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24 U 38/02 - Oberlandesgericht (Schiffahrtsgericht)
Datum uitspraak: 01.10.2002
Kenmerk: 24 U 38/02
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Regeling: §§ 1, 2 Abs. 1, 93 Abs. 2 und 3, 102 Nr. 1 und 2, 117 BinSchG; § 195 BGB, § 852 BGB a.F.
Rechtbank: Oberlandesgericht Düsseldorf
Afdeling: Schiffahrtsgericht

Leitsätze:

1) § 2 Abs. 1 BinSchG bestimmt, dass Schiffsführer Dritten gegenüber selbst als Schiffseigner im Sinne dieses Gesetzes angesehen werden.

2) Bei einem Streit zwischen dem wirklichen Schiffseigner und dem als Schiffseigner gem. § 2 Abs. 1 BinSchG angesehenen Schiffsführer, dem Ausrüster, richten sich die Ansprüche nicht nach dem Binnenschifffahrtsgesetz, sondern nach den rechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zwischen den Beteiligten.

3) Ersatzansprüche im Verhältnis zwischen Ausrüster und Schiffseigner unterliegen nicht der kurzen Verjährung gern. § 117 BinSchG.

Urteil

des Oberlandesgerichts Düsseldorf

vom 01.10.2002 

(Vorinstanz: Landgericht Duisburg, Urteil vom 19.03.2002 - 6 0 408/01)

Tatbestand und Entscheidungsgründe:

Der Kläger hatte den Beklagten, einen Rechtsanwalt, mit der Geltendmachung von dem Kläger vermeintlich zustehenden Aufwendungsersatzansprüchen gegenüber einem Schiffseigentümer aus einem Vorfall im Juni 1998 beauftragt. Im Verlaufe dieses Mandats, das der Kläger am 18.01.2000 kündigte, hatte der Beklagte nicht darauf hingewiesen, dass Ansprüche gegen den Schiffseigentümer womöglich am 31.12.1999 verjährten.

Dem Mandat lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger hatte sich bei der F KG ein Boot kaufen wollen und am 02.06.1998 eine Probefahrt zwecks Überprüfung des Bootes unternommen. Im Verlauf dieser Fahrt hatte er einen Wassereinbruch im Boot festgestellt. Er war bis zur Werft weitergefahren, wo zwischen dem 02.06.1998 und dem 04.06.1998 verschiedene Maßnahmen am Boot durchgeführt worden sind. Der Kläger kam dabei für die Kosten eines Kranunternehmens, welches das Boot am 04.06.1998 aus dem Wasser gehoben hatte, in Höhe von DM 15.573,35, für Werftgebühren in Höhe von DM 5.000,-- und für die Kosten der Entsorgung auslaufenden Öls in Höhe von DM 1.856,-- auf. An Bord waren durch das Eindringen des Wassers drei Feuerlöscher zerstört worden.

Nachdem die Prozessbevollmächtigten des Klägers die Firma F. KG außergerichtlich zum Schadensersatz aufgefordert hatten, machte diese mit anwaltlichem Schreiben vom 22.05.2000 u.a. die Einrede der Verjährung geltend. Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2001 hat der Kläger dann den Beklagten zum Ersatz von Aufwendungen in Höhe von DM 24.049,88 aufgefordert. Dabei hat er neben den Kosten für Kran, Werft und Ölentsorgung DM 397,49 als Kosten für einen Mahnbescheid und angefallene Vollstreckungsgebühren, DM 408,- für zwei Fahrten nach Mainz, eine Nutzungsentschädigung für 3 Tage in Höhe von DM 300,-- sowie DM 515,04 für die zerstörten Feuerlöscher geltend gemacht. Zugleich hat er die Erstattung der Gebühren seiner Prozessbevollmächtigten für ihr Tätigwerden gegenüber dem Schiffseigner in Höhe von DM 1.834,66 gefordert. Der Kläger hat jegliches Eigenverschulden wegen des Wassereinbruchs von sich gewiesen und bei sich auch keine Pflichtverletzung im Zusammenhang mit der Beaufsichtigung des Bootes gesehen. Das erste Abdichten des Bootes am 03.06.1998 habe Erfolg gehabt; er habe sich danach ausreichend dahin rückversichert, dass nicht die Gefahr bestand, dass das Boot erneut sinken könnte. Nach 7 Stunden sei es zu keinem erneuten Wassereinbruch gekommen. Die hinzugerufene Wasserschutzpolizei habe sich davon überzeugt, dass an Bord des Bootes alles in Ordnung sei. Er habe sich dieser gegenüber abgemeldet, als er am 03.06.1998 das Boot zurückgelassen habe. Am nächsten Morgen um 06.00 Uhr sei das Boot erneut mit Wasser vollgelaufen und teilweise gesunken gewesen.

