Jurisprudentiedatabank
Leitsatz:
1) Trotz ihrer Bezeichnung als Kaskoversicherung ist die Flusskaskoversicherung zugleich Haftpflichtversicherung.
2) Verursacht das schiebende Schiff an einem geschobenen Neubaukasko einen Schaden, so ist dieser im Rahmen der Flusskaskoversicherung des schiebenden Schiffes als „Ersatz an Dritte“ gedeckt, wenn in den geschriebenen Bedingungen Versicherungsschutz für das Schieben sonstiger fremder Fahrzeuge vereinbart ist. Diese geschriebene Bedingung geht als spezielle Regelung dem Deckungsausschluss für Schäden an der Ladung des eigenen Schiffes nach den AVB-Flusskasko vor; es kommt daher für diesen Fall nicht darauf an, ob das geschobene Schiffe als Ladung des schiebenden Schiffes im Sinne der Versicherungsbedingungen gilt oder nicht.
3) Rechtschutz und Übernahme von Prozesskosten sind in der Transportversicherung für Haftpflichtfälle nicht vorgesehen. Der Versicherer hat aber die Kosten eines Abwehrprozesses im Haftungsverhältnis auch ohne ausdrücklichen Auftrag oder Weisung zu übernehmen, wenn er den Willen geäußert hat, die Haftpflichtfrage solle im Prozess geklärt werden.
4) Die Fahruntüchtigkeit des versicherten Schiffes ist ein subjektiver Risikoausschluss, beziehungsweise eine verhüllte Obliegenheit, sodass der Versicherungsnehmer sich entlasten kann. Ist der Schaden auf mehrere adäquate Ursachen zurückzuführen, so ist – auch im Hinblick auf ein Unterlassen – auf die „causa proxima“ abzustellen. Für den Deckungsausschluss grober Fahrlässigkeit oder Fahruntüchtigkeit greift nur die mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksamste, erheblichste Ursache. Die Beweislast dafür trägt der Versicherer.
5) Ein „Schiff“ im Rechtssinne ist ein schwimmfähiger Hohlkörper von nicht ganz unbedeutender Größe, dessen Zweckbestimmung es mit sich bringt, dass er auf dem Wasser bewegt wird. Ein Leichter ist ein antriebsloser, schwimmender, besatzungsloser Ladungsbehälter, der im Schubverband bewegt wird. Ein antriebsloses Neubaukasko ist kein Leichter, da es nicht dem Zweck des Transportes von Ladung dient, sondern ein „sonstiges fremdes Fahrzeug“ im Sinne der Flusskaskobedingungen. Unschädlich ist, dass das Neubaukasko keinen eigenen Antrieb hat und nicht fertig gestellt oder voll funktionsfähig ist.
Urteil des Oberlandesgerichtes Karlsruhe
vom 18. Juli 2013
Az.: 12 U 203/12 (Landgericht Mannheim, Az.: 11 O 118/12)
I. Auf die Berufung der Klägerin und die Anschlussberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 23.11.2012 (11 O 118/12) - unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Deckungsschutz aus der Havarie zwischen TMS „M“/Seekasko „Mo“ und GMS „V“ am 18.10.2010 bei Donau-km 1857,5 zu gewähren, soweit es folgende Ansprüche angeht:
a) Ansprüche der G in Zusammenhang mit der Beschädigung des Neubaukaskos „Mo“, rechtshängig beim Landgericht Frankfurt, AZ: 3-15 O 97/11,
b) Ansprüche der V in Zusammenhang mit der Beschädigung des GMS „V, rechtshängig beim Amtsgericht – Schifffahrtsgericht – Würzburg, AZ: 16 C 2308/11 BSch.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen …
IV. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin macht nach einem Binnenschifffahrtsunfall Haftpflicht-Deckungsansprüche aus einer Flusskasko-Versicherung geltend.
