Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
Eine zeitlich befristete Rechtsnorm kann nach Fristablauf durch eine ranggleiche mehrmalig ersetzt werden. Es kann sinnvoll und notwendig sein, den Erfahrungszeitraum länger als 3 Jahre in Kraft zu halten, um festzustellen, ob eine vorübergehend abgeänderte Norm der Rheinschiffahrtpolizeiverordnung wieder in Kraft zu setzen oder durch eine andere zu ersetzen ist.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 23. Februar 1983
(Auf Berufung gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 24.3.1982 - 5 OWi 92/81 BSch -)
Tatbestand und Entscheidungsgründe:
Der Betroffene ist Schiffsführer und Eigner des MS "J". Unter seiner Führung fuhr dieses Schiff am 16.3.1981 auf dem Niederrhein bei km 804 zu Berg, benutzte dabei das Fahrwasser in der Nähe des rechtsrheinischen Ufers und begegnete der Talfahrt Steuerbord an Steuerbord. Der Betroffene verstieß damit gegen den damals geltenden § 9.02 b Absatz 1 Buchstabe b RSchPVO, der in diese durch die schifffahrtspolizeiliche Verordnung Nr. 12/1978 vom 27.2.1978 eingefügt worden war. Diese Verordnung wiederum war gestützt auf § 1.22 Abs. 3 RSchPVO erlassen worden. Ihre Gültigkeit war auf die Zeit vom 1.4.1978 bis zum 31.3.1981 beschränkt. Sie folgte auf die schifffahrtspolizeiliche Verordnung gleichen Inhalts Nr. 12/1975, deren Gültigkeit die Zeit vom 1.4.75 bis 31.3.78 umfasste. Der Betroffene bestreitet die ihm vorgeworfene Übertretung nicht. Er hält sie für unwirksam, da die schifffahrtspolizeiliche Verordnung, auf der sie beruhte, eine ihr voraufgegangene Verordnung gleichen Inhalts, die infolge Ablaufs ihrer zeitlichen Befristung außer Kraft getreten war, wiederholte. Das sei, so meint der Betroffene, rechtlich nicht zulässig, denn eine befristete Rechtsordnung, deren Zeit abgelaufen sei, könne nur dazu führen, dass der alte Rechtszustand wieder eintrete, es sei denn, er sei rechtzeitig durch eine neue endgültige Regelung abgelöst worden. Das Rheinschifffahrtsgericht hat diese Ansicht verworfen.
Der Betroffene hat gegen dessen Urteil Berufung eingelegt, die formell nicht zu beanstanden ist. Die Wirksamkeit der von dem Betroffenen beanstandeten schifffahrtspolizeilichen Verordnung steht außer Zweifel. Der § 1.22 RSchPVO gibt nur die Ermächtigung zu schifffahrtspolizeilichen Verordnungen mit einer Geltungsdauer von höchstens 3 Jahren. Dieser Vorschrift tragen die hier in Betracht kommenden Verordnungen Rechnung. Jede von ihnen würde mithin mit dem Ablauf der genannten Frist unwirksam. Sie konnte aber - wie geschehen - durch eine ranggleiche Verordnung mit gleicher zeitlicher Befristung ersetzt werden. Es gibt keinen Rechtsgrundsatz, wonach eine zeitlich befristete Rechtsnorm nach Fristablauf nicht durch eine ranggleiche ersetzbar ist. Der Betroffene legt den § 1.22 dieser Verordnung falsch aus, wenn er meint, die dort genannte Befristung auf höchstens 3 Jahre spreche für seine Ansicht. In Wirklichkeit besagt diese Norm nur, dass jede Rechtsverordnung, die auf ihrer Grundlage erlassen wird, auf höchstens 3 Jahre befristet werden muss. Sie besagt nicht, dass eine solche Rechtsverordnung nur einmal ergehen kann. Eines besonderen Hinweises auf die Zulässigkeit eines mehrmaligen Erlasses bedurfte es im § 1.22 RSchPVO nicht. So gesehen hätte umgekehrt ein Verbot eines mehrmaligen Erlasses, wenn es gewollt gewesen wäre, im § 1.22 RSchPVO ausgesprochen werden müssen. Nur am Rande weist die Berufungskammer darauf hin, dass der mehrmalige Erlass der im vorliegenden Falle umstrittenen Rechtsverordnung seinen guten Sinn hatte. Ein Zeitraum von 3 Jahren reicht nämlich nicht immer aus, um auf Grund der darin gemachten Erfahrungen die Frage beantworten zu können, ob eine vorübergehend abgeänderte Norm der Rheinschifffahrtpolizeiverordnung wieder in Kraft zu setzen, oder durch eine andere zu ersetzen ist. Es kann notwendig sein, den Erfahrungszeitraum zu verlängern und zu diesem Zwecke eine vorübergehende Regelung länger als 3 Jahre in Kraft zu halten.
Aus den dargelegten Gründen wird für Recht erkannt:
Die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Rheinschifffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort vom 24.3.1982 wird zurückgewiesen.
Das genannte Urteil wird bestätigt.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Betroffene.
Sie werden durch das Rheinschifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort unter Berücksichtigung von Artikel 39 der Revidierten Rheinschifffahrtsakte festgesetzt.
Der Stellvertretende Gerichtskanzler: Der Vorsitzende:
(gez.) A. BOUR (gez.) MISCHLICH