Der Kläger hat weiter behauptet, er habe vor Fahrtantritt die drei Feuerlöscher für DM 515,04 angeschafft. Seine jetzigen Prozessbevollmächtigten habe er erst am 17.01.2000 mit seiner Interessenwahrnehmung beauftragt.

Darüber hinaus vertrat der Kläger die Auffassung, gegenüber der F. KG wegen der von ihm eingeleiteten Rettungsmaßnahmen Anspruch auf Ersatz seiner Aufwendungen unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag gehabt zu haben. Weiter war er der Auffassung, dieser Anspruch unterliege der kurzen Verjährung nach §§ 117 f. BinSchG. Sein Ersatzanspruch sei daher am 31.12.1999 verjährt und wegen der Berufung der F. KG auf die Einrede der Verjährung nicht mehr durchsetzbar.

Der Kläger hat sich auf den Standpunkt gestellt, dass ihm die bereits außergerichtlich geltend gemachten Kosten als Schadensersatz zustünden und er überdies Erstattung der an den Beklagten gezahlten Gebühren in Höhe von DM 1.237,72 beanspruchen könne.

Er hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, ihm DM 27.122,26 nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 01.03.2001 zu zahlen.

Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.

Er ist dem Klageantrag wie folgt entgegengetreten:

Die kurze Verjährung des § 117 BinSchG finde keine Anwendung, weil der Kläger Besatzung des Schiffes gewesen sei. Zum behaupteten Schadensvorgang hat er die ordnungsgemäße Abdichtung des Bootes am 03.06.1998 im Rahmen der ersten Rettungsmaßnahmen mit Nichtwissen bestritten, ebenso, dass sich die Wasserschutzpolizei davon überzeugt habe, dass alles in Ordnung gewesen und nach 7 Stunden kein Wasser hinzugekommen sei. Der Kläger habe die Fahrt nach Feststellung des Wassereintritts nicht abgebrochen und das Boot entgegen einer ausdrücklichen Weisung der Wasserschutzpolizei unbeaufsichtigt zurückgelassen. Der Beklagte leitet dies aus einer Mitteilung der zuständigen Staatsanwaltschaft ab.

Die Kosten für die Anschaffung der Feuerlöscher, die Fahrt, den Aufwand sowie das Entstehen einer Besprechungsgebühr im Rahmen der Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegenüber der Firma F. KG hat der Beklagte bestritten. Mit Nichtwissen hat er ferner bestritten, dass der Kläger seinen jetzigen Prozessbevollmächtigten erst am 17.01.2000 ein Mandat erteilt hat.

Das in 1. Instanz zuständige Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Zivilkammer konnte keine Pflichtverletzung des Beklagten erkennen. Ihrer hätte es aber zur Bejahung eines Schadenersatzanspruchs wegen schuldhafter Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages bedurft.