Die Klägerin betreibt Schifffahrt und hatte am 24.03.2010 bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung für das von ihr betriebene Tankmotorschiff (TMS) „M“ abgeschlossen (Transport-Versicherungs-Police Nr. 19100378). Vertragsgrundlage sind die AVB-Flusskasko 2000/2004, die AVB-Mannschaftseffekten 2008 und die „Geschriebenen Bedingungen zu den AVB-Flusskasko 2000 - Stand 2004“.
Diese geschriebenen Bedingungen sehen unter Ziff. 3 Abs. 4 vor:
„Für fremde Leichter, die auf Basis der allgemeinen Schubbedingungen oder vergleichbarer europäischer Bedingungswerke geschoben werden, sowie für Schieben und Mitnahme sonstiger fremder Fahrzeuge, besteht Versicherungsschutz im Rahmen der Haftung für Ersatz an Dritte.“
Am 20.09.2010 war die Klägerin von der D beauftragt worden, das Neubaukasko „Mo“ von Orsova/Rumänien nach Engelshartszell/Österreich zu transportieren.
Während der Mitnahme des Neubaukaskos „Mo“ (seitlich im Verband mit dem TMS „M“) kam es am 18.10.2010 auf der Donau im slowakischen Teil des Flusses bei km 1.857,5 zu einer Kollision (Havarie) zwischen dem Neubaukasko „Mo“ und dem Großmotorschiff (GMS) „V“. Durch diese Havarie entstanden sowohl an der „Mo“ als auch an der „V“ Schäden. Zum Zeitpunkt der Kollision war das TMS „M“ mit 4 statt, wie erforderlich, mit 5 Personen bemannt.
Seit August 2011 wird die Klägerin von der O dem Versicherer des GMS „V“ vor dem Amtsgericht – Schifffahrtsgericht – Würzburg in dem unter dem Az.: 16 C 2308/11 BSch geführten Verfahren auf Feststellung in Anspruch genommen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die aus der streitgegenständlichen Schiffskollision resultierenden Schäden an der GMS „V“ zu ersetzen. In jenem Verfahren wurde der Streitwert auf 250.000,- € festgesetzt.
Im Oktober 2011 wurde die Klägerin in dem unter dem Az: 3-15 O 97/11 geführten Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt/Main von der G aus übergegangenem Recht auf Ersatz der am Neubaukasko „Mo“ entstandenen Schäden in Höhe von 240.165,50 € in Anspruch genommen. Die G ist der Baurisikoversicherer der Fa. E, die sich gegenüber der Fa. S./Niederlanden zum Bau und der Belieferung eines Doppelhülsentankschiffs verpflichtet hatte. Die G hatte den der Fa. E aufgrund der Havarie entstandenen Schaden am Neubaukasko „M“ ersetzt.
Die Beklagte erteilte am 28.09.2011 im Hinblick auf die entstehenden Kosten des Prozesses am Amtsgericht Würzburg Deckungszusage. Mit Anwaltsschreiben der Klägerin vom 02.11.2011 forderte sie die Beklagte, unter Fristsetzung zum 15.11.2011, auf, bezüglich der im Frankfurter Verfahren der O geltend gemachten Schäden, weitergehende Deckungszusage zu erteilen. Die Übernahme weiterer Kosten ließ die Beklagte durch Anwaltsschreiben ablehnen.
