Jurisprudentiedatabank
Leitsätze:
1) Ein geeigneter Talweg im Sinne des § 6.04 Abs. 1 RheinSchPV ist auch dann freigelassen, wenn jegliches Risiko der Begegnung nicht mit naturwissenschaftlicher Gewissheit und 100 % Sicherheit ausgeschlossen ist.
2) Eine Wartepflicht des Bergfahrers bei anstehender Begegnung aus § 1.04 RheinSchPV besteht nur dann, wenn an ungefährlicher Stelle, die sich später abzeichnende oder realisierende Gefahrensituation bereits erkennbar ist. Allein die grundsätzlich höhere Verantwortung des Bergfahrers führt nicht gleichsam automatisch zu einer Mithaftung, wenn eine konkrete Pflichtverletzung des Bergfahrers nicht festgestellt werden kann.
3) Ein Schiffseigner oder Ausrüster haftet auch für eine Schadensverursachung durch einen Lotsen an Bord des Schiffes.
4) Ist ein Makler berechtigt, im eigenen Namen Schäden abzuwickeln und vor Gericht Regress zu führen, dann kann er im eigenen Namen eine Regressforderung des von ihm vertretenen Versicherers einklagen, ohne dass eine Abtretung vom Versicherer auf den Makler notwendig ist. Das für die gewillkürte Prozessstandschaft notwendige schutzwürdige Interesse an der Geltendmachung im eigenen Namen kann sich aus einem Bestreben nach einer vereinfachten Vertragsabwicklung oder aus einer größeren Sachnähe des Prozessstandschafters für den Streitgegenstand ergeben.
5) Das Berufungsgericht ist an die Tatsachenfeststellungen erster Instanz gebunden, wenn nicht konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung vorliegen, bloß subjektive Zweifel, abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht.
5) Das Berufungsgericht prüft die Parteifähigkeit von Amts wegen als Prozessvoraussetzung, Verspätungsvorschriften, insbesondere § 531 Abs. 2 ZPO sind nicht anzuwenden.
Urteil des Rheinschiffahrtsobergerichtes Karlsruhe
vom 29. November 2021
Az.: 22 U 4/20 RhSch
(Rheinschiffahrtsgericht Mannheim, Az.: 31 C 1/17 RhSch)
rechtskräftig
Aus den Gründen:
Am Abend des 30.08.2016 fuhr das FGKS »Regina Rheni« auf dem Rhein zu Berg. Es passierte bei Rheinkilometer 396 den zu Tal fahrenden Schubverband (SV) »Montana« (Länge 195 m, Breite von 11,45 m und maximaler Tiefgang von 1,80 m), welcher vom Schiffsführer D gesteuert wurde. Der Schubverband SV »Montana« und das FGKS »Regina Rheni« sprachen sich über Funk dahingehend ab, dass »Regina Rheni« abstoppt und SV »Montana« passieren lässt. Verabredet wurde eine Begegnung Steuerbord-Steuerbord durch Setzen der blauen Tafel. Im Anschluss setzte das FGKS »Regina Rheni« seine Fahrt mit reduzierender Geschwindigkeit fort. Das GMS »Petran« fuhr weiter mit über 18 km/h zu Tal. Auch dem GMS »Petran« erteilte der Lotse E die Kursweisung zur Begegnung Steuerbord-Steuerbord. Der das FGKS »Regina Rheni« zu diesem Zeitpunkt führende Lotse E hatte die Schiffsführung des GMS »Petran« ausdrücklich über Funk darauf hingewiesen, die grüne Tonne dicht anzuhalten.
