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27 0 206/68 - Landgericht (Kammer für Handelssachen)
Datum uitspraak: 01.02.1971
Kenmerk: 27 0 206/68
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Landgericht Hamburg
Afdeling: Kammer für Handelssachen

Leitsätze:

1) Das Drehen von Schiffsschrauben an Hafenkaimauern ist für diese wegen der damit verbundenen Unterspülungsgefahr immer gefährlich und geeignet, in rechtswidriger Weise Beschädigungen hervorzurufen.

2) Wer den Verkehr zu einem Hafenbecken eröffnet, dessen Kaimauern schon überaltert sind und sich in einem dem modernen Verkehr nicht mehr vollauf entsprechenden Zustand befinden, muss auch mit nicht auszuschließenden unsachgemäßen Manövern von Motorschiffen rechnen, durch welche die Kaimauern besonders gefährdet werden.

Urteil des Landgerichts Hamburg - Kammer für Handelssachen

vom 1. Februar 1971

Zum Tatbestand:

Der beklagte Schiffseigner beförderte für die Klägerin aufgrund eines 3jährigen Vertrages Heizöl von Amsterdam nach Mainz-Gustavsburg zu einem ihr gehörigen Tanklager an einem Hafenbecken, das sie kurz vorher von der Bundesbahn gekauft hatte. Unter der Führung des Schiffsführers S. fuhr das dem Beklagten gehörende, auf 2,40 m abgeladene ’MS „Maintank 2" bei einem Mainzer Pegel von 2,52 m in Gieses Hafenbecken, nachdem an den dortigen Liegeplätzen 1 und 2 bereits TMS „BP Würzburg" und TMS „Fritz" festgemacht hatten, zwischen die sich „Maintank 2" legte und an den Dalben festmachte. Als am nächsten Tage bei fallendem Wasser - Mainzer Pegel 2,30 m - TMS „Fritz" gelöscht war und das Hafenbecken verlassen hatte, versuchte Schiffsführer S. sein Schiff auf den freigewordenen Liegeplatz, der von einer 119 m langen Kaimauer begrenzt wird, zu kommen. Als er auf Grund fest kam, versuchte er über etwa l’/2 Stunden vergeblich, durch Vor- und Rückwärtsmanöver freizukommen; hierbei lag er mit dem Achtersteven in Richtung auf die Kaimauer. Später wurde er von Leuten des Tanklagers der Klägerin aufgefordert, wegen Einsturzgefahr der Kaimauer, hinter der sich in einem 30 m langen und 4 m breiten Streifen Risse gezeigt hatten und auch tiefe Trichter entstanden waren, sofort wegzufahren, was erst mit Hilfe eines Schleppers gelang. TMS „Maintank 2" legte sich dann wieder auf seinen alten Platz und wurde am nächsten Tag über TMS „BP Würzburg" gelöscht.
Die Klägerin verlangt vom Beklagten Ersatz ihrer Aufwendungen von ca. 106 800,- DM, die sie zur Sicherung der Kaimauer und zur Verhütung von Schäden an der hinter der Mauer verlaufenden Ölleitung gemacht hat. Sie behauptet, dass dieser Schaden allein durch die Turnmanöver mit TMS „Maintank 2" entstanden sei. Für das Verschulden von S. habe der Beklagte einzustehen. S. sei ausdrücklich gewarnt worden, seinen ursprünglichen Liegeplatz zu verlassen. Durch die vergeblichen Vor- und Rückwärtsmanöver seien starke Auskolkungen verursacht, wodurch die Mauer ihre Auflage verloren habe und in Bewegung geraten sei.
Der Beklagte bestreitet, dass die Mauer durch das Mahlen seines Schiffes unterspült worden sei und wendet ein, dass das Schiff bereits vor der Einfahrt in das Hafenbecken und dann beim Versuch, an den Platz von TMS „Fritz" zu gelangen, Grundberührung gehabt habe. Angestellte der Klägerin hätten den Schiffsführer S. bei allen seinen Manövern nicht gewarnt und ihm keinerlei Weisungen gegeben. Dagegen habe die Klägerin ihre Verkehrssicherungspflicht nicht erfüllt und es unterlassen, das Hafenbecken in genügendem Maße auszubaggern; sie habe auch keine Hinweisschilder oder Warntafeln anbringen lassen. Im Übrigen habe er sich durch Ziffer 17 der Bedingungen der Deutschen Binnentankschiff-Reisecharter freigezeichnet.
Das Landgericht hat den Beklagten zur Zahlung von 2/3 der eingeklagten Summe verurteilt. Berufung wurde nicht eingelegt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das erkennende Gericht ist zuständig, weil die Parteien seine Zuständigkeit stillschweigend vereinbart haben (§§ 39, 38 ZPO). Diese Vereinbarung ist zulässig, weil für die Klage ein ausschließlicher Gerichtsstand nicht begründet ist (§ 40 Abs. 2 ZPO). Die Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts Mainz (§§ 1, 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 BSchVerfG) ist keine ausschließliche. Das folgt aus den Bestimmungen der §§ 3 Abs. 1, 14 Abs. 2 BSchVerfG.

