Jurisprudentiedatabank
Leitsätze:
1) Zum sog. „Fuhrmannshandel".
2) Unzulässige Umgehung der Festfrachtvorschriften, wenn Cif-Preise berechnet werden, die das volle FTB-Entgelt nicht decken.
3) Vorschriftswidrige Bezahlung eines in diesen Fuhrmannshandel zum Schein eingeschalteten Partikuliers, dem vom FTB abweichende Entgelte für die Durchführung solcher Transporte gewährt werden.
Urteil
des Amtsgerichts Münster
vom 4. Dezember 1978
Zum Sachverhalt:
Der Betroffene A als alleiniger Inhaber eines Kieswerkes befasst sich mit der Kiesgewinnung und dem Handel mit Baustoffen. Zwischen ihm und dem Partikulier B wurde in einem schriftlichen Vertrag vereinbart, dass A an B Sand- und Kieserzeugnisse im jeweils technisch möglichen Umfang - ohne Anspruch des B auf bestimmte Mengen - liefern und letzterer diese Güter in eigenem Namen oder namens und auf Rechnung von A verkaufen sollte. Tatsächlich stieg B nur in die alten Geschäftsbeziehungen des A ein und führte den Transport der Waren zu den bisherigen Kunden des A durch. Schon im Vertrag übertrug B das Inkasso dem A und trat alle Forderungen gegenüber den Abnehmern an diesen ab.
A berechnete seinerseits in den von ihm selbst an die Kunden versandten Rechnungen Cif-Preise, in die er Frachtkosten, die mit B monatlich abgerechnet wurden, unsichtbar einkalkuliert hatte. Die an B gezahlten Frachtentgelte waren jedoch um etwa 1/3 geringer als die nach FTB vorgeschriebenen Frachten, da der Cif-Preis sonst neben dem Tagespreis der Ware für eine volle Fracht nicht mehr ausgereicht hätte. Für Transporte von Juli 1975 bis Mai 1976 hatte B daher insgesamt statt ca. 132 000 DM nur ca. 86 000 DM, also ca. 46 000 DM zu wenig erhalten. Nach diesen bei einer Frachtenprüfung getroffenen Feststellungen erließ die zuständige Wasser- und Schifffahrtsdirektion einen Bußgeldbescheid wegen Verstoßes gegen § 36 des Binnenschiffsverkehrsgesetzes. Die Vertragsgestaltung dieses sog. Fuhrmannshandels stelle im Gegensatz zur Einlassung des Betroffenen, der die Leistung des B als erlaubten Werksverkehr betrachtete und seine Wettbewerbsfähigkeit bei Cif-Verkäufen auf FTB-Basis als nicht mehr gegeben bezeichnete, eine Umgehung im Sinne des § 42a BSchVG dar.
Wegen des Einspruchs des Betroffenen hatte das Amtsgericht zu entscheiden. Es verurteilte den Betroffenen wegen vorsätzlicher Ordnungswidrigkeit nach § 36 BSchVG zu einer Geldbuße von 25 000 DM.
Aus den Gründen:
Der Zeuge B. hat diesen Vertrag deshalb abgeschlossen, weil er bei Einhaltung der Tarife nicht mehr konkurrenzfähig war. In Ausführung dieses Vertrages wurden ausschließlich frühere Kunden der Firma A. beliefert. Irgendeine kaufmännische Tätigkeit im Zusammenhang mit diesem Vertrag hat der Zeuge B. nicht ausgeführt. Seine Leistung lag lediglich im Transport der Baustoffe.
Nach dem obigen Sachverhalt hat sich der Betroffene einer vorsätzlichen Ordnungswidrigkeit nach § 36 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr in Verbindung mit § 3 des Wirtschaftsstrafgesetzes schuldig gemacht. Der Zeuge B. hat keinen - wie der Betroffene vortragen lässt - Werkfernverkehr im Sinne des § 5 des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr durchgeführt. Der Zeuge B. hatte lediglich die Transporte durchzuführen. Die Abrechnungen für Ware und Fracht an die Käufer liefen sämtlich über die Firma A. Der Zeuge B. hatte keinen Einfluss darauf, an welche Kunden geliefert wurde. Die gewählte Vertragsart stellt einen Scheintatbestand im Sinne des § 42 a BSchVG dar, durch den die Bestimmungen des Gesetzes über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr und das damit verbundene Festfrachtsystem umgangen werden sollten.
Vor der Ausführung des Vertrages hat der Zeuge B. einen Steuerberater nach der Durchführbarkeit des Vertrages befragt.
Angeblich soll dieser keine Bedenken geltend gemacht haben. Soweit der Betroffene aufgrund dieser Auskunft, die ihm durch den Zeugen B. bekanntgegeben worden war, der Meinung gewesen sein sollte, dass der Zeuge B. tatsächlich echten Werkverkehr im Sinne des § 5 durchgeführt hätte, handelte er in einem vermeidbaren Verbotsirrtum. Der Betroffene hätte bei den zuständigen Stellen, den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen, entsprechende Auskünfte einholen müssen. Der Vorsatz des Betroffenen bleibt dadurch unberührt.
Bei Bemessung der Geldbuße ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene für seine Firma einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil erzielt hat. Der Zeuge B. hat inzwischen aus wirtschaftlichen Gründen sein Motorschiff aufgeben müssen. Andererseits ist zu berücksichtigen, dass der Betroffene möglicherweise in einem vermeidbaren Verbotsirrtum gehandelt hat. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen sind geordnet. Unter Berücksichtigung dieser Umstände und der Bedeutung der Ordnungswidrigkeit hält das Gericht eine Geldbuße von 25 000,- DM für angemessen.“