Gegen 21:38 Uhr kollidierten beide Schiffe bei Rheinkilometer 395,270. Die Geschwindigkeit des FGKS »Regina Rheni« betrug zu diesem Zeitpunkt 6,67 km/h, die des GMS »Petran« 18,9 km/h. Das Heck des GMS »Petran« berührte zunächst mit der Steuerbordseite den Bug des FGKS »Regina Rheni« ebenfalls Steuerbordseite. Kurz darauf gab es nochmals einen Anprall der beiden Achterschiffe Steuerbord an Steuerbord. Der Kapitän des FGKS »Regina Rheni« hatte nahezu zeitgleich mit dem ersten Zusammenprall das Steuer übernommen, um zu verhindern, dass mit dem Zusammenstoß das FGKS »Regina Rheni« ans geografisch rechtsrheinische Ufer stieß. Durch den Aufprall wurden u.a. das Gangboard des FGKS »Regina Rheni« nach innen aufgeworfen und auf dem Panoramadeck die Reling eingedrückt …
Das Amtsgericht hat nach Einholung eines Sachverständigengutachtens, der Verwertung der Verklarungsakte (30 UR II 117) und Beiziehung der Ermittlungsakte der Wasserschutzpolizei Mannheim (OWi/1617689/2016) mit Urteil vom 21.02.2020, den Beklagten zugestellt am 11.03.2020, der Klage durch Urteil vom 21.02.2020 im Wesentlichen stattge geben …
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
1. Die Klage ist in vollem Umfang zulässig.
1.1. Die Klage der im Rubrum der Entscheidung aufgeführten Klägerin B. BV, Klägerin zu 6 (die Bezeichnung der Klägerinnen erfolgt künftig nach dem berichtigten Rubrum), ist zulässig, weil diese Klägerin nach § 50 ZPO parteifähig ist, was auch ohne ausdrückliche Rüge in jeder Lage des Verfahrens und damit auch noch vom Senat im Berufungsverfahren von Amts wegen zu berücksichtigen ist (§ 56 Abs. 1 ZPO; BGH, Urteil vom 10.10.1985 – IX ZR 73/85 – [juris Rn. 14]; Urteil vom 04.05.2004 – XI ZR 40/03 – [juris Rn. 15]; BAG, Beschluss vom 05.06.2014 – 6 AZN 267/14 – [juris Rn. 13]). Insoweit besteht deshalb auch keine Bindung an die Feststellungen des Rheinschiffahrtsgerichts bezüglich der Parteifähigkeit dieser Klägerin (BGH, Urteil vom 24.02.1994 – VII ZR 34/93 – [juris Rn. 15]; Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 56 Rn. 2; Prütting/Gehrlein/Gehrlein, ZPO, § 56 Rn. 5).
Jedenfalls im Berufungsverfahren steht die Parteifähigkeit (§ 50 ZPO) fest. Die Klägerinnen haben durch Vorlage von Registerauszügen (Anlagen BK 1 und BK 2, Anlagen Heft Kl. II 21 ff.) die Existenz der Klägerin zu 6 als juristische Person belegt, was zu berücksichtigen ist. Denn es entspricht einhelliger Rechtsprechung, dass im Zusammenhang mit den von Amts wegen zu prüfenden Prozessvoraussetzungen § 531 Abs. 2 ZPO nicht zur Anwendung gelangt (BGH, Urteil vom 24.02.1994 – VII ZR 34/93 – [juris Rn. 15]); Beschluss vom 17.10.1995 – XI ZR 230/94 – [juris Rn. 15]; Beschluss vom 07.06.2018 – I ZB 57/17 – [juris Rn. 15]; MüKoZPO/Rimmelspacher, 6. Aufl. 2020, ZPO § 531 Rn. 19; Zöller/Althammer, ZPO, 33. Aufl., § 56 Rn. 2; Prütting/Gehrlein/Gehrlein, ZPO, 13. Aufl., § 56 Rn. 5; vgl. auch BGH, Urteil vom 20.05.2011 – V ZR 99/10 – [juris Rn. 9]) und auch sonst Verspätungsvorschriften nicht angewandt werden können (BGH, Urteil vom 04.05.2004 – XI ZR 40/03 – [juris Rn. 16]) …