Die Klägerin hat in erster Instanz vorgetragen, dass die Beklagte im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrags sowohl für die an dem Neubaukasko „Mo“ entstandenen Schäden als auch für die am GMS „V“ entstandenen Schäden deckungspflichtig sei. Dies ergebe sich bezüglich des Neubaukaskos aus Ziff. 3 Abs. 4 der geschriebenen Bedingungen zu den AVB-Flusskasko 2000/2004. Bei dem Transport der „Mo“ habe es sich um das Schieben bzw. die Mitnahme eines sonstigen fremden Fahrzeugs gehandelt. Die Eintrittspflicht der Beklagten sei nicht nach Ziff. 10 der geschriebenen Bedingungen ausgeschlossen. Bei der „Mo“ handele es sich nicht um Ladung im Sinne dieser Bedingung. Ladung liege gemäß Ziff. 4.8 AVB-Flusskasko 2000/2004 nur vor, wenn sie sich an Bord des Schiffes befinde. Insoweit beziehe sich Ziff. 10 der geschriebenen Bedingungen auf Ziff. 4.8 AVB-Flusskasko 2000/2004. Insoweit müsse die Beklagte auch die Prozesskosten im Frankfurter Verfahren decken. Bezüglich der im Zusammenhang mit der Beschädigung des GMS „V“ entstandenen Schäden ergebe sich die Deckungspflicht aus Ziff. 4 der AVB Flusskasko 2000/2004. Aus dem Gesichtspunkt des Zahlungsverzugs sei die Beklagte außerdem zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für den hiesigen Deckungsprozess verpflichtet.
Die Beklagte hat vorgetragen, dass sie für die Schäden und Kosten aufgrund der Kollision zwischen dem Neubaukasko „Mo“ und dem GMS „V“ der Klägerin keinen Versicherungsschutz gewähren müsse.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 23.11.2012, auf dessen Feststellungen im Übrigen verwiesen wird, der Klage im Hinblick auf den Prozess vor dem Amtsgericht Würzburg nebst vorgerichtlichen Anwaltskosten (für das hiesige Verfahren) weitgehend stattgegeben und im Übrigen (also insbesondere mit Blick auf den Prozess vor dem Landgericht Frankfurt und das Schiffskasko „Mo“ einschließlich der dortigen Prozesskosten) die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Beim Neubaukasko „Mo“ handele es sich um eine reine Stahlkonstruktion ohne zum Antrieb notwendige Maschinen bzw. ohne nautische Ausrüstung, also nicht um ein Fahrzeug im Sinne der dem Versicherungsvertrag zugrunde gelegten Bedingungen. Vielmehr handele es sich um Ladung. Jedoch könne die Klägerin dem Grunde nach verlangen, dass die Beklagte die Klägerin von den gegen diese erhobenen Ansprüche der O in dem Verfahren vor dem Amtsgericht Würzburg freistelle.
Mit ihren jeweiligen Berufungen verfolgen beide Parteien ihr erstinstanzliches Begehren - soweit sie vor dem Landgericht keinen Erfolg hatten - weiter.
Die Klägerin rügt mit ihrer Berufung, dass das Landgericht – soweit es im Hinblick auf den Prozess vor dem Amtsgericht Würzburg und die Schäden an dem Schiff „V“ teilweise zu einer Verurteilung kam – eine nicht gerechtfertigte Begrenzung im Urteilstenor vorgenommen habe. Denn die dort angesprochene Haftungsbegrenzung gemäß Straßburger Übereinkommen gelte nur im Haftungsverhältnis zum Dritten, spiele jedoch für das Versicherungsverhältnis keine Rolle. Die Beklagte hätte auch im Hinblick auf den Prozess vor dem Landgericht Frankfurt und die Schäden an dem Seekasko „Mo“ verurteilt werden müssen. Die vom Landgericht angenommene ausschließende Gegensätzlichkeit der Begriffe „Fahrzeug“ und „Ladung“ gebe es nicht. Fahrzeuge verlören ihre Eigenschaft als Fahrzeug nicht dadurch, dass sie zur Ladung, also zum Gegenstand eines Frachtvertrages würden. Auch wenn es sich bei dem Seekasko um eine Stahlkonstruktion ohne Maschinen und nautische Ausrüstung handele, liege dennoch ein Fahrzeug vor. Gerade ein nicht entsprechend ausgestattetes Fahrzeug werde eher durch ein anderes Fahrzeug mitgenommen werden als ein eigenständig fahrtaugliches. Auch die Versicherungsbedingungen sähen ausdrücklich die Mitnahme fremder Fahrzeuge vor. Die Parteien des Transportvertrages hätten die Regelung des Budapester Übereinkommens (CMNI) für anwendbar erklärt, obwohl gerade geschleppte oder geschobene Schiffe eigentlich keine Güter nach CMNI seien. Das Regelungsumfeld dürfe nicht übersehen werden: Das Budapester Übereinkommen klammere die Mitnahme von Schiffen aus, beim Flusskaskoversicherer sei niemals Ladung versichert, beim Frachtführerhaftpflichtversicherer könne ein Schiff niemals als Frachtgut versichert werden. Vor diesem Hintergrund sei die geschriebene Bedingung dahingehend, dass für die Mitnahme sonstiger fremder Fahrzeuge Versicherungsschutz im Rahmen der Haftung für Ersatz an Dritte bestehe, maßgeblich und anspruchsbegründend.
