Jurisprudentiedatabank
Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
Urteil
Tatbestand:
In der Nacht vom 31. Mai 1977 fuhr ein aus den Motorschiffen und Leichtern „V I“, „V“ und „P“ bestehender Schiffsverband, der längs dem westlichen Ufer des Großen Elsässischen Kanals gegenüber dem zum Wasserkraftwerk Gerstheim führenden Werkskanal geankert hatte, über die Anker und trieb ab; er stieß gegen die von EDF im Rahmen der diesem öffentlich rechtlichen Unternehmen mit Dekret vom 20. Mai 1971 erteilten Konzession errichtete Brücke und beschädigte diese.
Mit am 14. März zugestelltem Schriftsatz hat die Gesellschaft V IC S.A. EDF vor dem Rheinschifffahrtsgericht Strassburg verklagt, um folgendes zu erwirken:
„- zu entscheiden und zu urteilen, dass EDF bis zum heutigen Tag keine Klage auf „Ersetzung des durch den Zusammenstoß vom 31. Mai 1977 entstandenen Schadens „erhoben hat;
„festzustellen, dass die von EDF gegenüber der Gesellschaft V IC gestellte Forderung inexistent, hilfsweise verjährt und äußerst „hilfsweise begrenzt auf den Wert der „V I“ ist, und außerdem sehr hilfsweise, „dass sie den Wert des gekuppelten Verbands und der Fracht zum Zeitpunkt des Unfalls „nicht übersteigen darf;
„EDF zur Zahlung von 50.000 F für ungerechtfertigte Kosten, Auslagen und Aufwand zu „verurteilen“.
Mit Schriftsatz vom 9. April 1980 ist EDF in dem Verfahren vor dem Rheinschifffahrtsgericht Strassburg beigetreten.
Mit Schriftsatz vom 21. Mai 1980 hat die Gesellschaft V IC S.A. EDF mitgeteilt, dass sie von dem Verfahren Abstand nimmt.
Mit Schriftsatz vom 5. Juni 1980 hat EDF der Gesellschaft V IC S.A. eine Kopie ihrer Schrift vom 4. Juni 1980, die am selben Datum an das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg gegangen ist, zugestellt, die folgende Anträge enthält:
„den Antrag von V abzulehnen;
„zu entscheiden und zu urteilen, dass nach dem Stand der Dinge keinerlei Verjährung „gegenüber EDF geltend gemacht werden kann;
„EDF gegenüber zu bestätigen, dass es von der Gesellschaft „V den Entschädigungsbetrag für den durch den Unfall in GERSTHEIM am 31. „Mai 1977 erlittenen „Schaden eintreiben wird;
„die Gesellschaft V gestützt auf Artikel 700 Neue ZPO zur Zahlung einer „Entschädigung von 50.000 F an EDF zu verurteilen;
„die Gesellschaft V zur Übernahme aller Kosten zu verurteilen.“
In der Verhandlung am 17. November 1980 hat die Gesellschaft V IC mündlich wiederholt, dass sie auf das Verfahren verzichtet. EDF hat diese Verzichtserklärung nicht angenommen und die Anträge aus ihrem Schriftsatz vom 4. Juni 1980 vorgebracht.
Mit Urteil vom 12. Januar 1981 hat das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg den Antrag der Klägerin auf Zurücknahme der Klage abgewiesen; es hat festgestellt, dass die Verjährung durch die Zustellung des Antrags auf Streithilfe in dem Verfahren wegen Vergehens in form der Beschädigung der Verkehrswege vor dem Verwaltungsgericht vom 24. Mai 1978 unterbrochen worden ist; es hat EDF gegenüber bestätigt, dass es von der Gesellschaft V den Entschädigungsbetrag für den in Folge des Unfalls in GERSTHEIM am 31. Mai 1977 erlittenen Schadens eintreiben wird, hat die Klägerin, gestützt auf Artikel 700 Neue ZPO, zur Zahlung von 2.000 F (zweitausend Francs) an EDF verurteilt, sowie zur Übernahme der Verfahrenskosten.