2. Die Annahme des Rheinschiffahrtsgerichts, die Klägerinnen zu 5 und 6 seien von den hinter ihnen stehenden Versicherungen zur Geltendmachung der diesen zustehenden Schadensersatzansprüche ermächtigt worden, und die daraus hergeleitete gewillkürte Prozessstandschaft sind aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Zwar handelt es sich bei der Prozessführungsbefugnis um eine Prozessvoraussetzung, die in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen ist (§ 51 ZPO; BGH, Urteil vom 24.02.1994 – VII ZR 34/93 – [juris Rn. 15]; Urteil vom 24.08.2016 – VIII ZR 182/15 – [juris Rn. 18]). Deren Voraussetzungen, die sich auch in Fällen mit Auslandsberührung allein nach deutschem Prozessrecht bestimmen (BGH, Urteil vom 24.02.1994 – VII ZR 34/93 –.[juris Rn. 11]; Urteil vom 30.06.1994 – I ZR 32/92 – [juris Rn. 17]), sind erfüllt, sowohl die dazu notwendige vom Berechtigten erteilte Ermächtigung als auch ein eigenes schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung sind gegeben …
2.2. Auch das für eine gewillkürte Prozessstandschaft notwendige schutzwürdige Interesse an der Geltendmachung ist gegeben. Dieses Interesse kann zum einen rein wirtschaftlicher Natur sein (BGH, Urteil vom 10.2016 – V ZR 125/15 – [juris Rn. 17]), es kann sich aber auch aus einem Bestreben nach einer vereinfachtenVertragsabwicklung (BGH, Urteil vom 07.06.2001 – I ZR 49/99 – [juris Rn. 30]) oder daraus ergeben, dass der Prozessstandschafter wegen der größeren Sachnähe den Rechtsstreit besser als der ferner stehende Gläubiger führen kann (BGH, NJW 1986, 423 m.w.N.; Urteil vom 03. Dezember 1987 – VII ZR 374/86 – [juris Rn. 8]). Von Letzterem ist hier auszugehen. Es sind allein die Klägerinnen zu 5 und 6, die als Assekuradeure und Versicherungsagenten das Versicherungsverhältnis begründet haben und dieses betreuen und auch insbesondere sämtliche Ansprüche aus diesem Versicherungsverhältnis verfolgen, während die dahinter stehenden Versicherungen entsprechend der üblichen Handhabung in den Niederlanden noch nicht einmal in der Versicherungspolice genannt werden. Aufgrund dieser Umstände ist das schutzwürdige Interesse der Klägerinnen zu 5 und 6 gegeben, die gegenteilige Auffassung der Beklagten überzeugt nicht. Dieses kann nicht schon deshalb verneint werden, weil die Klägerinnen zu 5 und 6 nicht wirtschaftlich am Regresserlös beteiligt sind, denn eine solche Beteiligung würde nur ein weiteres schutzwürdiges Interesse begründen. Ebenso wenig kommt es auf eine »Übertragung« der Forderungen auf sie an, denn die grundsätzlich gegebene Möglichkeit, ein fremdes Recht im eigenen Namen geltend zu machen (Prozessstandschaft) kann nicht schon deshalb verneint werden, weil eine Abtretung der Forderung an den Prozessstandschafter möglich wäre …
3. Die Beklagten zu 1 und 2 haften den Klägerinnen zu 1 – 7 für den Schaden am FGKS »Regina Rheni«.
Hinsichtlich der Beklagten zu 1, der Schiffseignerin, ergibt sich die Haftung aus §§ 3, 92, 92b BinSchG, § 823 Abs. 1 und 2 BGB, wobei die Beklagte zu 1 insoweit auch für eine Schadenszufügung durch den Beklagten zu 2 als Lotsen einzustehen hat (§§ 3 Abs. 1, 92d BinSchG).
