel die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 81.259,20 DM nebst 4% Zinsen seit dem 15.11.1989 zu zahlen und zwar die Beklagte zu 1 außerdinglich haftend mit TMS "M" im Rahmen des Binnenschiffahrtsgesetzes auch persönlich haftend. Die weitergehende Klage hat das Rheinschiffahrtsgericht abgewiesen. In den Entscheidungsgründen seines Urteils hat das Rheinschiffahrtsgericht ausgeführt, der Unfall beruhe auf alleinigem Verschulden des Beklagten zu 3. Nach dem Ergebnis der im Verklarungsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme habe der Beklagte zu 3 das zu Tal fahrende MS "S" für einen Stillieger gehalten, was nur dadurch zu erklären sei, dass er das Radarbild nicht aufmerksam beobachtet habe. Dass MS "S" tatsächlich ein Stillieger gewesen sei, behaupteten selbst die Beklagten nicht. Selbst wenn es zutreffen würde, dass sich das Echo des MS "S" kaum bewegt hätte, dieses Schiff also nur mit relativ geringer Geschwindigkeit gefahren wäre, so hätte man angesichts der dann mindestens Stromgeschwindigkeit erreichenden Geschwindigkeit des Schiffes bei sorgfältiger Beobachtung des Radarbildes erkennen müssen, dass man es mit einem Talfahrer zu tun hatte. Nach der eigenen Darstellung der Besatzungsmitglieder des TMS "M" habe sich das Echo des MS "S" in einer Lage befunden, dass man ungeachtet seiner Bewegungen nicht einfach hätte unterstellen dürfen, dass es sich um einen Stillieger handle. Der Beklagte zu 3 sei dann an das Echo herangefahren, ohne eine Kursweisung zu geben und ohne den Versuch zu unternehmen, über Kanal 10 festzustellen, was es mit dem Echo auf sich hatte. Dazu habe er auch noch einen unklaren Kurs genommen, um den vermeintlichen Stillieger auf Backbord zu passieren. Dann habe er den Kurs zu einer Passage auf der Steuerbordseite geändert. Im Zusammenhang mit der letzten Kursänderung sei es dann zur Kollision gekommen.
Ein Mitverschulden der Schiffsführung des MS "S" sei nicht erwiesen. Es könne nicht festgestellt werden, dass Schiffsführer S auf dem Radarschirm TMS "M" in einer Entfernung von 800 m etwa 60 m aus dem linken Ufer fahrend gesehen habe. Die Schiffsführung des MS "S" habe es zwar unterlassen, ein Radarsignal abzugeben, hieraus könnte aber nur ein Mitverschulden entnommen werden, wenn aufgrund der Umstände Schiffsführer S hätte annehmen können, er könne möglicherweise nicht als fahrendes Schiff erkannt werden. Er hätte aber annehmen können, dass im Nebel nur Radarfahrer unterwegs gewesen seien und Radarfahrer über geeignete Geräte und Personen verfügten, ein Radarbild hinreichend auszuwerten. Es sei kein Problem, bei genügender Aufmerksamkeit ein Echo als Stillieger oder in Bewegung befindlich zu orten. Wenn es gelegentlich zu Fehleinschätzungen komme, beruhe das auf mangelnder Aufmerksamkeit und komme nicht so oft vor, dass man dies generell in Rechnung stellen müsse. Angesichts der widersprüchlichen Aussagen der beiden Schiffsbesatzungen sei nicht erwiesen, dass die Schiffe Kurse gehabt hätten, die zu Schwierigkeiten geführt hätten. Es sei auch nicht erwiesen, dass eine sonstige Situation vorgelegen habe, die die Abgabe eines Schallsignals erfordert hätte.
Da die Beklagten nicht wirksam aufrechnen könnten, hafteten sie für den Schaden der Interessenten des MS "S" mit Ausnahme der Interventionskosten in Höhe von 1.666,- DM, die nicht erstattungsfähig seien.
Die Beklagten wenden sich mit ihrer Berufung gegen die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen in dem angefochtenen Urteil. Selbst wenn ein Mitverschulden der Besatzung des MS "S" nur mit 1/3 zu bewerten sei, sei die Klageforderung durch die Aufrechnung erloschen.
