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171 Z - 4/85 - Berufungskammer der Zentralkommission (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Datum uitspraak: 18.04.1985
Kenmerk: 171 Z - 4/85
Beslissing: Urteil
Language: Duits
Rechtbank: Berufungskammer der Zentralkommission Straßburg
Afdeling: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt

Urteil

vom 18. April 1985

(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 6.3.1981 - 5 C 18/82 BSch -)

Tatbestand:

Die Klägerin ist der Versicherer des Motorschiffs "T", das am 23.8.1981 auf dem Rhein in Ortslage Bonn zu Berg fahrend bei einer Kollision zu Schaden gekommen ist. Die Klägerin hat die Schäden in der behaupteten Höne von DM 185.724,08 ersetzt und verlangt nun Erstattung der Ersatzleistungen durch die Beklagten, die nach ihrer Ansicht die Kollision schuldhaft herbeigeführt haben. Folgendes hat sich zugetragen:

Das beladene MS "T" schickte sich gegen 22.30 Uhr an, das hart bei den linksrheinischen Kribben zu Berg fahrende Motortankschiff "G", das der Beklagten zu 1)gehört und vom Beklagten zu 2)geführt wurde, an dessen Backbordseite zu überholen. Zur Vorbereitung der Überholung ging "Tauber" so weit an das rechtsrheinische Ufer heran, dass zwischen ihm und "G" 60 - 80 m Strombreite lagen. Zu Tal kam das Motortankschiff "P". Es wollte zwischen den beiden Bergfahrern durchfahren. Diese hatten die Absicht erkannt und waren mit der Begegnung, die gefahrlos möglich war, einverstanden. Die bisher geschilderte Lage änderte sich dadurch, dass auf "G" plötzlich das automatische Hauptruder ausfiel. Bevor das sofort eingesetzte Notruder wirken konnte, verfiel das Schiff nach Backbord in den Kurs von "P". Dessen Führung stellte die Maschine auf Rückwärts gang, wodurch das Schiff nach Steuerbord verfiel. Kurz darauf stieß "P" sowohl gegen "G" als auch gegen "T", wobei die Reihenfolge der Zusammenstösse umstritten ist. Nach der Ansicht der Klägerin geht aus diesem Sachverhalt die Verantwortung der Beklagten für die Kollision hervor. Die Ruderanlage von "G" sei nicht in Ordnung gewesen. Außerdem habe das Notruder nicht funktioniert.

Die Klägerin hat beantragt,

Die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie DM 185.724,08 nebst 4 % Zinsen von DM 135.974,08 und 12 % Zinsen von DM 49.750,00 jeweils seit dem 3.11.1981 zu bezahlen und auszusprechen, dass die Beklagte . zu l) außer dinglich mit dem MTS "G" auch persönlich im Rahmen des Binnenschifffahrtsgesetzes hafte.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben darauf hingewiesen, dass die automatische Ruderanlage von "G" überraschend ausgefallen sei. Ein früherer Ausfall auf der gleichen Reise bei Mönchenwerth habe zu einer Reparatur der Ruderanlage geführt, die durch Fachleute ausgeführt worden sei. Diese hätten festgestellt, die Ruderanlage sei jetzt in Ordnung. Das Schiff sei ihr erst am 8.8.81 als Neubau von der Werft übergeben worden. Auf den wenigen Reisen vor der zum Unfall führenden sei die automatische Ruderanlage zweimal ausgefallen, aber stets repariert und sogar in der Konstruktion verändert worden. Es sei also bei ihrer Wartung nichts versäumt worden. Beim Ausfall der Anlage unmittelbar vor der Havarie sei sofort das Notruder eingesetzt worden. Mit seiner Hilfe habe man vor dem ersten Zusammenstoss das zunächst nach Backbord verfallende Schiff wieder aufstrecken können. Dagegen sei "P" in Steuerbordschräglage angekommen und gegen "T" gestoßen. Das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort hat die Verklarungsakten 5 II 11/81 des Schifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort beigezogen und sodann die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Das Urteil beruht auf der Erwägung, mit Rücksicht auf den Ausfall der automatischen Ruderanlage von "G" auf früheren Reisen hätte am 22.8.81, als die Anlage erneut ausfiel, die Reise nur fortgesetzt werden dürfen nachdem die Schadensursache erkannt und beseitigt worden sei. Das sei durch die vorgenommenen Reparaturen nicht geschehen. Die Beklagten haben Berufung eingelegt. Die Parteien wiederholen ihren Vortrag aus dem ersten Rechtszuge und nehmen zu den Ausführungen des Rheinschifffahrtsgerichtes Stellung.