Auf Berufung von V IC S.A. hat das Berufungsgericht Colmar als Berufungsinstanz der Rheinschifffahrt am 1. Juni 1981 folgendes erklärt: die Berufung ist zulässig und ordnungsgemäß begründet und das ergangene Urteil ist nichtig. In erneuter Entscheidung hat es festgestellt, dass die Gesellschaft V IC die Klageschrift, die sie EDF am 14. März 1980 hat zustellen lassen, rechtswirksam zurückgenommen hat, und dass das Verfahren folglich zum Datum der Zustellung der Klagerücknahme erledigt ist und dass die bis zur Rücknahmeerklärung angelaufenen Kosten des erledigten Verfahrens zu Lasten von V IC gehen. Es hat außerdem EDF zur Übernahme der Kosten für das Urteil und das Berufungsverfahren verurteilt und die Streitparteien im Übrigen für ihre widersprüchlichen oder weitergehenden Anklagepunkte, Ersuchen und Anträge abgewiesen.
Mit Datum vom 10. Dezember 1981 wurde von der Gesellschaft V IC beim Gerichtskanzler des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg ein Antrag auf Taxierung gestellt.
Die Gesellschaft V IC fügte einen auf den 11. Dezember datierten Schriftsatz hinzu, dem zu folge sich die anrechenbaren Kosten auf 59.504,28 F belaufen.
Vorgenannte Schreiben und Schriftsätze gingen am 14. Dezember 1981 in der Kanzlei des Amtsgerichts Strassburg ein.
In ihrem Schreiben vom 10. Dezember 1981 erklärte die Gesellschaft V IC, dass sie von einem Streitwert im Verfahren bezüglich der Rechtsgültigkeit der Klagerücknahme durch die Gesellschaft V IC, der sich EDF widersetzte, von 100.000 F ausgeht und zwar im Analogieschluss zu dem Urteil der zweiten Zivilkammer des Berufungsgerichts Colmar vom 18. September 1981 (II W 1098/81).
Die Gesellschaft V IC fügte hinzu, dass „der Streitwert der Widerklage im ersten Rechtszug, dessen Gegenstand nicht die Rechtsgültigkeit der Klagerücknahme gewesen sei, der von EDF geforderte Betrag sei, nämlich 8.085.000 F, so dass der Streitwert im ersten Rechtszug sich insgesamt auf 8.185.000 F belaufe“.
Die Gesellschaft V IC wies darauf hin, dass sich das Berufungsverfahren auf dieselben Streitgegenstände und Streitwerte bezieht.
In ihren Anträgen vom 21. Dezember 1981, die am 23. Dezember 1981 in der Kanzlei des Amtsgerichts Strassburg hinterlegt wurden, hat EDF den Wortlaut der auf Antrag der Gesellschaft V IC am 14. März 1980 zugestellten Klageschrift übernommen:
„EDF zur Übernahme sämtlicher Kosten und Auslagen und deren Überweisung an die Anwälte E. und A. GARNON zu verurteilen…
„EDF zur Zahlung des Betrages von 50.000 F plus gesetzlicher Zinsen ab dem Datum des Urteilsspruchs zu verurteilen;
„zu entscheiden und zu urteilen, dass EDF bis zum heutigen Tag keine Klage auf „Ersetzung des durch den Zusammenstoß zwischen dem Verband „V I“, „V“, „P“ und den Anlagen von EDF in GERSTMEIN vom 31. Mai 1977 „entstandenen Schadens „erhoben hat;
„festzustellen, dass die von EDF gegenüber der Klägerin gestellte Forderung inexistent, „hilfsweise dass sie verjährt und äußerst hilfsweise dass sie begrenzt auf den Wert der „V I“ ist, und außerdem sehr hilfsweise, dass „sie den Wert des gekuppelten „Verbands und der Fracht zum Zeitpunkt des Unfalls nicht übersteigen darf;
Daraus wurde von ihr abgeleitet, dass der von der Gesellschaft V IC geforderten Betrag 50.000 F sind.