S. hat am 11. Dezember 1967 durch das anhaltende Drehen mit der Schraube vom TMS „Maintank 2", nachdem dieses bei dem Versuch, es in den Liegeplatz 1 hinein zu verholen, festgekommen war, die Bewegung der Kaimauer und die Risse in dem Verfüllmaterial hinter der ,Mauer hervorgerufen und damit im Rechtssinne verursacht. Daran besteht für die Kammer aufgrund der Beweisaufnahme und insbesondere aufgrund des Gutachtens des Sachverständigen kein Zweifel. Es steht fest, dass TMS „Fritz" das erste Schiff gewesen ist, das nach der Inbetriebnahme des Hafenbeckens durch die Klägerin auf den Liegeplatz 1, den die Kaimauer im Osten begrenzt, gegangen ist, und darauf TMS „Maintank 2" den entsprechenden Versuch unternommen hat.

Ferner steht für das Gericht fest, dass die Klägerin das Becken von der Firma G. auf Solltiefe hat ausbaggern lassen, bevor sie das Becken in Betrieb nahm. Es kann also nicht davon gesprochen werden; dass der Liegeplatz 1 so verschlammt gewesen sei, dass er nicht der Solltiefe entsprochen habe. (Wird weiter im einzelnen ausgeführt.)
Freilich ist nun nach der Darstellung des Beklagten nicht auszuschließen, dass sowohl das „Turnen" von TMS „Maintank 2" als auch das von ihm behauptete entsprechende Manöver des TMS ,Fritz" die Ursache für die Bewegung der Mauer gesetzt haben. Davon muss die Kammer ausgehen, weil sie dem Beweisantrag es Beklagten für die Behauptung, auch TMS „Fritz" habe geturnt", dabei seien Steine und Holzstücke hochgewirbelt worden, nicht nachgegangen ist. Es kann also sein, dass das Drehen der Schraube vom TMS „Fritz" so auf die Kaimauer gewirkt hat, dass das anhaltende Drehen der Schraube von TMS „Maintank 2" um so besser das schließliche Ergebnis hat auslösen können, IMS „Fritz" also sozusagen die „Vorarbeit" geleistet hat. Das ist indessen unerheblich, und zwar aus einem bereits angeführten Grunde: Es kommt für die Haftung des Beklagten darauf an, ob die Klägerin gegen den Schiffsführer S. einen Anspruch, hier einen deliktischen, hat. S. kann sich der Klägerin gegenüber aber nicht darauf berufen, dass nicht festgestellt werden könne, wer, der Schiffer von TMS „Fritz" oder er, den Schaden in welchem Umfange durch zwei voneinander unabhängige Handlungen verursacht habe. Das ergibt sich aus § 830 Abs. 1 BGB, dessen Voraussetzungen für die hier in Frage stehende Ursächlichkeit nicht angezweifelt werden können.
Das Drehen von Schiffsschrauben an Kaimauern ist für diese wegen der damit verbundenen Unterspülungsgefahr immer gefährlich und damit geeignet, deren Beschädigung hervorzurufen, wenn ein Schiff festsitzt, es nun freizukommen versucht und der Sog seiner Schraube gegen die Kaimauer und gerade gegen ihre Gründung wirken muss. Ein solches Verhalten ist daher auch rechtswidrig. Ein Rechtfertigungsgrund war nicht gegeben, weil die Darstellung des Beklagten, S. habe so handeln müssen, einen solchen nicht abgeben kann und etwas anderes nicht ersichtlich ist. Gewiss mag das Aufsitzen des Schiffes die Gefahr begründet haben, dass es auseinander breche. S. durfte sich aber gar nicht in die Lage bringen, eine solche Gefahr abwenden zu müssen. In Anbetracht des Wasserstands musste das Schiff bei seiner Ladetiefe festkommen. S. hat die Gefahr, von welcher der Beklagte, handelt, selbst heraufbeschworen. Der Beklagte kann in diesem Zusammenhang nicht einwenden, S. habe an einen anderen Liegeplatz gehen müssen, weil er in seiner früheren Position gefährdet gewesen sei.
Wies die Klägerin ihm einen ungefährlichen Liegeplatz nicht an, dann hatte sie gegebenenfalls für die Folgen aufzukommen (§ 46 Abs. 2 BSchG); das gab S. aber nicht das Recht, einen nicht ungefährlichen Liegeplatz in einen anderen gefährlichen zu verändern, was in seinem Gefolge objektiv einen Eingriff in die Sphäre der Klägerin hatte oder haben konnte.
