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Leitsätze:
Beweist der Absender, dass ein Begleitpapier im Sinne des § 413 HGB dem Frachtführer ordnungsgemäß und vollständig übergeben wurde, hat der Frachtführer - jedenfalls wenn das Dokument nicht mit dem Frachtgut zusammenreist - darzulegen und zu beweisen, dass er die übernommene Urkunde ordnungsgemäß abgeliefert hat; insoweit sind die Tatbestandsmerkmale des § 413 HGB genauso auszulegen wie die des § 425 HGB. Für die ordnungsgemäße Verwendung der Begleitpapiere, etwa die Vorlage bei einer Zollbehörde, trägt der Frachtführer eine sekundäre Darlegungslast.
Ist in einem Vertrag der Transportweg konkret vorgegeben, ein Fixpreis vereinbart und vor allem vom Auftragnehmer nicht offengelegt, dass er den Transport nicht selbst durchführen wird, liegt ein Transportvertrag (Frachtvertrag) vor und nicht ein Speditionsvertrag.
Ein Transportvertrag zwischen zwei deutschen Unternehmen von Neu-Ulm (Deutschland) nach Antwerpen (Belgien), der in englischer Sprache abgefasst und durch Vermittlung eines niederländischen Unternehmen zustande gekommen ist, weist zu Deutschland die engste Verbindung auf. Auf diesen Vertrag ist das deutsche Recht anzuwenden.
OLG Karlsruhe
Urteil vom 29. Oktober 2007
Aktenzeichen 15 U 54/07
(LG Mannheim, Aktenzeichen 23 0 19/05)
Tatbestand:
Die Klägerin macht gegen die Beklagte Schadensersatz aus einem Transportvertrag geltend, da die Beklagte pflichtwidrig ein Formular zur Zollabfertigung nicht vorgelegt habe, so dass eine Ausfuhrerstattung nicht erfolgt sei....
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme lasse sich nicht feststellen, dass die Beklagte einer eventuellen Verpflichtung zur Übergabe der Zolldokumente nicht nachgekommen sei. Diese Nichtaufklärbarkeit des Sachverhalts gehe zu Lasten der Klägerin. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag in vollem Umfang weiterverfolgt. Die Klägerin macht geltend, dass im vorliegenden Fall die Beklagte eine Verpflichtung zur zolltechnischen Abfertigung übernommen habe und diese unstreitig nicht erfolgt sei. Selbst wenn man die Beweislast für die Nichtvorlage des Zollpapiers bei der Klägerin sehe, sei dieser Beweis erbracht. Aus den Entscheidungen der Zollbehörden würde sich zumindest im Wege des ersten Anscheins ergeben, dass das entsprechende Papier nicht vorgelegen habe. Im Übrigen führe das von der Beklagten vorprozessual abgegebene Schuldanerkenntnis zu einer Beweislastumkehr.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte unter Änderung des angefochtenen Urteils erster Instanz zu verurteilen, an die Klägerin 38.518,61 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 38.393,61 € vom 01. Oktober 2004 bis Rechtshängigkeit sowie aus 38.518,61 € ab Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag. Der zugrunde liegende Vertrag sei nicht mit der Klägerin zustande gekommen, so dass es an einer Aktivlegitimation fehle. Im Übrigen handele es sich um einen Speditionsvertrag, so dass die Beklagte nicht für ein Verschulden der Streithelferin hafte. Ein Anerkenntnis läge nicht vor. Auch aus dem Inhalt der Entscheidungen der Zollbehörden ergebe sich keine andere Beweislastverteilung. Bei der Abwicklung von etwa fünf Millionen Dokumenten jährlich durch die belgische Zollstelle sei durchaus denkbar, dass ein Papier auch einmal abhanden komme. Die Streitverkündete tritt der Argumentation der Beklagten bei. ...
Zum Parteivortrag im Einzelnen wird auf den Inhalt der bei Gericht eingegangenen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Gründe:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
Der Klägerin steht gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch nach § 413 Abs. 2 Satz 1 HGB zu.
