Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Die Havariegrosse-Beiträge der Ladung sind auch dann nicht im Wege des Vorteilsausgleichs auf die Ersatzansprüche des Reeders gegen den Drittschädiger anzurechnen, wenn die York-Antwerp Rules 1950 aus englischem Recht zu ergänzen sind
Urteil des Oberlandesgerichtes Bremen
vom 10.11.1983
Am 18. 1. 1972 kollidierten auf der Unterweser das peruanische MS " P." der Kl. und das US-amerikanische TS "S. T." der Bekl."S. T." erlitt geringere Schäden; sie konnte die Reise mit eigener Kraft fortsetzen. "P." erlitt Schäden über und unter der Wasserlinie, hatte Wassereinbruch und bekam mehr als 100 Backbordschlagseite.
Sie wurde mit fremder Hilfe unter der Lloyds Form of Salvage Agreement geborgen, nach Löschung der teilweise beschädigten Ladung auf Werften in Bremen und Bremerhaven repariert und nach Wiederaufnahme der Ladung Anfang März 1982 in Fahrt gesetzt. Ein Londoner Schiedsspruch billigte dem Berger 35 000 englische Bergelohn zu; die Kosten des schiedsrichterlichen Verfahrens beliefen sich auf 178, 10 englische.
Bergelohn und Kosten wurden vom P&I-Versicherer der "P." bezahlt, der auch zuvor die Sicherheit geleistet hatte. Die Kl. erklärte Havariegrosse. Der Bergelohn fand Eingang in die unter dem 15. 10. 1975 in London nach den York-Antwerp Rules 1950 aufgemachte Dispache. Danach hatte die Kl. von Bergelohn und Kosten 28, 26% zu tragen, während mit dem Rest die Ladung belastet wurde.
Die Kl. verlangte mit der Klage u. a. Ersatz des Bergelohns und der Kosten seiner Festsetzung.
Nach vorangegangenem Grundurteil des Senats, wonach die Bekl. den Schaden der Kl. zur Hälfte zu ersetzen hatte, hat das LG die Bekl. (im Rahmen der Haftungsquote) antragsgemäß verurteilt. Die Berufung der Bekl. blieb ohne Erfolg. Die Ersatzpflicht der Bekl. für die durch den Schiffszusammenstoß am 18. 1. 1972 hervorgerufenen Schäden ist nach deutschem Recht als dem Recht des Tatorts zu beurteilen. Danach hat die Kl. Anspruch auf hälftigen Ersatz des Bergelohns und der Kosten des Londoner Schiedsspruchs (§§ 736 Abs. 1 HGB, 249 S. 2 BGB). Dafür ist es unerheblich, ob die Kl. sich im Bergungsvertrag zur Zahlung des gesamten Bergelohns verpflichtet hatte, so dass sie kraft des Bergungsvertrags Schuldnerin des gesamten Bergelohns wurde mit der - von ihr auch genutzten - Möglichkeit, ihren Aufwand in großer Havarie zu verteilen (vgl. dazu Carver`s Carriage by Sea Vol. 212. Aufl. London 1971 Rdnr. 840 und 905), oder ob die Kl. mangels einer vertraglichen Übernahme den Bergelohn neben der Ladung nur anteilig nach dem Wert der geretteten Gegenstände schuldete (Carver`s aaO Rdnr. 838, 840). Denn unstreitig hat die Kl. oder, was dem gleich gilt, ihr P&l-Versicherer - zunächst die nach der Lloyds Form of Salvage Agreement erforderliche Sicherheit allein gestellt und sodann den vom Londoner Schiedsgericht festgesetzten Bergelohn allein gezahlt. Damit hat die Kl. einen ersatzfähigen Schaden in Höhe des gesamten Bergelohns und der Kosten seiner Festsetzung erlitten. Das bedarf keiner weiteren Begründung für den Fall, dass die Kl. den Lohnkraft des Bergungsvertrags schuldete. Das gilt aber auch dann, wenn die Kl. den Lohn zunächst nur anteilig neben der Ladung schuldete. Allerdings beruhte in diesem Fall der Schaden im Umfang der Ladungsanteile am Bergelohn auf einem eigenen Entschluss der Kl. Der eigene Entschluss der Kl. steht aber der haftungsrechtlichen Folgenzurechnung nicht im Wege, wenn er auf billigenswerten Motiven beruhte und damit durch den Zusammenstoß der Schiffe "herausgefordert" war (vgl. dazu BGH vom 29. 11. 1977 - VI ZR 51/76 - VersR 78, 183 - NJW 78, 421 <422>; vom 21. 2. 1978 VI ZR 8/77 VersR 78, 540 = NJW 78, 1005 <1006>). Das war hier der Fall. Die Sicherstellung und die damit begründete Pflicht zur Zahlung des gesamten Bergelohns dienten dazu, den Zugriff des Bergers zu verhindern und das Schiff auch im Interesse der Ladung alsbald wieder in Fahrt zu setzen. Sicherstellung und Zahlung der auf die Ladung entfallenden Anteile am Bergelohn dienten damit der Ladungsfürsorge.