Die Beklagte rügt mit ihrer Berufung, die sie innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nicht begründete, jedoch innerhalb der Berufungserwiderungsfrist als Anschlussberufung aufrechterhielt und begründete, dass das Landgericht zu Unrecht Deckung bezüglich des Schadens an dem Schiff „V“ gewährt habe. Soweit die geschriebenen Bedingungen formulieren, dass auch fahrlässig durch den Versicherungsnehmer verursachte Eigen- und Drittschäden mitversichert sein, seien entgegen dem reinen Wortlaut nicht allein vorsätzliche Schäden ausgeschlossen. Das Wort „fahrlässig“ sei hier im Sinne von „leicht fahrlässig“ zu verstehen. Jede andere Sichtweise wäre nicht mehr marktüblich und der Versicherungsmakler habe gerade den Auftrag gehabt, alle Policen nur zu marktüblichen Bedingungen abzuschließen. Insoweit sei der Versicherungsfall grob fahrlässig herbeigeführt worden, da der Ausguck auf der Back nicht durch einen Matrosen besetzt gewesen sei und im Falle einer ordnungsgemäßen Besetzung die Kollision verhindert worden wäre. Die Klägerin habe noch nicht einmal im in Ansätzen dargelegt, ob und welche betriebliche Organisation sie vorhalte, um den sicheren Betrieb ihres Binnenschiffs und gerade auch die sichere Durchführung derart anspruchsvoller Transporte zu gewährleisten und etwaige Defizite ihrer Besatzung zu verhindern.
II.
Die Berufung der Klägerin hat weitgehend Erfolg. Die Anschlussberufung der Beklagten hat geringen Erfolg.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist überwiegend begründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere mit dem nach Senatshinweis umgestellten Klagantrag Ziff. 1.
Die Klageänderung bezüglich Antrag Ziff. 1 ist gemäß § 533 ZPO zulässig. Statt auf Freistellung ist die Klage sachdienlicherweise auf Gewährung von Deckungsschutz zu richten. Denn vorliegend wird Deckungsschutz aus einer Haftpflichtversicherung geltend gemacht. Trotz ihrer Bezeichnung als Kaskoversicherung ist die Flusskaskoversicherung zugleich Haftpflichtversicherung. Dies ergibt sich aus Ziff. 4 AVB-Flusskasko über die „Ersatz-an-Dritte-Deckung“ und aus § 130 Abs. 2 S. 2 VVG (vgl. Koller in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, Ziff. 1 AVB-Flusskasko Rdnr. 2).