1. Auf den streitgegenständlichen Vertrag ist deutsches Recht anzuwenden. Der von der Beklagten geschlossene Vertrag über einen internationalen Transport von Neu- Ulm (Deutschland) nach Antwerpen (Belgien) weist gemäß Artikel 28 Abs. 1 EGBGB zu Deutschland die engsten Verbindungen auf. Dies ergibt sich aus verschiedenen Umständen: Der Sitz der Absenderin liegt in Deutschland und dort befindet sich auch der Verladeort. Allein die Abfassung des Vertrages in englischer Sprache spricht nicht für die Anwendung einer bestimmten anderen Rechtsordnung, ebenso wenig der Umstand, dass auf Auftraggeberseite eine Person mit Sitz in den Niederlanden handelte. Außerdem kann aus dem Verhalten der Parteien im vorliegenden Prozess, die sich jeweils auf Vorschriften des deutschen Rechts berufen haben, eine entsprechende konkludente Rechtswahl gern. § 27 EGBGB abgelebt werden (vgl. BGH NJW-RR 1990, 248, 249; 2000, 1002, 1004).
Im Übrigen gilt die Vermutung des Artikel 28 Abc. 4 EGBGB (anzuwendendes Recht bei Güterbeförderungsverträgen), da sich sowohl der Sitz der Beklagten wie auch der Verladeort in Deutschland befinden.
2. Zu Recht hat das Landgericht angenommen, dass auf der Grundlage der gewechselten Emails vom 21. Februar 2003 ... zwischen der Klägerin und der Beklagten unmittelbar ein Vertrag zustande gekommen ist. Zwar hat unstreitig die Firma N BV durch einen ihrer Angestellten gehandelt. In der Kopfzeile vor der Überschrift »work order« ist jedoch die Klägerin genannt, während die Firma N BV lediglich im folgenden Text unter »Departement« auftaucht. Damit ist deutlich, dass gern. § 164 Abs. 1 BGB nicht die Firma N BV als Vertragspartnerin verpflichtet werden sollte, sondern die Klägerin.
Dass die Beklagte den Vertragsschluss in eben dieser Weise verstanden hat, ergibt sich im Übrigen zusätzlich aus der in der Berufungsinstanz vorgelegten Rechnung der Beklagten vom 3. März 2003 ..., Darin ist als Empfänger genannt: »C GmbH c/o N B.V.«
3. Zwischen der Klägerin und der Beklagten ist ein Transportvertrag geschlossen worden, der die Beklagte zum ordnungsgemäßen Transport verpflichtete, und nicht nur ein Speditionsvertrag, der lediglich eine Verpflichtung der Beklagten zur sorgfältigen Auswahl eines Transporteurs verpflichtet hätte.
Zur Frage, welcher Vertragstyp im Einzelnen von den Parteien gewollt ist, ist der Parteiwille zu erforschen, so wie er sich aus den konkreten Umständen ergibt. Vermutungen in die eine oder andere Richtung gibt es insoweit nicht (vgl. Koller, Transportrecht, 6.Auf I., § 453 HGB Rn. 16).
Im vorliegenden Fall ist in dem als »work order« bezeichneten Auftrag der Klägerin kein klarer Hinweis in die eine oder in die andere Richtung enthalten. Zu berücksichtigen ist allerdings, dass der Transportweg sehr konkret vorgegeben war und insbesondere ein Fixpreis vereinbart war. Entscheidend ist im vorliegenden Fall jedoch, dass die Beklagte gegenüber der Klägerin während der eigentlichen Vertragsabwicklung zu keinem Zeitpunkt offengelegt hat, dass sie den Transport nicht selbst durchführen würde. Auch die bereits erwähnte Rechnung der Beklagten an die Klägerin vom 3. März 2003 (Anlage K 31, As. II 137) enthält keinerlei Hinweis darauf, dass der Transport nicht von der Beklagten selbst, sondern von einer anderen Firma ausgeführt wurde. Im Übrigen wären auch für den Fall, dass der streitgegenständliche Vertrag als Speditionsvertrag anzusehen wäre, gern. § 459 S. 1 HGB die Vorschriften des Frachtvertrages anwendbar, da die Parteien mit der Festlegung »Agreed Transport Price: 652,76 EUR« eine Spedition zu festen Kosten vereinbart haben.
Auf diesen Vertrag sind gern. §§ 452, 407 Abs. 3 S. 1 HGB die Vorschriften des Frachtvertrages anzuwenden.
Die Beklagte hat daher im Rahmen des Transportvertrages für ein Verschulden der Streithelferin wie für eigenes Verschulden einzutreten. Die Zurechnung folgt für die Haftung gern. § 413 Abs. 2 HGB aus der Vorschrift des § 428 HGB (vgl. Koller, Transportrecht, 6.Aufl., § 428 HGB Rn. 2). 4. Die Voraussetzungen einer Haftung nach § 413 Abs. 2 HGB liegen vor.