EDF wiederholte ihre Anträge vom 4. Juni 1980 und wies in dem Zusammenhang darauf hin, dass sie sich auf folgende Forderungen an das Gericht beschränkt habe:
„- das Ersuchen von V abzuweisen;
„zu entscheiden und zu urteilen, dass nach dem Stand der Dinge keinerlei Verjährung „gegenüber EDF geltend gemacht werden kann;
„EDF gegenüber zu bestätigen, dass es von der Gesellschaft V den „Entschädigungsbetrag für den durch den Unfall in GERSTHEIM am 31. Mai 1977 „erlittenen Schaden eintreiben wird;
„die Gesellschaft V gestützt auf Artikel 700 Neue ZPO zur Zahlung einer „Entschädigung von 50.000 F an EDF zu verurteilen;
„die Gesellschaft V zur Übernahme aller Kosten zu verurteilen.“
EDF folgerte daraus, dass keinerlei Widerklage vorliegt und dass der Streitwert entsprechend dem von der Gesellschaft V in ihrer Klage geforderten Betrag nicht über 50.000 F liegen dürfe.
In ihrer Entgegnung vom 5. Januar 1982 blieb die Gesellschaft V IC dabei, dass, wie in dem Urteil des als Berufungsinstanz für die Rheinschifffahrt tätigen Berufungsgerichts Colmar vom 1. Juni 1981 festgestellt (S. 4), eine Widerklage vorlag und dass mit dieser Klage in dem Streitfall, den EDF durch das Rheinschifffahrtsgericht und das Berufungsgericht in Unkenntnis der Rücknahme der Ausgangsklage entscheiden lassen wollte, „das Vorliegen einer Entschädigungsforderung, die sie in Folge des Unfalls erhoben hat, bewiesen werden sollte, indem sie ausdrücklich feststellen ließ, dass keine Verjährung vorliegt. Da der Wert dieser Forderung sich auf 8.085.000 F beläuft, liegt dieser Betrag auch der Widerklage als Streitwert zu Grunde“.
EDF führte in ihrer Erwiderung vom 13. Januar 1982 aus, dass sie nicht verlangt habe, V zur Zahlung der Schadenssumme der Ausgangssache an sie zu verurteilen, und zwar aus dem Grund, dass ein weiteres Gericht, der Conseil d’Etat ( oberstes Verwaltungsgericht) mit dieser Klage befasst ist.
In seinem Zwischenbeschluss vom 21. Dezember 1983 hat der Kanzler des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg den Berater der Gesellschaft V IC aufgefordert, einen Antrag auf Taxierung der Kosten mit Ausnahme der Bezüge (fixe, proportionale und abgestufte Gebühren) zu stellen.
Unter Bezugnahme auf Artikel 39 der revidierten Rheinschifffahrtsakte heißt es in dem Zwischenbeschluss:
„da sich eindeutig aus diesem Artikel ergibt, dass die Bezüge der Anwälte nicht taxiert werden dürfen“.
Gegen diesen Beschluss legte V IC S.A. am 27. Dezember 1983 Beschwerde vor dem Rheinschifffahrtsgericht Strassburg ein. Diese Beschwerde ging der Kanzlei des Amtsgerichts Strassburg am 5. Januar 1984 zu.
In dieser Beschwerdeschrift wird ausgeführt, dass laut Artikel 39 der revidierten Rheinschifffahrtsakte lediglich bei Verfahren vor den Rheinschifffahrtsgerichten eine Befreiung von den von Kanzleien oder Steuerbehörden erhobenen Gebühren, Steuern und Abgaben vorgesehen ist, und dass die Einforderung von Auslagen ausdrücklich als legal bezeichnet wird.
Des Weiteren heißt es in der Beschwerde:
„dass in der Akte nichts gesagt wird über den Umfang der vor diesen Gerichten vorgetragenen Auslagen, und dass dies dem nationalen Gesetzgeber obliegt, wie formal aus dem Wortlaut bezüglich der Festlegung dieser Kosten und Auslagen hervorgeht“ usw. Alles nach Maßgabe der verfahrensüblichen Sätze““.
In der Beschwerdeschrift wird Bezug genommen auf den Entscheid der Zentralkommission für den Rhein vom 19. Mai 1894 in der Sache GAUKEME gegen HULSMANN, WALTER, Rechtsprechung der ZKR, S. 33. Demnach heißt es dort:
„dass die Bezüge der die Parteien vor dem Gericht vertretenden Rechtsanwälte genau wie die Entschädigung für Zeugen und die Vergütung für Gutachter gemäß lokaler Zivilprozessordnung feststehende Beträge und laut lokaler Verfahrensordnung erstattungsfähig sind“.
