Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
In einer Strafsache, die sowohl ein Vergehen als auch eine Zuwiderhandlung gegen schiffahrtpolizeiliche Vorschriften zum Gegenstand hat, ist das Rheinschifffahrtsgericht unzuständig, wenn die Verurteilung der Straftat als Vergehen erfolgt.
Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt
vom 24. März 1982
139 S - 2/82
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort)
Zum Sachverhalt:
Bei der Übernahme von Gasöl im BP-Hafen Dinslaken durch ein dem Angeklagten gehörendes und von ihm geführtes MTS soll eine nicht unerhebliche Menge Gasöl übergelaufen und in das Hafenwasser gelangt sein. Gegen den Angeklagten erließ darauf das Amtsgericht Wesel wegen fahrlässiger Gewässerverunreinigung einen Strafbefehl über eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 50,- DM. Nach Einlegung des Einspruches ermäßigte das Amtsgericht die Höhe des Tagessatzes auf 30,- DM, das Landgericht Duisburg nach Einlegung der Berufung auf 20,- DM. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hob auf die Revision des Angeklagten das Urteil des Landgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort mit der Begründung, daß die Straftat ihren Schwerpunkt in der Verletzung einer schiffahrtpolizeilichen Vorschrift (§ 1.15 RhSchPolVO) habe. Für die Bestrafung von Zuwiderhandlungen gegen solche Vorschriften seien aber die Rheinschiffahrtsgerichte zuständig.
Das Rheinschiffahrtsgericht, das sich an die vom OLG Düsseldorf ausgesprochene Verweisung gemäß § 270 der deutschen Strafprozeßordnung gebunden fühlte, hat den Angeklagten wegen Vergehens der Wasserverschmutzung gemäß § 324 StGB zu einer Geldstrafe von 25 Tagessätzen zu je 20,- DM verurteilt und ihm u. a. die Kosten des Verfahrens einschl. derjenigen vor dem Amtsgericht Wesel sowie des Berufungs- und Revisionsverfahrens auferlegt.
Auf die vom Angeklagten eingelegte Berufung hat die Berufungskammer der Rheinzentralkommission das Urteil des Rheinschiffahrtsgerichts Duisburg-Ruhrort aufgehoben und diesem Gericht „die Festsetzung der dem Angeklagten für beide rheinschiffahrtsgerichtlichen Instanzen zu erstattenden Kosten" übertragen.
Aus den Gründen:
„...
Nach Artikel 34 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte (Mannheimer Akte) sind die Rheinschiffahrtsgerichte in Strafsachen nur zuständig für die Untersuchung und Bestrafung aller Zuwiderhandlungen gegen die schiffahrts- und strompolizeilichen Vorschriften. Dieser von der Mannheimer Akte verbindlich festgelegte Zuständigkeitskreis der Rheinschiffahrtsgerichte in Strafsachen, der in § 14 des deutschen Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen in der Fassung des Gesetzes vom 2. März 1974 (BGBI 1 Seite 561 ff.) von dem nationalen Gesetzgeber ausdrücklich anerkannt wurde, kann nach den allgemein anerkannten Regeln des Völkerrechts nicht einseitig durch einen vertragschließenden Staat verlängert, d. h. erweitert oder eingeengt werden. Dies gilt auch für die Auslegung der Zuständigkeitsbestimmungen durch die nationalen Gerichte (Urteil der Berufungskammer der Zentralkommission für die Rheinschiffahrt vom 4. Februar 1980 - 121 S - 8/80 –).
Soweit in Artikel 34 der Revidierten Rheinschiffahrtsakte von Strafsachen die Rede ist, sind damit die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses der Mannheimer Akte im Jahre 1868 noch im deutschen Strafgesetzbuch erfaßten Übertretungen zu verstehen, die seit dem 1. Januar 1975 in der Bundesrepublik Deutschland als Bußgeldsachen bezeichnet werden. Wenn somit der deutsche Gesetzgeber in § 14 Abs. 2 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrtssachen spricht, so bedeutet die Erwähnung der Strafsachen nicht eine Ausdehnung der Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte auf die in der Bundesrepublik Deutschland allein noch als Strafsachen bezeichneten schweren Kriminalkategorien der Verbrechen und Vergehen, sondern stellt nur eine Wiedergabe des historisch gewachsenen Begriffs der „Strafsache" dar, wie er in der Mannheimer Akte gebraucht ist. Daß von der Mannheimer Akte nur die früheren Übertretungen und jetzigen Bußgeldsachen, nicht aber auch Verbrechen und Vergehen erfaßt werden sollen, ergibt sich allein schon aus dem Strafrahmen des Art. 32 der Akte, der nur eine begrenzte Geldbuße vorsieht, während im deutschen Strafgesetzbuch für die neuerdings der schiffahrtsgerichtlichen (nicht rheinschiffahrtsgerichtlichen) Zuständigkeit unterworfenen Straftaten, die in der Verletzung schiffahrtspolizeilichen Vorschriften ihren Schwerpunkt haben, Freiheitsstrafe oder unbegrenzte Geldstrafe angedroht werden.
Da die dem Angeklagten zur Last gelegte Wasserverschmutzung, die früher in § 38 des deutschen Wasserhaushaltsgesetzes und jetzt in § 324 des deutschen StGB als Vergehen ausgewiesen ist, für das auch bei fahrlässiger Begehung Freiheitsstrafe oder Geldstrafe angedroht ist, fällt sie nicht unter den von der Mannheimer Akte gezogenen Zuständigkeitskreis der Rheinschiffahrtsgerichte. Das Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort hat deshalb in dieser Sache ohne sachliche Zuständigkeit entschieden.
Das vom Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort erlassene Urteil kann deshalb keinen Bestand haben und ist aufzuheben.
Die Festsetzung der dem Angeklagten für die durch das Tätigwerden des Rheinschiffahrtsgerichts einschließlich der Berufungsinstanz zu erstattenden Kosten wird dem Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort übertragen. An dieses ist auch die Sache zurückzugeben zum Zwecke der Weiterleitung an das sachlich zuständige nationale Gericht.