Der Beklagte zu 2 haftet nach § 7 BinSchG, § 823 Abs. 1 und 2 BGB, denn er war zum Zeitpunkt der Kollision Schiffsführer im Sinne von § 1.02 1. und 5. RheinSchPV. Zwar ist ein Lotse grundsätzlich lediglich Berater des Schiffsführers (§ 14 Abs. 1. der Anl. 1 der Verordnung zur Einführung der Lotsenordnung für den Oberrhein vom 15.06.1956 , künftig: RheinLotsO; die Zulässigkeit dieser Regelungen ergibt sich aus Art. 26 der Mannheimer Akte). Der Lotse wird jedoch dann zum verantwortlichen Schiffsführer, wenn der Schiffsführer – wie hier der Kapitän Z des GMS »Petran« – nicht über das für die zu befahrene Strecke des Oberrheins notwendige Rheinpatent verfügt. Denn einem ausdrücklichen Verlangen zur Übernahme der Befehlsgewalt (§ 14 Abs. 3 Satz 1 RheinLotsO) steht die Mitteilung, dass der Schiffsführer nicht über das für die Strecke notwendige Rheinschifferpatent verfügt, gleich mit der Folge, dass dann der Lotse – hier der Beklagte zu 2 – zum verantwortlichen Schiffsführer im Sinne von § 1.02 1. und 5. RheinSchPV wird und die Verantwortung des Kapitäns für die Einhaltung der sich aus der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung ergebenden Verhaltenspflichten endete (BGH, Urteil vom 22.05.1978 – II ZR 111/76 – ZfB 1978, Sammlung Seite 694 f. [juris Rn. 10] = BGHZ 107, 32 ff.; Senat, Urteil vom 27.04.2015 – 22 U 1/14 RhSch – ZfB 2015, Sammlung Seite 2359 ff. [juris Rn. 50]; vgl. auch Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 29.06.1994 – U 13/92 RhSch – ZfB 1995, Sammlung Seite 1563 ff., NZV 1996, 72) …
3.2. Das Rheinschiffahrtsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Schiffsführung des GMS »Petran« gegen die Sorgfaltspflichten aus § 6.03 und § 1.04 Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1994 (RheinSchPV i.V.m der Verordnung zur Einführung der Rheinschiffahrtspolizeiverordnung vom 19.12.1994 [RheinSchPEV], BGBl II 1994, 3816) verstoßen hat, beides »Schutzgesetze« i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB (Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 25.01.2002 – U 3/01 RhSch –, ZfB 2007, Sammlung Seite 1865 ff [juris Rn. 35]).
Der Senat ist nach § 529 Abs. 1 ZPO an die Feststellungen des Rheinschiffahrtsgerichts gebunden, soweit keine konkreten Anhaltspunkte vorliegen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellung begründen und neue Feststellungen gebieten. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGH, Urteil vom 18.10.2005 – VI ZR 270/04 – [juris Rn. 9]); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greibare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, Urteil vom 08.06.2004 – VI ZR 230/03 – [juris Rn. 16]). Die Beklagten haben Anhaltspunkte für die Fehlerhaftigkeit der Beweiswürdigung im obigen Sinne weder dargelegt noch sind solche ersichtlich.