Der Vorsitzende des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg hat in seiner Entscheidung vom 3. September 1984 das von der Gesellschaft V gegen den Beschluss des Kanzlers des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg vom 21. Dezember 1983, dem zu folge die Taxierung der Bezüge der Berater der Gesellschaft V abgelehnt wurde, eingelegte Rechtsmittel abgewiesen und die von EDF an die Gesellschaft V zu erstattenden Kosten auf 116,64 F taxiert.
Die Gesellschaft V ICS.A. hat gegen diese Entscheidung vor der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt am 18. September 1984 Berufung eingelegt.
In ihren Anträgen vor der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt hat EDF darauf hingewiesen, dass die Bezüge für die Rechtsanwälte eingeführt wurden, „um es einer Prozesspartei zu ermöglichen, sich von der anderen, die den Prozess verloren hat, die Kosten für die Schriftsätze zurückzuholen“ und dass es sich „ um die so genannten „Kosten für „nicht plädierende Anwälte“ im Frankreich alter Zeiten handelt“.
EDF erinnert daran, dass die Parteien laut Mannheimer Akte ausdrücklich von der Verwendung von Stempelpapier befreit sind und folgert daraus, „ dass nicht einzusehen ist, warum die verlierende Partei Kosten übernehmen sollte, von denen ihre Gegenpartei laut Mannheimer Akte ausdrücklich befreit ist“.
EDF führt in ihrer Antragsschrift als Klagegrund Inkompetenz an und beantragt einen Streitwert weit unter dem von der Gesellschaft V IC angegebenen und zwar auf keinen Fall mehr als 50.000 F.
Urteilsbegründung:
Die von der Gesellschaft V IC eingelegte Berufung ist formgerecht und entspricht den Bestimmungen der revidierten Mannheimer Akte.
Streitgegenstand ist die Kostentaxierung in einem Verfahren, in dem die Klägerin auf Kostentaxierung sich entschieden hat, in Anwendung von Artikel 37 der revidierten Mannheimer Akte Berufung vor dem Obergericht des Landes, in dem das Urteil ergangen ist, einzulegen.
Der Klageantrag auf Kostentaxierung steht im Zusammenhang mit dem Gerichtsverfahren, auf das sich die Kosten beziehen, deren Taxierung beantragt wird. Das Rheinschifffahrtsgericht, das in dem Verfahren, das die diesbezüglichen Kosten verursacht hat, entschieden hat, ist für die Entscheidung in der Klage auf Kostentaxierung zuständig. Ebenso ist die Instanz, die in Anwendung von Artikel 37 der revidierten Mannheimer Akte in dem Berufungsverfahren gegen das Verfahren, das die Kosten auf deren Taxierung geklagt wurde, entschieden hat, zuständig für die Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts in der Taxierungssache.
Da die Gesellschaft V IC ihre Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg vom 12. Januar gemäß Artikel 37 revidierte Mannheimer Akte vor dem Berufungsgericht Colmar eingelegt hat, war lediglich das Berufungsgericht Colmar für die sofortige Berufung gegen den Entscheid des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg hinsichtlich der Kostentaxierung zuständig.
Die Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschifffahrt ist somit nicht zuständig für die Berufung gegen den Beschluss des Vorsitzenden des Rheinschifffahrtsgerichts Strassburg, ergangen bezüglich der Kostentaxierungsklage am 3. September 1984.
Aus diesen Gründen:
Und den nicht anders lautenden des Erstrichters
Erklärt die BERUFUNGSKAMMER
- dass sie in der Berufungsklage der Gesellschaft V IC S.A. nicht zuständig ist;
Dass diese Berufung nicht zulässig ist, weist die Klage der Berufungsklägerin ab und verurteilt sie zur Zahlung der Kosten des Kostentaxierungsverfahrens;
Dass die Kosten durch das Rheinschifffahrtsgericht Strassburg entsprechend dem vorliegenden Urteil und gemäß der französischen Zivilprozessordnung zu liquidieren sind.