Der Anspruch auf hälftigen Ersatz des Bergelohns und der Kosten des Londoner Schiedsspruchs steht der Kl. unabhängig von der zwischenzeitlichen Entwicklung auch jetzt noch zu. Die anteilige Abtretung des Anspruchs an die Ladungsbeteiligten ist nicht behauptet. Für einen Anspruchsübergang kraft Gesetzes liegt nichts vor.
Die Ladung hat zu den Bergungskosten unstreitig in großer Havarie beigetragen. Für diesen Fall findet nach deutschem Recht ein Anspruchsübergang kraft Gesetzes nicht statt (Schaps/Abraham, SeeR 4. Aufl. § 702 Anm. 3; Prüßmann/Rabe, SHR 2. Aufl. § 702 Anm. C). Dass eines der in Betracht kommenden ausländischen Rechte den Anspruchsübergang vorsieht, behaupten die Parteien nicht. Deshalb kann in diesem Zusammenhang dahinstehen, welches Recht in Betracht kommen könnte. Mit Recht hat das LG auch die Anrechnung der Havariegrosse-Beiträge der Ladung im Wege des Vorteilsausgleichs verneint. Zwar stehen der Schiffszusammenstoß und die zur Rettung des Schiffes und der Ladung aufgewendeten Bergungskosten in einem adäquaten Zusammenhang mit den Beiträgen, die die Ladung in großer Havarie geleistet hat. Es fehlt aber an der weiteren Voraussetzung des Vorteilsausgleichs, dass nämlich die Anrechnung der Havariegrosse-Beiträge dem Sinn und Zweck des Schadenersatzrechts entspricht (dazu BGHZ 81, 271 <275> = VersR 81, 1051 ). Die Anrechnung wäre danach nur dann geboten, wenn die Kl. die Ersatzleistung der Bekl. behalten dürfte und damit im Ergebnis unter Umständen mehr erhielte, als ihr zusteht. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr wird die Kl. die einkommenden Beträge an die Ladungsbeteiligten anteilig auszukehren haben. Das ergibt sich zwar nicht aus den York-Antwerp Rules 1950, unter denen die Dispache aufgemacht worden ist; sie regeln die Frage nicht, was mit der Ersatzleistung des Dritten, der die gemeinsame Gefahr für Schiff und Ladung schuldhaft herbeigeführt hat, nach Leistung der Havariegrosse-Beiträge zu geschehen hat. Es ist aber allgemein anerkannt, dass die Lücken, die die York-Antwerp Rules lassen, aus dem jeweils anwendbaren nationalen Recht zu schließen sind (Schaps/ Abraham aaO vor § 700 Rdnr. 9; Prüßmann/Rabe aaO vor § 700 III A; OLG Hamburg
HRGZ 1933 B Sp. 437, 441). Hier ist die Lücke mangels abweichender Vereinbarung der Parteien des Frachtvertrags aus dem ergänzend anwendbaren Recht des Dispachierungsorts (Schaps/ Abraham aaO vor § 700 Anm. 21; Prüßmann/Rabe aaO vor § 700 Anm. IV B 2), also dem Recht des Vereinigten Königreichs zu schließen. Danach muss die Kl. den Ladungsbeteiligten über die einkommenden Beträge Rechnung legen und den der Ladung gebührenden Teil auskehren. Das ergibt die von der Kl. vorgelegte Rechtsauskunft der Anwaltsfirma C. in London vom 4. 5. 1983, deren Zuverlässigkeit die Bekl. nicht bezweifelt hat.