Die Tatsache, dass der Kläger nicht auf eine drohende Verjährung hingewiesen hatte, begründete aus Sicht der Kammer keine Pflichtwidrigkeit. Soweit überhaupt Ersatzansprüche des Klägers gegenüber der F. KG in Frage kamen, unterstehen sie ausnahmslos nicht der kurzen Verjährung nach § 117 BinSchG. Sie waren somit bei Beendigung des Mandatsverhältnisses am 18.01.2000 noch nicht verjährt.

1. Wegen der Zerstörung der Feuerlöscher, also von Eigentum des Klägers, kam ein Anspruch aus schuldhafter Verletzung einer Nebenpflicht des Überlassungsvertrages mit der F KG sowie ein deliktischer Anspruch in Betracht. Für den vertraglichen Anspruch galt die 30jährige Regelverjährung gem. § 195 BGB; der Anspruch aus Delikt verjährte nach § 852 BGB a.F. in 3 Jahren.

2. Auch denkbare Ersatzansprüche wegen der - zum Teil bestrittenen - weiteren Vermögensaufwendungen des Klägers unterlagen nicht der kurzen Verjährung des § 117 BinSchG.

a) Es kamen keine Ansprüche in Betracht, die nach dem Binnenschifffahrtsgesetz zu beurteilen waren; folglich schied eine direkte Anwendung des § 117 BinSchG aus.

Eventuelle Ersatzansprüche, die dem Kläger gegen die F. KG wegen Aufwendungen im Zusammenhang mit der Rettung des Bootes zu ihren Gunsten - sei es infolge der vertraglichen Beziehungen oder ohne Vertragsgrundlage - zustehen konnten, betrafen Ersatzansprüche im Verhältnis zwischen Ausrüster (§ 2 Abs. 1 BinSchG) und Schiffseigner (§ 1 BinSchG). Sie richteten sich nicht nach BinSchG, sondern nach den rechtlichen Beziehungen in deren Innenverhältnis (vgl. auch Vortisch/Bemm, Binnenschifffahrtsrecht, 4. Aufl. § 2 Rn. 14).

Das Landgericht sah es dabei für die Stellung des Klägers als Ausrüster als allein maßgeblich an, dass er während der Probefahrt im Einvernehmen mit dem Schiffseigner dessen Schiffsführungsbefugnis ausschloss und für diese Zeit im Rechtsverkehr an die Stelle des Schiffseigners trat. Dass der Kläger das Schiff nur für eine Fahrt führte, ist für die rechtliche Bewertung ohne Einfluss; die Verantwortlichkeit im Sinne des Binnenschifffahrtsgesetzes ist für jede einzelne Fahrt gesondert zu bestimmen.

Das Gericht sah es als folgerichtig an, dass der Kläger aufgrund seiner Rechtsstellung als Ausrüster im Außenverhältnis zu den beteiligten Dritten, also u.a. zum Kranunternehmen, zur Werft und zum Entsorgungsunternehmen, in Anspruch genommen worden ist.

b) Eine analoge Anwendung des § 117 BinSchG kam nach Ansicht des Gerichts ebenfalls nicht in Betracht. Es sah keinen Grund, die Überlegungen, die den Bundesgerichtshof (vgl. VersR 1979, S. 952) bewogen hatten, die kurze Verjährung nach § 117 BinSchG auf die Ersatzansprüche eines Schiffseigners für die bei der Rettung der Besatzung eines fremden Schiffes getätigten Aufwendungen bzw. erlittenen Schäden anzuwenden, auf das Verhältnis zwischen Schiffseigner und Ausrüster zu übertragen.

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos.