Die Beklagten beantragen,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin tritt den Ausführungen der Beklagten entgegen und denen in dem angefochtenen Urteil bei.
Entscheidungsgründe:
Die in rechter Form und Frist eingelegte Berufung kann keinen Erfolg haben.
1. Der Beklagte zu 3 hat nach dem Inhalt des von ihm und dem Beklagten zu 2 unterzeichneten Protestes auf dem Radarbild das Echo eines etwa 1000 m oberhalb befindlichen Fahrzeugs, des MS "S", ausgemacht. Nach seinen Angaben im Verklarungsverfahren war er sich hinsichtlich des Echos nicht im klaren, "was es denn eigentlich war". Er dachte, dass es ein Stillieger sei, weil er im Radarbild keinen Vorausgang habe feststellen können; man habe kein Schraubenwasser gesehen. Nun ist aber unbestritten, dass MS "S" bei der Annäherung des TMS "M" nicht im Strom stillgelegen hat, sondern zu Tal gefahren ist. Der Beklagte zu 3 muss deshalb das Radarbild nicht sorgfältig beobachtet oder ausgewertet haben. Es mag sein, dass auch ein hinreichend aufmerksamer Radarbeobachter das Schraubenwasser des Talfahrers nicht hätte wahrnehmen können. Jedoch hätte diesem selbst dann die Talfahrt des MS "S" wegen dessen Bewegung gegenüber den Ufern nicht entgehen können. Eine solche wäre auch erkennbar gewesen, wenn das Schiff nur im Strom talwärts getrieben wäre. Darauf hat schon das Rheinschiffahrtsgericht zutreffend hingewiesen. Dem Beklagten zu 3 ist daher vorzuwerfen, die Lage im Revier nicht mit der ihm nach § 1.04 RheinSchPV obliegenden Sorgfaltspflicht auf dem Radarbildschirm beobachtet oder diesen ausgewertet zu haben. Außerdem hat er gegen § 6.32 Nr. 5 RheinSchPV verstoßen. Wie sich aus seinen weiteren Angaben im Verklarungsverfahren ergibt, trieb aus seiner Sicht der Talfahrer "wie ein toter Fisch" etwa in Fahrwassermitte; er sei damit viel zu weit nach linksrheinisch (wo der Bergweg verlief) rüber gewesen. Bei einer derart unklaren und damit eine Gefahr für die Begegnung bildenden Lage hätte er gemäß § 6.32 Nr. 5 RheinSchPV "einen langen Ton" geben und diesen so oft wie nötig wiederholen sowie über Sprechfunk bestimmte Angaben machen müssen, insbesondere ob er die blaue Tafel oder das weiße Funkellicht zeigt oder nicht. Das hat der Beklagte zu 3 schuldhaft unterlassen, so dass es nicht zu der nach den geschilderten Umständen notwendigen Verständigung über die Vorbeifahrt gekommen ist, wodurch nach der Überzeugung der Berufungskammer die Kollision vermieden worden wäre.
Danach steht fest, dass der Beklagte zu 3 durch sein Verhalten den Schiffszusammenstoss verschuldet hat. Daraus und, wie noch auszuführen sein wird, mangels eines unfallursächlichen Mitverschuldens der Führung des MS "S" an der Kollision ergibt sich, dass der Beklagte zu 3 den Unfallschaden dieses Schiffes zu ersetzen hat (§§ 1.04, 6.32 Nr. 5 RheinSchPV; §§ 823, 249 BGB). Diese Verpflichtung trifft nach den §§ 3, 92 b BinSchG auch die Beklagte zu 1 als Eignerin des TMS "M". Ihre Haftung ist allerdings dinglich auf dieses Fahrzeug und persönlich auf dessen Wert beschränkt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3,
§ 114 Abs. 1 BinSchG). Die Haftung des Beklagten zu 2 folgt aus seiner Stellung als persönlich haftender Gesellschafter der Beklagten zu 1 (vgl. § 128 HGB).