Es beantragen:

Die Beklagten,

nach ihren im ersten Rechtszuge zuletzt gestellten Anträgen zu erkennen.

Die Klägerin,

Die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die formell nicht zu beanstandende Berufung ist aus den folgenden Gründen erfolglos:

1. Die Ursache der umstrittenen Havarie liegt allein auf dem MTS "G". Das Schiff ist in einer Situation nach Backbord aus dem Ruder gelaufen, in der es hart linksrheinisch zu Berg fahrend, in einem Seitenabstand von 60-80 m von dem HS "T" an Backbord überholt wurde, während gleichzeitig der Talfahrer MTS "P" sich anschickte, zwischen den beiden zuerst genannten Schiffen durchzufahren. Es ist unstreitig, dass diese Begegnung problemlos verlaufen wäre, hätte nicht das MTS "G" seinen Kurs plötzlich nach Backbord verändert. Diese Veränderung führte zur Havarie. Sie brachte das MTS "G" in den Kurs des Talfahrers "P". Hier musste bei dem Versuch, eine Kollision zu vermeiden, die Maschine auf Rückwärtsgang gestellt werden, wobei das Schiff unvermeidbar in Schräglage geriet. Diese führte zur Havarie, wobei es offen bleiben kann, ob "P" zuerst gegen "G", sodann gegen "T" und schließlich erneut gegen "G" stieß oder ob der erste Stoss "T" und der zweite "G" traf. Die Anstoßfolge ändert nämlich nichts daran, dass die Ursache aller folgenden Ereignisse die genannte Kursabweichung von "G" war. Eine andere Allein- oder Mitursache ist nicht zu sehen. Eine solche liegt insbesondere nicht in dem Verhalten der Führung von "P", die angesichts der Kursabweichung von "G" in den Kurs des eigenen Schiffes dessen Maschine auf Rückwärtsgang stellte und eine damit verbundene Schräglage in Kauf nahm. Dieses Verhalten war nur eine zweckmäßige Reaktion auf die Kursabweichung von "G" und die dadurch entstandene Kollisionsgefahr. Eine neue Unfallursache oder Mitursache wurde dadurch nicht geschaffen.

2. Die Ursache der Kursabweichung des MTS "G" liegt in dem Versagen seines automatischen Ruders. Bevor das sofort eingeschaltete Notruder ansprach, war das Schiff bereits nach Backbord verfallen, ein Vorgang, der wiederum die bereits geschilderten Maßnahmen auf "P" auslöste. Hier kann dahingestellt bleiben, ob und inwieweit das Notruder "G" wieder in eine gestreckte Lage gebracht hatte, als der erste Anstoß erfolgte. Das ist nämlich bei der Feststellung der Unfallsache uninteressant. Es interessiert vielmehr allein der Ausgangspunkt aller Ereignisse und die Tatsache, dass auf den vor den dadurch in Mitleidenschaft gezogenen Schiffen zweckmäßig reagiert wurde. Das ist, wie bereits dargelegt, geschehen. Die Ursache des Unfalles des automatischen Hauptruders von "G" ist nach einem Gutachten der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin das Versagen eines Relais, das unter den Betriebsbedingungen an Bord erheblich überlastet worden ist. Neben dieser Überlastung muss nach dem genannten Gutachten noch eine weitere Ursache mitgewirkt haben, die unklar ist. Auf ihre Feststellung ist verzichtet worden, weil sie nach dem erwähnten Gutachten hohe Kosten verursacht hätte, die möglicherweise ohne Erfolg aufgewendet worden wären. Für die Entscheidung des Rechtsstreites ist die Aufklärung dieses Punktes ohne Bedeutung. Als Unfallursache steht nach den bisherigen Darlegungen das Versagen des automatischen Hauptruders auf "G" fest, dessen Folgen durch den Einsatz des Notruders nicht abgewendet werden konnten. Ob als weitere Ursache das zu langsam ansprechende Notruder des genanten Schiffes mitgewirkt hat, kann unerörtert bleiben, da es auf die Entscheidung ohne Einfluss ist.