Das Berufungsgericht hat sich nicht nur uneingeschränkt den Ausführungen der 1. Instanz angeschlossen, sondern dessen Spruch im Wege der Auseinandersetzung mit zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs vom 10. April 1969 und vom 9. Juli 1979 (VersR 1969, S. 562, und 1979, S. 952 = LM § 117 BinSchG Nr. 5) noch vertiefend begründet. In den zitierten Entscheidungen hatte der Bundesgerichtshof den Grundsatz aufgestellt, dass Ansprüche eines Dritten, nämlich eines Sachretters wie diejenigen eines Personenretters der kurzen Verjährungsfrist des § 117 BinSchG unterliegen. Dritter in diesem Sinne ist aber nicht der Schiffsführer selbst oder der Schiffsausrüster:

"§ 2 Abs. 1 BinSchG bestimmt, dass Schiffsführer Dritten gegenüber selbst als Schiffseigner im Sinne dieses Gesetzes angesehen werden. Folglich handelt es sich bei einem Streit zwischen dem wirklichen Schiffseigner und dem als Schiffseigner gemäß § 2 Abs. 1 BinSchG angesehenen Schiffsführer, dem Ausrüster, um einen internen Streit um Ansprüche, die sich nicht nach dem Binnenschifffahrtsgesetz, sondern nach den rechtlichen Beziehungen im Innenverhältnis zwischen den Beteiligten richten, und für den die vom Bundesgerichtshof hervorgehobenen besonderen Gründe für die Geltung der kurzen Verjährung nicht gelten (Gefährdung der Sicherheit des Rechtsverkehrs infolge des längeren Bestehens eines gesetzlichen Schiffspfandrechts, regelmäßige Unmöglichkeit der zuverlässigen Prüfung der tatsächlichen Vorgänge nach Ablauf eines längeren Zeitraums - BGH VersR 1969, S. 562 unter 3 a)".

Für eine entsprechende Anwendung des § 117 BinSchG fehlte es nach Ansicht des Senats an einer planwidrigen Regelungslücke. Die Vorschrift - so der Senat - beziehe sich auf die in § 102 Nr. 1 BinSchG erwähnten, mit einem Schiffsgläubigerrecht ausgestatteten Forderungen (vgl. Vortisch-Bemm a.a.O., § 117 Rn. 12). Dazu zählen gem. § 102 Nr. 2 BinSchG nur Gehalts- und Lohnforderungen der Schiffsbesatzung gegen den Schiffseigner und Ausrüster (vgl. Vortisch-Bemm a.a.O., § 102 Rn. 16). Mit Bergungs- und Hilfskosten im Sinne der §§ 102 Nr. 3, 117 Nr. 4 BinSchG sind nicht solche der Besatzung gemeint, sondern Aufwendungen Dritter, die ohne Schiffspfandrecht für ihre Mühewaltung ungesichert wären.

Dazu führt der Senat weiter aus:

"Diese Unterscheidung zwischen einem Schiffsführer oder der Besatzung des Schiffes gegenüber dritten Personen im Verhältnis zum Schiffseigner kommt im Binnenschifffahrtsgesetz nämlich noch an einer weiteren Stelle zum Ausdruck: Anders als dritten Personen steht der Schiffsbesatzung ein Anspruch auf Berge- oder Hilfslohn gerade nicht zu (vgl. § 93 Abs. 2 und 3 BinSchG), und der Schiffsführer zählt zur Besatzung (Vortisch-Bemm, a.a.O., § 93 Rn. 18). Dies spricht dafür, die für Ansprüche von dritten Personen gegenüber einem Schiffseigner geltende kurze Verjährung nicht in entsprechender Anwendung auf solche zwischen einem Schiffsführer und einem Schiffseigner auszudehnen."

Soweit der BGH den Katalog der Schiffsgläubigerrechte in entsprechender Anwendung von § 102 BinSchG erweitert habe (BGHZ 6, 102; 19, 62; ablehnend Vortisch-Bemm, a.a.0. § 102 Rn. 2 Fn. 1), sei dies nur im Interesse außenstehender Dritter geschehen (dort jeweils Eigentümer von Werft-Slipanlagen). Auch dazu habe der Kläger nicht gehört.

Die Revision wurde nicht zugelassen.

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2004 - Nr.12 (Sammlung Seite 1926 f.); ZfB 2004, 1926 f.