Es steht fest, dass S. den Versuch, seinen Liegeplatz zu verändern, unternommen hat, obwohl er mit Rücksicht auf den Wasserstand eine andere Weisung erhalten hatte und obwohl er damit vertraut war, dass die Gefahr eines Festkommens nicht nur bestand, sondern sich mit ziemlicher Sicherheit verwirklichen musste, lag doch schon, wie er wusste, TMS „BP Würzburg" auf, das weniger geladen hatte.
S. hat nun, wie nach seiner eigenen Aussage feststeht, etwa 1’/2 Stunden versucht, mit Schraubenhilfe wieder freizukommen, obwohl ihm bewusst war, dass das Drehen einer Schraube in einer solchen Situation eine Gefahr für eine Kaimauer darstellt, das Drehen nämlich deren Unterspülung bewirken kann. Damit hat es S. an der Sorgfalt eines ordentlichen Schiffsführers fehlen lassen, die darauf gerichtet sein muss, Schäden an den Anlagen Dritter und hier des Vertragspartners des Beklagten zu vermeiden.
Die Klägerin muss sich jedoch im Rahmen von § 254 Abs. 1 BGB ein Verschulden gegen sich selbst entgegenhalten lassen.
Allerdings kann ihr entgegen der Meinung des Beklagten nicht vorgeworfen werden, dass sie dem Schiffer des Beklagten nach dessen Behauptung in Koblenz trotz des. fallenden Wasserstands nicht die Weisung gab abzuleichtern, und auch nicht, dass sie einen geeigneten Liegeplatz nicht zur Verfügung gestellt habe, wie es ihre Pflicht gewesen sein mag. Beides ist für die Entstehung des Schadens nicht ursächlich gewesen. Der ursächliche Zusammenhang wird erst dadurch begründet, dass S. trotz der Weisung, an seinem allerdings gefährdeten Platz zu bleiben, es unternahm, diesen Liegeplatz zu verändern. Es handelt sich um einen völlig neuen Entschluss, dessen Durchführung den Schaden verursacht hat.
Die relevante Ursachenkette nahm erst ihren Lauf mit dem Entschluss des S., der schließlich zur Schädigung führte. Dagegen muss sich die Klägerin entgegenhalten lassen, dass sie dem Beklagten und damit dem Schiffsverkehr in ihrem Hafenbecken eine Kaimauer „stellte", die nach ihrem Alter und ihrem Zustand der Gefahr, welche der motorisierte Schiffsverkehr immer für solche Anlagen bedeutet, nicht im erforderlichen Umfang gewachsen war. Der Zustand der Ufermauer, wie er vom Sachverständigen beschrieben worden ist, begünstigte den eingetretenen Erfolg in nicht unerheblichem Maße. Das ergibt sich aus dem Gutachten des Sachverständigen, in dem auf das wahrscheinliche Alter der Mauer, ihr durch Fäulnis und Verwitterung beeinträchtigtes Holztragwerk und die weitergehende Zerstörung der Spundwand hingewiesen wird. Dieser Zustand des Mauerwerks lässt die durch das Verhalten des S. eingetretene Schadensfolge eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich erscheinen. Die Klägerin war sich nach ihrem eigenen Vorbringen darüber im Klaren, das sie die Mauer werde sanieren müssen, wie es inzwischen auch geschehen ist. Wenn sie den Verkehr gleichwohl eröffnete, so ist das ihr nicht schlechthin vorzuwerfen.
Es folgt aus dem Gutachten des Sachverständigen, dass die Mauer trotz ihrer durch Alter und weitgehende Zerstörung der Spundwand bedingten Mängel noch einige Zeit ohne Bedenken hätte benutzt werden können, sofern eine entsprechende Rücksichtnahme bei Manövern beobachtet würde. Aber Immerhin musste die Mauer durch nicht auszuschließende unsachgemäße Manöver, gerade wie sie das lang andauernde Drehen der Schraube eines festgekommenen Schiffs darstellen, sehr gefährdet erscheinen. Dieser Umstand muss als Verschulden im Sinne des § 254 BGB, der eine besondere Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben darstellt, angesehen werden. Bei der Abwägung, die das Gericht vorzunehmen hat, gelangt die Kammer zu dem Ergebnis, dass der Beklagte 2/3, die Klägerin t/3 ihres Schadens zu tragen hat. Auf der Ebene der Mitverursachung tritt das unsachgemäße Verhalten des S. hervor; es ist aber auch der unfallträchtige Zustand der Mauer zu beachten. dass das Übergewicht letztlich zu Lasten des Beklagten gehen muss, folgt für die Kammer aus dem von ihr festgestellten Verschulden des S., der sich Ober die Weisungen und Warnungen hinweggesetzt hat.