Auch wenn insoweit die §§ 100 ff. VVG nicht anwendbar sind (Gerhard in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 6, Rdnr. 628), gelten die allgemeinen Regeln über den Unterschied zwischen dem Deckungsverhältnis und dem Haftungsverhältnis (sog. Trennungsprinzip; Lücke in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, § 100 Rdnr. 46). In der Haftpflichtversicherung kann der Versicherungsnehmer grundsätzlich nur auf Feststellung klagen, dass der Versicherer wegen einer im Einzelnen genau zu bezeichnenden Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren habe. Dem Haftpflichtversicherer steht es nämlich frei, die gegen seinen Versicherungsnehmer geltend gemachten Haftpflichtansprüche zu erfüllen oder solche abzuwehren (vgl. Ziff. 4.2 AVB-Flusskasko; Gerhard in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 6, Rdnr. 635). Bietet der Haftpflichtversicherer Abwehr für unberechtigt gehaltene Ersatzansprüche an, hat er seine Verpflichtung aus dem Versicherungsvertrag zur Zeit erfüllt (vgl. Lücke in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, § 100 Rdnr. 19). Nur wenn die Haftpflicht nach Grund und Höhe (wie etwa bei rechtskräftigen Urteil im Haftpflichtprozess) feststeht und der Versicherungsnehmer noch nicht an den Dritten gezahlt hat, ist die Klage auf Befreiung von der Verbindlichkeit zu richten (Lücke in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, § 100 Rdnr. 22).
2. Die Klage ist weitgehend begründet.
a) Die Beklagte hat auch Deckungsschutz bezüglich des Neubaukaskos „Mo“ zu gewähren.
aa) Dies ergibt sich ausdrücklich aus der oben zitierten Ziff. 3 Abs. 4 der geschriebenen Bedingungen (vgl. genau zu dieser Klausel: Schmidt, VersR 2013, 418, 425).
Bei dem hier fraglichen Neubaukasko handelt es sich zwar nicht um einen „Leichter“ im Sinne dieser Versicherungsbedingung. Denn ein Leichter ist ein antriebsloser, schwimmender, besatzungsloser Ladungsbehälter, der im Schubverband bewegt wird. Der hier fragliche Kasko ist zwar ebenfalls nicht mit einem Antrieb versehen, hat ebenfalls keine Besatzung und wurde ebenfalls im Schubverband bewegt. Er dient jedoch nicht dem Zweck des Transportes von Ladung und es handelt sich auch nicht um ein bereits fertig gestelltes Objekt. Es sei erwähnt und wird auch von der geschriebenen Klausel vorausgesetzt, dass sich die üblichen Schubbedingungen nur auf Leichter beziehen (s. z.B. „Allgemeine europäische Bedingungen für Verträge über die Mitnahme von Schubleichtern durch Schubboote 2007 - Europäische Schubbedingungen 2007“).
Der Kasko (Schiffsrumpf) ist jedoch ein „sonstiges fremdes Fahrzeug“ im Sinne der genannten Versicherungsbedingung. Der Kasko ist der fertige, schwimmfähige Rumpf ohne die enthaltene Technik. Der Schiffsrumpf bezeichnet den Teil eines Schiffes, der ihm die Schwimmfähigkeit verleiht.
Nach seiner konkreten Verwendung kann man den hier vorliegenden Kasko sogar als „Schiff“ bezeichnen, wobei Schiffe wiederum eine Unterkategorie von Fahrzeugen sind. Erwähnung soll finden, dass sich der Begriff „Fahrzeug“ laut Duden-Wörterbuch aus dem niederdeutschen Begriff „fahrtüg“ bzw. dem niederländischen Begriff „vaartuig“ ableitet, was wiederum „Schiff“ bedeutet.
Ein „Schiff“ im Rechtssinne ist ein schwimmfähiger Hohlkörper von nicht ganz unbedeutender Größe, dessen Zweckbestimmung es mit sich bringt, dass er auf dem Wasser bewegt wird (vgl. RGZ 51, 330 ff., 334; BGH NJW 1952, 1135; Koller in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, § 130 Rdnr. 6; Gerhard in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 6, Rdnr. 579).
Diese Voraussetzungen liegen bei dem hier fraglichen Kasko vor, da es sich um einen großen Hohlkörper handelt, der schwimmfähig ist und über eine lange Strecke auf dem Wasser bewegt wurde.