2. Die Beklagten haben ein Mitverschulden des Schiffsführers von MS "S" an dem Schiffsunfall zuletzt im wesentlichen damit begründet, dass dieser pflichtwidrig das für Radartalfahrer in § 6.32 Nr. 4a RheinSchPV vorgeschriebene Dreitonzeichen nicht gegeben habe. Ihnen ist zuzustimmen, dass es nicht von der Pflicht zur Abgabe dieses Zeichens entbindet, wenn es in der Schifffahrt weitgehend unüblich geworden sein sollte, Dreiklangsignale zu geben, wie das Rheinschiffahrtsgericht bemerkt hat. Soweit durch diese Übung von der Regelung des § 6.32 Nr. 4a RheinSchPV abgewichen wird, ist sie vorschriftswidrig und im Interesse einer ordnungsgemäßen und sicheren Abwicklung des Schiffsverkehrs nicht hinnehmbar. Ein Schiffsführer muss stets das Dreitonzeichen geben, wenn die hierfür in § 6.32 Nr. 4a RheinSchPV festgelegten Voraussetzungen gegeben sind, er also "auf dem Radarbildschirm Fahrzeuge bemerkt, deren Standort oder Kurs eine Gefahrenlage verursachen kann". Im Streitfall haben nun aber die Beklagten nicht beweisen können, dass diese Voraussetzungen vorgelegen haben oder, sofern sich im Verlauf der Annäherung der beiden Fahrzeuge eine Situation ergeben haben sollte, welche die Abgabe des Dreitonzeichens notwendig erscheinen ließ, dessen Nichtabgabe ursächlich für die Kollision gewesen ist.
a) Nach der Aussage von Schiffsführer S im Verklarungsverfahren hat er sich mit MS "S" oberhalb der Emscher-Mündung (Rhein-km 797,8) etwa eine bis eineinhalb Schiffsbreiten von den roten (also die rechte Seite der Fahrrinne bezeichnenden) Tonnen entfernt gehalten. Dort habe er sich letztmalig über Sprechfunk gemeldet. Als er sich dann auf Höhe der genannten Mündung befunden habe, sei ein Bergfahrer (TMS "M") ins Radarbild gekommen. Dieser habe einen ganz normalen Kurs gehabt. Weil "dort" (gemeint ist "linksrheinisch") ein Grund sei, sei es etwas eng gewesen. Es habe aber reichlich Platz zum Passieren gegeben. Der Kurs des Bergfahrers habe in einem Seitenabstand von etwa 50 m an MS "S" vorbeigeführt. Als die Köpfe der Fahrzeuge etwa auf gleicher Höhe gewesen seien, habe er, weil alles klar gewesen sei, das Interesse an dem Bergfahrer verloren und sich auf den nächsten Bergfahrer konzentriert, der inzwischen im Radarbild erschienen gewesen sei. Plötzlich habe er TMS "M" mit Backbordkurs und einer ziemlich starken Schräglage auf sich zukommen gesehen. Darauf habe er versucht, den Kopf des MS "S" nach Backbord wegzudrehen und dabei das Achterschiff nach Steuerbord rumzudrehen. Die Kollision habe sich aber nicht mehr vermeiden lassen.
b) Abweichend hiervon haben sich die Beklagten zu 2 und 3 - außer ihnen und dem Schiffsführer S haben andere Personen das Unfallgeschehen nicht beobachtet - ebenfalls im Verklarungsverfahren geäußert. Nach den Angaben des Beklagten zu 3 hat sich die Annäherung der Schiffe zunächst problemlos vollzogen. Dann sei plötzlich das sich etwa in Strommitte haltende MS "S" durch die Strömung nach Backbord versetzt geworden und TMS "M" in den Weg gekommen. Sein darauf erfolgter Versuch, den Kopf seines Schiffes nach Steuerbord rumzunehmen, habe aber nicht mehr ausgereicht. Der Beklagte zu 2, der kein Rheinschifferpatent besitzt und deshalb die Führung des TMS "M" dem Beklagten zu 3 überlassen hatte, hat ausgesagt, er habe hinter dem Beklagten zu 3 gestanden und selbst im Radarbild gesehen, dass (MS "S") für einen Talfahrer zu nahe am linken Ufer gewesen sei und den Eindruck gemacht habe, ein Stillieger zu sein. Er habe sodann, als die (optische) Sicht etwas besser geworden sei, auf etwa 200 m erkannt, keinen Ankerlieger vor sich zu haben. Wäre MS "S" ein solcher gewesen, so hätten sie ihn an Steuerbord passiert. Als sie, die Beklagten zu 2 und 3, nunmehr aber bemerkt hätten, dass dieses Schiff kein Ankerlieger sei, hätten sie Kurs nach Steuerbord nehmen müssen, um es backbords zu passieren, was aber nicht gereicht habe. Ähnlich heißt es in dem von den Beklagten zu 2 und 3 unterzeichneten Protest, dass nach dem Erkennen der Talfahrt des (vermeintlichen) Ankerliegers eine Begegnung Steuerbord/Steuerbord nicht mehr möglich gewesen sei, so dass der Steuermann L (der Beklagte zu 3) sofort hart Steuerbord-Ruder gegeben habe und die Maschine habe vollan zurückschlagen lassen. Dadurch sei der Kopf des TMS "M" nach Backbord verfallen, so dass es letztendlich zur Kollision gekommen sei.