Die Schiffsführung des GMS »Petran« hat eine verbotene Kursänderung gem. § 6.03 Nr. 3 RheinSchPVO ausgeführt, denn eine solche ist auch dann gegeben, wenn – wie hier – derTalfahrer einen objektiv geeigneten und ihm gewiesenen Weg verlässt und sich dem Bergfahrer bei der Begegnung nähert (vgl. BGH, Urt. v. 29.6.1959, VersR 1959, 608; Bemm/ von Waldstein, RheinSchPVO, § 6.03 Rz. 37), obwohl es ausreichend Platz für eine Begegnung gegeben hat, sofern sich dieser nur weiter linksrheinisch gehalten hätte. Denn der dem GMS »Petran« gewiesene Weg war geeignet im Sinne von § 6.04 Abs. 1 RheinSchPVO:
3.2.1. Zwar verweisen die Beklagten im Ansatz zutreffend darauf, dass der Weg an der Begegnungsstelle nur dann geeignet im Sinne von § 6.04 1. RheinSchPV ist, wenn unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände und des übrigen Verkehrs hinreichender Raum für die Vorbeifahrt vorhanden ist (§ 6.03 1. RheinSchPV), mithin nach den konkreten Umständen die Begegnung des Bergfahrers mit demTalfahrer an dieser Stelle ohne Risiko für die beteiligten Schiffe möglich ist. Dies bedeutet entgegen der Auffassung der Beklagten allerdings nicht, dass ein Risiko mit naturwissenschaftlicher Gewissheit und mithin mit 100%iger Sicherheit ausgeschlossen sein muss. Die Forderung nach absoluter Gewissheit eines vollständigen Risikoausschlusses würde faktisch eine Begegnung regelmäßig ausschließen, weil bei der vorausschauenden Beurteilung, ob ausreichend Raum für eine Begegnung vorhanden ist, nie ausgeschlossen werden kann, dass es aufgrund besonderer Umstände (z.B. aufgrund technischer Defekte oder eines Fehlverhaltens der Schiffsführung) zu einer Kollision kommt. Maßgeblich ist vielmehr, ob nach den konkreten Umständen eine gewisse Möglichkeit besteht, dass eine Gefahrenlage eintreten kann, wobei ein Schiffsführer nicht jede und insbesondere nicht eine fernliegende Möglichkeit einer Gefahrenlage in Rechnung stellen muss. Denn ein Schiffsführer darf, jedenfalls solange keine gegenteiligen Anhaltspunkte für ihn erkennbar sind, darauf vertrauen, dass die Führung des Talfahrers sich schifffahrtsüblich und situationsgerecht verhält (Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urt. v. 20.03.2002 – U 4/01 RhSch –, OLGR Karlsruhe 2003, 114; Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 – 3 U 209/13 BSchRh – ZfB 2018, Sammlung Seite 2522 f. [juris Rn. 53]; Bemm/von Waldstein, RhSchPV, § 6.09 Rz. 7 m.w.N.). Eine Verpflichtung des Bergfahrers, dem Talfahrer den günstigsten Fahrweg zu ermöglichen, besteht nicht (BGH, Urteil vom 05.11.1970 – II ZR 84/68 –, VersR 1971, 435 [zu § 38 Nr. 1 Abs. 1 BSchStrO]; Urteil vom 14.02.1977 – II ZR 21/75 – [juris Rn. 8]; Bemm/Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1984, § 6.04 Rn. 16). Den Anforderungen dieser Vorschriften ist deshalb Genüge getan, wenn dem Gegenfahrer objektiv ein geeigneter Weg freigelassen wurde, wobei es ausreicht, wenn der Weg ohne Schwierigkeiten durch beiderseitiges Ausweichen geeignet ist (Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 – 3 U 209/13 BSchRh – [juris Rn. 53]). Da somit spätere fehlerhafte Kurse für die Annahme hinreichenden Raums ohne Bedeutung sind (Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 – 3 U 209/13 BSchRh – [juris Rn. 18]; Bemm/v. Waldstein a.a.O. § 6.03 Rn. 18), kann aus dem Umstand, dass es zu einer Kollision gekommen ist, noch nicht darauf geschlossen werden, dass dem Talfahrer kein geeigneter Weg gewiesen bzw. ihm für die Begegnung kein hinreichender Raum gelassen wurde …
