Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Verantwortlichkeiten und Grundsätze für die Führung des Fahrtenbuches. Bußschärfende Berücksichtigung einer einschlägigen früheren Buße.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 20. März 1989
221 B - 2/89
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Tatbestand:
Gegen den Betroffenen ist „wegen Zuwiderhandlung gegen die Rheinschiffsuntersuchungsordnung" (Artikel 8 Ziffer 1 e, 1, Ziffer 2c der Rheinschiffsuntersuchungsordnung) eine Geldbuße in Höhe von DM 400,- verhängt worden. Der Betroffene ist Geschäftsführer der Fa. A. GmbH, die ihrerseits persönlich haftende Gesellschafterin der FA. B. GmbH und Co.KG, der Eignerin des TMS ist, dessen Führer der Betroffene in der Zeit vom 23.8. 1987 gegen 13.30 Uhr bis zum 24.8.1987 gegen 9.30 Uhr war. Während dieser Zeit fuhr das Schiff in der Betriebsform B aus dem Raume Rotterdam nach Duisburg. Dort ging der Betroffene von Bord und übergab die Schiffsführung dem bisherigen Steuermann, der Patentinhaber war. Zur Vervollständigung der Besatzung kam ein Matrose an Bord. Nach diesem Wechsel fuhr das Schiff ohne Pause weiter. Auf dieser Fahrt wurde es gegen 12.30 Uhr durch die Wasserschutzpolizei überprüft. Dabei wurde beanstandet, daß das Schiff zu lang in Fahrt und das Fahrtenbuch nicht ordnungsgemäß geführt sei, weil der Besatzungswechsel in Duisburg darin nicht vermerkt war. Die Polizei legte das Schiff für 8 Stunden still.
Gegen den Betroffenen erging ein Bußgeldbescheid über DM 400,-. Das Rheinschiffahrtsgericht verhängte eine Geldbuße in gleicher Höhe. Die vom Betroffenen eingelegte Berufung hatte keinen Erfolg.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Berufungskammer hat im einzelnen erwogen:
„1. Der Betroffene ist der Ansicht, der angefochtene Beschluß sei schon deshalb aufzuheben, weil er im schriftlichen Verfahren ergangen sei. Diese Verfahrensweise sei nur mit seinem Einverständnis möglich, das er nicht erklärt habe. Diese Verfahrensrüge ist erfolglos. Das Rheinschiffahrtsgericht hat seine Absicht, im schriftlichen Verfahren zu entscheiden, dem Betroffenen durch Übersendung des Schreibens Beschlußverfahren’ bekanntgegeben. Es ist dem Betroffenen am 27.1. 1988 zugestellt worden. Er hat gegen die ihm bekanntgegebene Verfahrensart keine Einwendungen erhoben und so sein Einverständnis mit ihr erklärt. Eine ausdrückliche Erklärung dieser Art war nicht erforderlich.
2. Der Betroffene ist der Ansicht, der angefochtene Beschluß erkläre ihn zu Unrecht zum Eigentümer des TMS und ziehe daraus für ihn ungünstige Folgerungen.
.......
Im juristischen Sinne ist der Betroffene nicht Eigner des TMS. Es kann offen bleiben, ob er nicht der wirtschaftliche Eigentümer deshalb ist, weil der die rechtliche Eigentümerin als deren Mehrheitsgesellschafter beherrscht. In jedem Falle disponiert der Betroffene als Geschäftsführer der Fa. A. GmbH, die als einziger persönlich haftende Gesellschafterin der Schiffseignerin diese beherrscht, den Einsatz des TMS, wie er das auch auf der hier in Betracht kommenden Reise getan hat. Seine Macht über das Schiff entspricht also derjenigen des Eigners.