c) Die Aussagen des Schiffsführers S und die Bekundungen der Beklagten zu 2 und 3 sind weitgehend unvereinbar. Sie stimmen zwar darin überein, dass die Annäherung der beiden Fahrzeuge zunächst unproblematisch gewesen ist, also offenbar der im Unfallbereich vorgeschriebenen Backbordbegegnung entsprochen hat. Über den eigentlichen Unfallverlauf haben sie jedoch widersprechende Angaben gemacht. So hat Schiffsführer S eine harte Backbordkursänderung des Bergfahrers unmittelbar beim Begegnen der Fahrzeuge als Kollisionsursache beschrieben. Hingegen ist nach der Aussage des Beklagten zu 3 der Talfahrer vom Strom nach Backbord in den Weg des TMS "M" versetzt worden, während dieses Fahrzeug nach der Schilderung des Beklagten zu 2 nicht mehr rechtzeitig nach Steuerbord habe ausweichen können, als man auf ihm die Talfahrt des vermeintlichen Ankerliegers auf nur noch geringe Entfernung erkannt habe, was übrigens nach dem Rapport der Beklagten zu 2 und 3 zunächst auch die Unfallversion des Letzteren gewesen ist. Zieht man zu diesen widersprüchlichen Bekundungen außerdem in Betracht, dass nichts dafür dargetan oder ersichtlich ist, was mehr für die Schilderung der einen oder der anderen Seite spricht, so ist es nach dem Beweisergebnis im ungewissen geblieben, wie sich der Schiffszusammenstoss im einzelnen ereignet hat, insbesondere wie die Kurse der Fahrzeuge während ihrer weiteren Annäherung verlaufen sind, nachdem sie zunächst unproblematisch war, sowie ob und auf welche Entfernung für den Talfahrer erkennbar gewesen sein kann, dass die Voraussetzungen für die Abgabe eines Dreitonzeichens nach § 6.32 Nr. 4a RheinSchPV gegeben sind. Keinesfalls kann die Pflicht hierzu, wie die Berufung meint, schon daraus hergeleitet werden, dass eine Kursabsprache zwischen MS "S" und TMS "M" nicht erfolgt ist. § 6.32 Nr. 4a RheinSchPV gründet die Verpflichtung, das Dreitonzeichen zu geben, nicht auf das Fehlen einer Kursabsprache, sondern darauf, dass Standort oder Kurs der sich mit dem Radartalfahrer im Revier befindenden Fahrzeuge eine Gefahrenlage verursachen kann (was übrigens auch bei einer Kursabsprache nicht ausgeschlossen zu sein braucht). Das lässt sich vorliegend aber, wie ausgeführt, mangels hinreichender Klarheit über den Unfallhergang nicht feststellen. Das gilt auch, soweit es um die Frage geht, ob die Kollision noch dann zu verhindern gewesen wäre, wenn Schiffsführer S das Dreitonzeichen gegeben hätte, als - nach seiner Schilderung - der Bergfahrer bei der Begegnung plötzlich einen harten Backbordkurs eingeschlagen haben soll.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 3.9.1991 wird zurückgewiesen. Das genannte Urteil wird bestätigt.
2. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Deren Festsetzung gemäß Artikel 39 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte erfolgt durch das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993 - Nr.14 (Sammlung Seite 1431 f.), ZfB 1993, 1431 f.