4. Die Beklagten haben auch nicht nachgewiesen, dass die Schiffsführung des FGKS »Regina Rheni« die Kollision mitverursacht hat und die Klägerinnen deshalb eine Kürzung des Schadensersatzanspruchs nach §§ 92c Abs. 1, 92d BinSchG, § 254 BGB hinnehmen müssen (zur Anwendbarkeit vgl. BGH, Urteil vom 30.09.1965 – II ZR 174/63 – ZfB 1966, 4/128 [juris Rn. 24]; Urteil vom 26.10.1970 – II ZR 125/69 –, ZfB 1970, Sammlung Seite 187 ff. [juris Rn. 28]; Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 25.01.2002 – U 3/01 RhSch – ZfB 2002, Sammlung Seite 1865 ff. [juris Rn. 34; OLG Köln, Urt. v. 19.12.2006 – 3 U 124/06 BSch – [OLGR Köln 2007, 272, 275]; Zentralkommission für die Rheinschiffahrt, Urteil vom 10.05.2001 – 406 Z – 2/01 – [juris Rn. 37]; Urteil vom 07.12.2015 − 498 Z – 9/15 – [RdTW 2016, 171 Rn. 23]; siehe aber auch Zentralkommission für die Rheinschiffahrt, Urteil vom 25.10.2004 – 426 Z – 6/04 – [juris Rn. 41]; Urteil vom 19.06.2006 – 432 Z – 2/06 – ZfB 2006, 7/64 ff. [juris Rn. 64], wo nur §§ 92c Abs. 1, 92d BinSchG zitiert wird; vgl. dazu auch v. Waldstein/Holland, Binnenschiffahrtsrecht, 5. Aufl., § 92c Rn. 1). Denn die Beklagten konnten ein (Mit-)Verschulden der Besatzung des FGKS »Regina Rheni« an der Kollision nicht beweisen. Ein Verschulden der Schiffseignerin selbst kommt nach dem Vortrag der Parteien von vorn herein nicht in Betracht, Sorgfaltsverstöße der Besatzung lassen sich nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht feststellen:
4.1. Ein Verstoß gegen die allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1.04 RheinSchPV ist nicht bewiesen. Es lässt sich nicht feststellen, dass die Schiffsführung des FGKS »Regina Rheni« bei der von ihr zu fordernden vorausschauenden Umsicht hätte erkennen können und müssen, dass die Begegnung der beiden Fahrzeuge im Kurvenbereich Risiken in sich barg, die nach Möglichkeit zu vermeiden waren, insbesondere war die Schiffsführung des FGKS »Regina Rheni« nach dieser Vorschrift nicht gehalten, unterhalb der Kurve zu warten.
4.1.1. Da die amtliche Fahrrinne des Rheins außerhalb der durch Schiffahrtszeichen nach § 6.08 RheinSchPV gekennzeichneten Bereiche grundsätzlich ein einfaches Begegnen gestattet (vgl. Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 – 3 U 209/13 BSchRh – ZfB 2018, Sammlung Seite 2522 ff. [juris Rn. 48]), kann aus dem Umstand, dass es zu einer Kollision kam, nicht geschlossen werden, dass das FGKS »Regina Rheni« unterhalb der Kollisionsstelle hätte warten müssen. Denn konnte dieses – wie hier – dem GMS »Petran« einen geeigneten Weg für die Begegnung weisen, war dieses auch unter dem Gesichtspunkt der Wahrung der allgemeinen Sorgfaltspflicht nicht gehalten, die Weiterfahrt einzustellen.