3. Der Betroffene meint, auf der Fahrt Rotterdam-Duisburg sei die in der Betriebsform B zulässige Höchstfahrzeit von 18 Stunden ohne Pause nicht überschritten worden, da die Fahrt nicht gegen 13 Uhr 30, sondern 2 Stunden später angetreten worden sei. Dazu ist zu sagen. Es ist unstreitig, daß die umstrittene Reise nach dem Fahrtenbuch des TMS am 23.8. 1987 gegen 13 Uhr 30 begonnen hat. Das Fahrtenbuch ist die Grundlage der Prüfung des Schiffes auf die Beobachtung der für einen Betrieb geltenden Vorschriften z. B. durch Beamte der Strompolizei in den einzelnen Rheinuferstaaten. Diese Grundlage ist nur dann verläßlich, wenn derjenige, der die Eintragungen in das Fahrtenbuch vorgenommen oder veranlaßt hat, diese im allgemeinen gegen sich gelten lassen muß. Das bedeutet, daß Korrekturen von falschen Eintragungen, die notwendig werden können, im Fahrtenbuch vorzunehmen sind. Unterbleiben sie, so muß sich der Betroffene aus Gründen der Rechtssicherheit im allgemeinen als Veranlasser der Eintragung an dieser festhalten lassen. Nur in Ausnahmefällen kann es gestatet werden, zu beweisen, daß eine Eintragung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Können solche Umstände nicht vorgetragen werden, wie im vorliegenden Falle, so können sie durch das Zeugnis der Schiffsbesatzung nicht ersetzt werden. Diese Grundsätze gelten im vorliegenden Falle sowohl für die den Beginn der umstrittenen Reise betreffende Eintragung, als auch für diejenige, welche die Betriebsform bezeichnete. Diese letztere ist für die gesamte Reise maßgeblich, wenn nicht der Übergang zu einer anderen Betriebform während der Reise im Fahrtenbuch vermerkt wird.
4. Als der für den Einsatz des Schiffes Verantwortliche (siehe Ziffer 2) hatte der Betroffene sicherzustellen, daß sein Nachfolger als Schiffsführer die Reise von Duisburg aus nicht fortsetzte, ohne die gesetzlich vorgeschriebene Pause von 8 Stunden eingelegt zu haben. Diese Pflicht verlangte eine entsprechende klare Anweisung an den Nachfolger als Schiffsführer. In seiner Einlassung vom 3.10.1987 hat der Betroffene lediglich erklärt, er habe seinem Nachfolger als Schiffsführer keine Order erteilt, die Reise ohne Pause fortzusetzen. Der Betroffene ist also ohne jede Erklärung von Bord gegangen. Damit genügte er seiner oben genannten Pflicht nicht. Erst mit der Berufungsbegründung behauptet er, mit seinem Nachfolger eine Pause von 8 Stunden vor der Fortsetzung der Fahrt abgesprochen zu haben. Diese Behauptung kommt einmal verspätet. Zum anderen steht sie im Widerspruch zu der früheren Einlassung des Betroffenen. Aus beiden Gründen kann er mit ihr nicht gehört werden.
5. Der Betroffene ist der Ansicht, sein Nachfolger als Schiffsführer habe den Besatzungswechsel in Duisburg in das Fahrtenbuch eintragen müssen. Die Berufungskammer ist demgegenüber der Ansicht, daß diese Eintragung zu den Pflichten des Betroffenen gehörte, die aus Anlaß der Obergabe der Schiffsführung zu erfüllen waren.
6. Bei der Bemessung der Höhe der Buße hat das Rheinschifffahrtsgericht eine einschlägige frühere Büßung des Betroffenen berücksichtigt. Dies wird mit der Begründung beanstandet, die frühere Buße sei nur rechtkräftig geworden, weil der Betroffene einmal versäumt habe, ein Rechtsmittel einzulegen, und weil er zum anderen mit dem Versuch gescheitert sei, eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. Die Buße sei zu Unrecht verhängt worden. Auch mit dieser Beanstandung kann der Betroffene nicht gehört werden. Das Rheinschiffahrtsgericht durfte die frühere einschlägige Buße gegen den Betroffenen bei der Bemessung der jetzt zu verhängenden Buße schärfend berücksichtigen, weil sie rechtkräftig feststand. Wie es zu dieser Rechtskraft gekommen ist, ist unerheblich."