Soweit Ziff. 1.1 AVB-Flusskasko vorsieht, dass das „Schiff mit seinen maschinellen Einrichtungen, dem Zubehör und der Ausrüstung“ versichert sei, kommt bereits dadurch zum Ausdruck, dass „Schiff“ durchaus mit „Schiffskasko“ gleichgesetzt werden kann (vgl. Gerhard in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 6, Rdnr. 578). Die maschinellen Einrichtungen etc. sind mitversichert, müssen jedoch nicht notwendigerweise vorhanden sein.
Keineswegs Voraussetzung ist, dass das fragliche Objekt mit einem eigenen Antrieb versehen ist. Voraussetzung ist auch nicht, dass das Objekt bereits fertig gestellt ist oder voll funktionsfähig ist.
So sind zwar „Lager-und Wohnschiffe“ entgegen dem Sprachgebrauch keine Schiffe im Rechtssinne, da sie ihren Standort nicht verändern; sie gelten jedoch dann als Schiffe, sobald sie zum Zwecke der Ortsveränderung - auch passiv - bewegt werden (Schwampe in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 7, Rdnr. 519). Gleiches gilt für Docks, Bohrinseln und Bagger (Schwampe, a.a.O., Teil 7, Rdnr. 524; Gerhard, a.a.O., Teil 6, Rdnr. 581).
Selbst nicht mehr reparaturfähige Schiffe („Wracks“) gelten so lange als Schiffe im Rechtsinne, wie sie noch geschleppt oder gehoben werden oder noch treiben, ohne aufgegeben worden oder gesunken zu sein (Schwampe, a.a.O., Teil 7, Rdnr. 525).
Wenn aber selbst antriebslose Wracks wenige Augenblicke vor dem Sinken, wenn sie also gerade noch schwimmen, als Schiffe im Rechtssinne bezeichnet werden, so muss dies erst recht für voll schwimmfähige Kaskos gelten, da sie das Wesentliche eines Schiffes ausmachen.
Soweit das Schiffahrtsobergericht Nürnberg (Urteil vom 28. März 2013 – 9 U 1887/12 BSch –, juris-Tz. 41), das ebenfalls mit der vorliegenden Havarie und dem vorliegenden Kasko befasst war, die Auffassung vertreten hat, dass es sich bei dem Kasko „Mo“ nicht um ein Seeschiff handele, widerspricht dies nicht dem hier gefundenen Ergebnis. Denn die „Mo“ war zu jenem Zeitpunkt weder hochseetauglich noch wurde sie auf der hohen See fortbewegt, vielmehr befand sie sich auf Binnengewässern. Deshalb schloss das Schiffahrtsobergericht Nürnberg nicht die sachliche Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts nach § 2 Abs. 1 Satz 2 BinSchVerfG aus. Der Kasko kann - ad hoc - ein (Binnen-)Schiff sein, ohne - seiner Endbestimmung gemäß bereits - Seeschiff zu sein.
Soweit in der Literatur zusätzlich zu den genannten höchstrichterlichen Kriterien zur Definition eines Schiffes noch verlangt wird, dass der bestimmungsgemäße Verwendungszweck des Hohlkörpers sein muss, dass er Personen oder Sachen trägt (Schwampe, a.a.O., Teil 7, Rdnr. 519), ist dem im vorliegenden Fall Genüge getan. Die Beklagte trägt selbst vor, dass der Kasko während der Fahrt mit 1.000 t Ballastwasser gefüllt war.