Der Ersatzberechtigte hat die Tatbestandsmerkmale des § 413 Abs. 2 HGB darzulegen und zu beweisen, d.h. er muss beweisen, dass der Verlust der Urkunde im Gewahrsam des Frachtführers erfolgt ist. Zunächst trägt der Ersatzberechtigte die Beweislast für die ordnungsgemäße und vollständige Übergabe, die Nichtverwendung oder unrichtige Verwendung der Begleitpapiere, wobei den Frachtführer die sekundäre Darlegungslast trifft, was den Umgang mit den Begleitpapieren betrifft (Koller, Transportrecht, 6. Auflage, § 413 HGB Rn. 17). Hier hat unstreitig die Streitverkündete im Auftrag der Beklagten die streitgegenständliche Urkunde T 5 absprachegemäß zu einem gesonderten Transport - also nicht mit dem Frachtgut zusammen - übernommen.
a. Jedenfalls dann muss der Frachtführer darlegen und beweisen, dass er die übernommene Urkunde ordnungsgemäß bei der Ausgangszollstelle (Antwerpen) abgeliefert hat. Zu Recht hat das Landgericht darauf hingewiesen, dass diese Beweislastverteilung für den Fall des streitigen Verlustes des Transportgutes gilt. Dann ist es Sache des Frachtführers, die ordnungsgemäße Ablieferung des Gutes darzulegen und zu beweisen {BGH NJW-RR 2000, 1631, 1632).
Es besteht kein Grund, die beiden Vorschriften des § 413 Abs. 2 und § 425 Abs. 1 HGB, deren Wortlaut insoweit identisch ist, unterschiedlich auszulegen. Jedenfalls dann wenn -wie im vorliegenden Fall - vereinbarungsgemäß eine Urkunde im Sinne des § 413 HGB nicht zusammen mit der Fracht transportiert wird, sondern gesondert, hat es der Frachtführer- im Gegensatz zum Versender - in der Hand, sich durch Einholung einer Quittung Gewissheit über die ordnungsgemäße Ablieferung der Urkunde zu verschaffen. Im vorliegenden Fall hat der Zeuge T bestätigt, dass die belgischen Zollbehörden als Empfänger des Dokuments jedenfalls auf besonderen Wunsch auf dem Formular TC 11 eine Empfangsbestätigung über den Eingang eines T 5 erteilen (Protokoll vom 30. März 2008, S. 4, As. 1107). Auch die Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Auftraggeberin (Fa. U A/S) vom 18. Februar 2003 ... über die Vorlage des TC 11 (Quittung über die Einlieferung diverser Zolldokumente) spricht dafür, dass ein solches Dokument im Frachtverkehr nicht völlig unüblich ist.
Im vorliegenden Fall muss nicht entschieden werden, ob diese Übertragung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 425 Abs. 1 HGB auf die Vorschrift des § 413 Abs. 2 HGB auch in den Fällen vorzunehmen ist, wenn die Urkunden nicht als gesondertes Transportgut, sondern als Teil der Fracht, diese begleitend, befördert werden (im Ergebnis verneint - ohne dies im Einzelnen zu erörtern - OLG Düsseldorf, TranspR 1997, 422, 423).
b. Diesen ihr obliegenden Beweis hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht zu führen vermocht. Der von ihr benannte Zeuge T hat zwar angegeben, dass das Dokument den belgischen Zollbehörden durch einen Boten überbracht worden sein müsste, da sich kein solches Dokument in seinen Unterlagen mehr finden ließe. Konkrete Unterlagen zu diesem Vorgang hatte er aber nicht mehr.
Bei jährlich Tausenden von Dokumenten habe er auch keine konkrete Erinnerung an diesen Einzelfall.
Mit der Verwertung dieser Zeugenaussage in erster Instanz im Wege des Urkundenbeweises haben sich alle Beteiligten einverstanden erklärt. Für die Bewertung der Aussage kam es nicht auf den persönlichen Eindruck des Zeugen an (vgl. dazu im Einzelnen Zöller/Greger, 26. Aufl., § 373 ZPO Rn. 9).
Danach erscheint zwar möglich, dass das streitgegenständliche T5- Dokument den belgischen Behörden übergeben wurde und dort verloren ging. Ebenso erscheint aber auch denkbar, dass dieser Verlust in der von der Beklagten beauftragten Firma B eintrat, es also entweder gar nicht zur Übergabe an einen Boten kam oder aber bei dem Boten das Dokument abhanden kam. Da keine dieser Möglichkeiten in einer Weise überzeugender erscheint, dass vernünftige Zweifel ausgeschlossen waren, konnte der Senat keine Überzeugung davon gewinnen, dass die Beklagte das Frachtdokument durch die Firma B ordnungsgemäß abgeliefert hat.
