Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Der deutsche Gesetzgeber kann die Zuständigkeit der deutschen Rheinschifffahrtsgerichte nicht über den durch die Rheinschiffahrtsakte abgesteckten Rahmen ausdehnen. In die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte gehören keine Strafsachen wegen eines Vergehens, sondern nur Zuwiderhandlungen gegen Schifffahrts- und Strompolizeiliche Vorschriften.
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
vom 7. Dezember 1987
(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 10.12.1986 -
3 Js 17278/84 - 19 Cs -)
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Gegen den Betroffenen ist unter dem 25.2.1985 ein Strafbefehl des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz wegen Vergehen gegen §§ 324, 326 Abs. 1 Nr. 3 u. Abs. 4, 53 StGB ergangen. Ihm wird vorgeworfen, unbefugt ein Gewässer (den Rhein) verunreinigt und unbefugt Abfälle (Altöl) in den-Rhein geleitet zu haben. Gegen ihn wurde eine Geldstrafe von 10.800.— DM verhängt. Auf den Einspruch des Betroffenen hat das gleiche Gericht im Urteil vom 10.12.1986 die Geldstrafe auf DM. 3.000 (150 Tagessätze zu je 20 DM) ermäßigt. Der Betroffene hat gegen das Urteil Berufung eingelegt mit dem Antrage, die Sache der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt vorzulegen. Diese Berufung hat das Rheinschifffahrtsgericht Mainz durch Beschluss vom 30.3.1987 als unzulässig verworfen. Die Entscheidung ist wie folgt begründet worden.
Die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt vertrete in ihrer Rechtsprechung den Standpunkt, dass die Rheinschifffahrtsgerichte gemäß Artikel 34.1 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte in Strafsachen nur zuständig für die Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen die schifffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften seien, nicht dagegen für die Untersuchung und Bestrafung von Verbrechen und Vergehen im Zusammenhang mit der Rheinschifffahrt.
Demgegenüber seien im § 14 Abs. 2 des deutschen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen als Rheinschifffahrtssachen solche Straf- und Bußgeldsachen bezeichnet worden, die sich auf Vorgänge auf dem Rhein beziehen. Dieses Gesetz verweise also in die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte auch echte Strafsachen. Aus beiden genannten Bestimmungen sei zu folgern, dass die Berufung in Rheinschifffahrtssachen, die Strafsachen seien, nur an die deutschen Rheinschifffahrtsobergerichte gerichtet werden könne. Der Betroffene habe aber seine Berufung ausdrücklich an die Berufungskammer der Zentralkommission gerichtet. Sie sei unwirksam und vom Rheinschifffahrtsgericht gemäß § 319 I StPO zu verwerfen.
I.
Die eingelegte Berufung ist rechtzeitig begründet worden. Zwar ist die Berufungsschrift am 13.12.1986 bei Gericht eingegangen, die Berufungsbegründung am 18.3.1987, also nach Ablauf der Frist des Artikels 37 Abs. 3 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte (30 Tage ab Anmeldung der Berufung) ; trotzdem ist die Berufungsbegründung nicht verspätet. Es ist nämlich zu bedenken, dass das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts vom 10.12.1986 erst am 16.2.1987 zugestellt worden ist. Die Berufungsfrist von 30 Tagen beginnt nach Artikel 37 Abs. 2 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte mit der Zustellung der Entscheidung. Die Berufung konnte deshalb innerhalb der genannten Frist nach der Zustellung erneut eingelegt werden. Diese erneute Einlegung ist durch die Berufungsbegründungsschrift erfolgt, denn jede Berufungsbegründung bestätigt die Berufung bzw. legt sie neu ein, falls dies, wie im vorliegenden Falle, notwendig ist, um die Begründung formell wirksam zu machen. Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, da die Schrift am letzten Fristtage bei Gericht eingegangen ist.
Berufung und Berufungsbegründung sind also wirksam in der gleichen Schrift enthalten.
II.
Für die Berufungskammer sind alle genannten Entscheidungen aus den folgenden Gründen unhaltbar.
1. Die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte, der Rheinschifffahrtsobergerichte und der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt ist durch die Revidierte Rheinschifffahrtsakte, also durch einen völkerrechtlichen Vertrag, geregelt. Änderungen eines solchen Vertrages durch nationale Gesetzgeber sind nicht möglich. Dazu ist vielmehr eine Umgestaltung des völkerrechtlichen Vertrages durch die an ihm beteiligten Staaten erforderlich. Der deutsche Gesetzgeber konnte deshalb in dem Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen die Zuständigkeit der deutschen Rheinschifffahrtsgerichte nicht über den durch die Revidierte Rheinschifffahrtsakte abgesteckten Rahmen hinaus ausdehnen. Aus den dargelegten Gründen bleibt die Berufungskammer bei ihrer Ansicht, dass die Zuständigkeit der Rheinschifffahrtsgerichte in Strafsachen allein durch Art. 34 I der Revidierten Rheinschifffahrtsakte geregelt ist. Der vorliegende Fall gehört deshalb nicht in diese Zuständigkeit, weil er ein Vergehen und keine Zuwiderhandlung gegen schifffahrts- und strompolizeiliche Vorschriften betrifft. Das Rheinschifffahrtsgericht ist also auf der ganzen Linie in einer Sache tätig geworden, die nicht in seine Zuständigkeit fällt.
2. Unabhängig davon ist seine Verwerfung der eingelegten Berufung als unzulässig aus den folgenden Gründen unhaltbar.
Die Entscheidung über eine bei ihr eingelegte Berufung steht allein der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt zu. Das gilt auch für die Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung oder über formelle Mängel. Artikel 37 Abs. 4 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte bestimmt, dass eine Berufung, deren Formen nicht beachtet wurden, als nicht angebracht zu erachten ist. Berücksichtigt man, dass Artikel 37 insgesamt die Formalitäten der Einlegung und Begründung der Berufung regelt, so weist sein Absatz 4 die Entscheidung über deren Beobachtung allein der Berufungskammer zu. Eine andere dafür zuständige Instanz kennt die Revidierte Rheinschifffahrtsakte nicht. Entgegen der Ansicht des Rheinschifffahrtsgerichtes kennt das deutsche Recht in seiner derartigen Form gegen Entscheidungen der Rheinschifffahrtsgerichte keine Berufung an ein deutsches Rheinschifffahrtsobergericht, sondern nur die Rechtsbeschwerde. Diese ist mit Zustimmung aller Vertragsstaaten der Revidierten Rheinschifffahrtsakte anstelle der ursprünglich auch hier allein zulässigen Berufung eingeführt worden.
3. Der Beschluss des Rheinschifffahrtsgerichts Mainz vom 10.12.1986 ist also die Entscheidung eines Gerichtes, dem in der Sache, in der es tätig geworden ist, die rechtliche Handlungsmacht fehlte. Die
Entscheidung ist deshalb nichtig.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
1. Die Berufung führt zur Aufhebung der ergangenen Entscheidungen.
2. Der Betroffene hat keine Kosten des bisherigen Verfahrens zu tragen.
3. Die Festsetzung der dem Betroffenen zu erstattenden Auslagen erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Mainz unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.