4.1.2. Ebenso wenig ist bewiesen, dass die Schiffsführung des FGKS »Regina Rheni« ihre allgemeine Sorgfaltspflicht aus § 1.04 RheinSchPV dadurch verletzt haben könnte, dass sie in den Kurvenbereich eingefahren ist, obwohl sie hätte erkennen können und müssen, dass die Schiffsführung des GMS »Petran« nicht in der Lage war, den ihr zugewiesenen und für eine Begegnung geeigneten Weg einzuhalten. Anhaltspunkte dafür, dass für den Bergfahrer die sich später abzeichnende Gefahrensituation bereits zu einem Zeitpunkt erkennbar war, zu dem dieser noch der von den Beklagten postulierten Wartepflicht an ungefährlicher Stelle hätte entsprechen können, zeigen die Beklagten nicht auf. War – wie hier – unter den gegebenen Umständen eine – wenngleich nicht besonders einfache – Begegnungsfahrt unter Zugrundelegung eines verkehrsgerechten Verhaltens des Talfahrers erlaubt, traf den Bergfahrer im Grundsatz nur noch die Pflicht, dem Begegnungsverkehr größtmöglichen Raum für die Passage zu lassen und auf diese Weise das Risiko für den Talfahrer zu reduzieren (Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vo30.03.2018 – 3 U 209/13 BSchRh – ZfB 2018, Sammlung Seite 2522 f. [juris Rn. 66]). Wenn die Schiffsführung des GMS »Petran« davon abweichend gewünscht hätte, dass der Bergfahrer warten solle, bis sie als Talfahrer den Bereich der Kurve verlassen hat, so hätte sie Funkkontakt mit dem FGKS »Regina Rheni« aufnehmen und eine entsprechende Absprache treffen müssen (Schiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 30.01.2001 – U 2/00 BSch – ZfB 2002, Sammlung Seite 1851 ff. [juris, Rn. 26], was unstreitig nicht geschehen ist. Auch ist nicht bewiesen, dass die Schiffsführung des FGKS »Regina Rheni« die Kollision noch hätte vermeiden können, als sie erkannt, dass das GMS »Petran« in ihre Fahrlinie geraten wird.
Auch wenn in der Rechtsprechung betont wird, dass, dass bei Kollisionen zwischen Berg- und Talfahrern bei der Abwägung gemäß § 92c BinSchG besonders die hohe Verantwortung des Bergfahrers zu Buche schlägt, die sich aus seiner Verpflichtung ergibt, der Talfahrt einen geeigneten Weg frei zu lassen (z.B. Schiffahrtsobergericht Karlsruhe, Urteil vom 31.08.2009 – 22 U 7/09 BSch – ZfB 2010 – Nr.3, Sammlung Seite 2075 f.; vgl. auch Zentralkommission für die Rheinschiffahrt, Urteil vom 29.12. 2014 – 495 BZ – 6/14 – ZfB 2015, Sammlung Seite 2351 ff.), begründet allein diese Verantwortung keine Haftung, es muss dennoch eine Pflichtverletzung des Bergfahrers festgestellt werden, die hier – wie gezeigt – nicht festgestellt werden kann. Insbesondere führt diese Verantwortung nicht gleichsam automatisch zu einer Mithaftung wegen eines Verstoßes gegen § 1.04 RheinSchPV, denn allein diese hohe Verantwortung begründet noch keine allgemeine Wartepflicht bei einer Begegnung im Kurvenbereich (vgl. Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 – 3 U 209/13 BSchRh – [juris Rn. 62]). Auch der allgemeine Grundsatz, dass vermeidbare Risiken nach Möglichkeit auszuschließen sind (Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 08.06.2017 – 3 U 121/16 BSchRh – ZfB 2019, Sammlung Seite 2562 ff. [juris Rn. 32], kann eine Wartepflicht nur dann begründen, wenn solche Risiken tatsächlich bestanden (das Rheinschiffahrtsobergericht Köln hat folgerichtig solche Risiken in der konkreten Situation auch geprüft und bejaht, a.a.O., [juris Rn. 33]), was hier jedoch – wie bereits gezeigt – von den insoweit beweisbelasteten Beklagten nicht bewiesen wurde. Größe und Raumbedarf der sich begegnenden Schiffe allein begründen noch keine Wartepflicht (Rheinschiffahrtsobergericht Köln, Urteil vom 20.03.2018 – 3 U 209/13 BSchRh – ZfB 2018, Sammlung Seite 2522 ff. [juris Rn. 63, 64]) …
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2022 - Nr. 2 (Sammlung Seite 2741 ff.); ZfB 2022, 2741 ff.