3. Aus den folgenden Gründen hat die Führung von "G" die umstrittene Havarie auch verschuldet. Das Schiff war erst kurz vor der Havarie als Neubau seiner Reederei von der Werft übergeben worden, nämlich am 8.8.1981. Es hatte vor dem hier interessierenden Unfall nur wenige Reisen ausgeführt, auf denen zweimal die automatische Ruderanlage plötzlich versagt hatte, wie unstreitig ist. Sie war repariert und auch in ihrer Schaltung verändert worden, um sicherzustellen, dass bei einem Ausfall des automatischen Hauptruders wegen eines versagenden Relais nicht auch zum Ausfall des das gleiche Relais benötigenden Notruders führte, eine Schwäche, welche die Ruderanlage zunächst ebenfalls hatte. Alle diese Maßnahmen verhinderten nicht, dass auf der zur Havarie führenden Reise das automatische Hauptruder von "G" gleich zweimal plötzlich ausfiel, nämlich einmal bei Mönchenwerth am 22.8.81 und sodann unmittelbar vor der Havarie am 23.8.81 in Ortslage Bonn. Ob diese Ruderanlage in Höhe von Köln sogar ein drittes Mal ausgefallen war, ohne dass dies Folgen hatte, kann offen bleiben, da dies für die Entscheidung ohne Bedeutung ist. Das Verschulden der Führung von "G" liegt nämlich schon darin, dass sie nach dem Vorfall bei Mönchenwerth am 22.8.81 die Reise unter Benutzung des automatischen Ruders fortgesetzt hat. Zwar war die Anlage nach ihrem Versagen bis Mönchenwerth repariert worden. Das war aber in einer Weise geschehen, deren Erfolglosigkeit der erneute Ausfall des automatischen Ruders gerade bewiesen hatte. Man hatte nämlich wie nach den Vorfällen auf voraufgegangenen Reisen die Relais ausgewechselt. Das war unzureichend, weil die gleichen Maßnahmen auch nach früheren Ruderausfällen ergriffen worden waren, den erneuten Ausfall aber nicht verhindert hatten. Dies zeigte, dass Einwirkungen auf die Relais erfolgten, welche zu deren Ausfall führten. Die Auswechslung von Relais konnte diesen Mangel nicht beheben. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach dem bereits erwähnten Gutachten der Bundesanstalt für Materialprüfung in Berlin die Relais durch die Betriebsbedingungen an Bord von "G" erheblich überlastet würden. Eine solche Schlussfolgerung musste sich auch der Führung des Schiffes, welche die Schwächen seiner Ruderanlage auf den früheren Reisen kennen gelernt hatte, am 22.8.81 aufdrängen. Daraus war zu folgern, dass die gesamte automatische Ruderanlage solange unvollkommen und in ihrer Wirkung unsicher war, als sie nicht von Grund auf überprüft war, als' nicht ihre Schwächen dabei erkannt und behoben worden waren. Neue Relais, das war schon am 22.8.81 auch für den Schiffsführer von "G" erkennbar, behoben die Schwäche nicht. Sie blieben auch davon unberührt, dass am 22.8.81 die Schaltung der automatischen Ruderanlage insofern verändert wurde, als das Notruder jetzt nicht mehr über die Relais, sondern unabhängig von diesen einzusetzen war. Hierdurch wurde nur sichergestellt, dass zu einem Ausfall des automatischen Hauptruders wegen eines defekten Relais das über das gleiche Relais geschaltete Notruder nicht ebenfalls ausfiel. Der Ausfall des Hauptruders wegen eines versagenden Relais konnte dadurch nicht verhindert werden. Aus den voraufgegangenen Darlegungen ist zu folgern: Das MTS "G" war nach dem Vorfall am 22.8.81 zu entladen und zur gründlichen Überprüfung seiner Ruderanlage zur Werft zu verbringen. Eine Fortsetzung der Frachtreise war wegen der Gefahr eines neuen Ausfalles der automatischen Ruderanlage bei ihrer Benutzung ausgeschlossen. Durch die Fortsetzung der Frachtreise verletzte die Führung von "G" ihre allgemeine nautische. Sorgfaltspflicht und verstieß gegen § 1.04 der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung.  Für die Folgen dieses Verstoßes haben die Beklagten nach  §§ 823 BGB, 3, 4, 114 BSchG einzustehen.

Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:

1) Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 6.3.1984 wird zurückgewiesen. Das genannte Urteil wird bestätigt.

2) Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Beklagten als Gesamtschuldner.

3) Die Festsetzung der Kosten erfolgt durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte.

Der Stellvertretende Gerichtskanzler:                                            Der Vorsitzende:

(gez.) A. Bour                                                                                (gez.) Mischlich