5. Der Klägerin ist in Höhe der Zahlung an die Auftraggeberin des Transports ein Schaden entstanden.
a) Sowohl aus dem Bescheid der belgischen Zollbehörden wie auch aus dem Bescheid des Hauptzollamtes Hamburg ergibt sich, dass die Rückzahlungspflicht der Auffraggeberin auf der Nichtvorlage des Dokuments T 5 beruhte.
b) Ein Schaden in Höhe von 38.33,91 € ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Schaden ist auch bei der Klägerin tatsächlich entstanden. Dies ergibt sieh bereits daraus, dass unstreitig die Auftraggeberin eine entsprechende Schadensersatzanforderung gegenüber der Klägerin geltend gemacht hat. Die Beklagte hat auch nicht den klägerischen Vortrag bestritten, dass die Schadensersatzforderung erfüllt worden ist. Im Streit steht lediglich, ob die Zahlung durch die Klägerin selbst oder durch eine mit ihr im Konzernverbund wirtschaftlich verbundene andere juristische Person vorgenommen wurde. Selbst für den eher unwahrscheinlichen Fall, dass die Zahlung nicht durch interne Verrechnungen letztlich zu Lasten der Klägerin geht, handelt es sich um eine freigebige Leistung Dritter, die nicht den Ersatzpflichtigen entlasten, sondern dem Ersatzberechtigten zugute kommen soll (vgl. Palandt/Heinrichs, 66. Aufl., Vorb v. § 249 BGB Rn. 131).
c) Bezüglich der Zahlung einer Geldbuße hat die Klägerin allerdings nicht nachgewiesen, dass ihr ein Schaden entstanden ist. Zum einen ist bereits zweifelhaft, ob sie ausreichend substantiiert einen eigenen Schaden und nicht nur einen solchen der niederländischen Tochter dargelegt hat. Es ist auch nicht nachgewiesen, dass der vorgelegte Bußgeldbescheid, der den Seetransport betrifft, tatsächlich rechtskräftig geworden ist. Vor allem fehlt es jedoch an einem Nachweis, dass die geltend gemachte Geldbuße tatsächlich von irgend jemandem bezahlt worden ist.
d) Ein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht durch die Klägerin ist nicht ersichtlich. Nach dem insoweit unbestrittenen Vortrag der Klägerin war eine nachträgliche Vorlegung des T 5 nicht mehr möglich. Dazu hätte die tatsächliche Ausfuhr des Käses nach Kuba nachgewiesen werden müssen. Wie sich aus der von der Klägerin vorgelegten E-Mail vom 16. November 2004 ergibt, scheiterte dies im vorliegenden Fall jedoch daran, dass die kubanischen Behörden auf den entsprechenden Eingangspapieren nicht den Fettgehalt des Käses festgehalten hatten und sich daher nicht nachweisen ließ, dass tatsächlich der bestimmte Käse ausgeführt worden war. Dies hat die Klägerin gegenüber der Auftraggeberin nicht zu verantworten.
Soweit die Beklagte darauf abhebt, dass in dem Dokument T 5 die Containernummer gefehlt habe, trägt sie die Darlegungsund Beweislast, dass dieser Umstand ursächlich für den Schaden war. Dies konnte aber letztlich nicht mit der erforderlichen Sicherheit geklärt werden
6. Auf die von den Parteien diskutierte Frage, ob in den E-Mails vom 29. Juli 2004 und/oder vom 16. August 2004 ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis oder doch zumindest ein Beweiszeichen zu sehen ist, kommt es danach nicht mehr an, da der Anspruch der Klägerin ohnehin begründet ist. Der von der Klägerin nicht nachgewiesene Schadensposten (oben Ziffer 5 c) wird von diesen E-Mails nicht erfasst.
Gleiches gilt für die Frage, ob allein in der Tatsache, dass die belgischen und deutschen Zollbehörden die Nichtvorlage des Dokuments T 5 bemängelt haben, zumindest ein prima-facie-Beweis dafür abgeleitet werden kann, dass die Beklagte das von ihr gesondert transportierte Dokument T5 nicht ordnungsgemäß bei der belgischen Zollbehörde abgeliefert hat. Auch für den nicht begründeten Schadensposten (eben Ziffer 5 c) ist diese Frage irrelevant.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2010 - Nr.1 (Sammlung Seite 2061 ff.); ZfB 2009, 2061 ff.