Das Fahrzeug (der Kasko) wurde „mitgenommen“ im Sinne der geschriebenen Versicherungsbedingung. Unter „Mitnahme“ versteht man insbesondere die Fortbewegung im Schubverband, der - wie hier - auch durch seitliche Kuppelung entstehen kann (vgl. § 1 Buchst. c und f Europäische Schubbedingungen 2007).
bb) Versicherungsschutz nach AVB-Flusskasko besteht unabhängig davon, wie der Vertrag, aufgrund dessen der Kasko transportiert wurde, einzustufen ist. Es kommt insoweit in Betracht, dass der Schubvertrag (o.ä.) die Natur eines Werk-, Dienst-, Fracht- oder sonstigen Transportvertrags hat. Auf diesen Vertrag kann deutsches oder ausländisches nationales oder gegebenenfalls auch internationales Recht anwendbar sein (vgl. Schmidt, VersR 2013, 418, 419, 421, auch zu dem von den Parteien diskutierten Art. 1 Nr. 7 CMNI). Eine versicherungsrechtliche Relevanz hat dies im vorliegenden Zusammenhang allerdings nicht.
cc) Ein Ausschluss des Versicherungsschutzes ergibt sich nicht aus 4.8 AVB-Flusskasko. Denn der Kasko „Mo“ befand sich nicht „an Bord“ des primär versicherten Schiffes „M“; er befand sich vielmehr seitlich, also „neben Bord“ des versicherten Schiffes (s. Schmidt, VersR 2013, 418, 429).
Soweit Ziff. 10 der geschriebenen Bedingungen zur Klarstellung von 4.8 AVB-Flusskasko auf „Schäden an der Ladung des eigenen Schiffes“ abstellt, greift auch dieser Ausschluss nicht. Zwar können auch Schiffe selbst Ladung eines anderen Schiffes sein und dies kann auch gelten, wenn ein Schiff das andere schiebt oder schleppt (vgl. Schmidt, VersR 2013, 418, 426).
Aus dem Gesamtkontext der hier verwendeten Versicherungsbedingungen ergibt sich jedoch, dass Ziff. 3 Abs. 4 der geschriebenen Bedingungen spezieller ist als Ziff. 10 dieser Bedingungen. Ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer darf das Zusammenspiel der Klauseln so verstehen, dass Versicherungsschutz auch dann gewährt wird, sofern die Ladung - wie hier - aus einem geschobenen oder mitgenommenen sonstigen fremden Fahrzeugen besteht. Denn sonst würde Ziff. 10 der geschriebenen Bedingungen dem Versicherungsnehmer regelmäßig oder sogar immer das nehmen, was Ziff. 3 Abs. 4 ihm gibt.
dd) Die Beklagte ist nicht gemäß § 137 VVG bzw. Ziff. 3.2.1.1. AVB-Flusskasko leistungsfrei geworden.
Nach der genannten gesetzlichen Regelung, die § 81 VVG ähnelt, aber das Alles-oder-nichts-Prinzip beibehielt, ist der Versicherer nicht zur Leistung verpflichtet, wenn der Versicherungsnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig den Versicherungsfall herbeiführt.
Durch Ziff. 3 Abs. 1 S. 1 der geschriebenen Bedingungen wurde insoweit zu Gunsten des Versicherungsnehmers die zum Anspruchsverlust führende Schuldform auf Vorsatz beschränkt. Diese Klausel kann insbesondere nicht so verstanden werden, dass entgegen ihrem Wortlaut nicht allgemein „fahrlässig“, sondern speziell nur „leicht fahrlässig“ verursachte Schäden mitversichert seien. Es ist nicht veranlasst, die Klausel entgegen ihrem Wortlaut und entgegen der üblichen Verwendung des Begriffs in der Rechtssprache zu Gunsten des Verwenders der Klausel und zu Lasten des Versicherungsnehmers auszulegen (vgl. Prölss in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, Vorbem. III, Rdnr. 10).
Es spielt insoweit keine Rolle, welche Klauselgestaltung angeblich marktüblich ist. Wie bereits oben ausgeführt wurde, finden zwar im Rahmen der Ersatz-an-Dritte-Haftung die allgemeinen Vorschriften über die Haftpflichtversicherung keine Anwendung, obwohl es sich insoweit in der Sache um eine Haftpflichtversicherung handelt. Es bleibt aber dem Verwender der AGB unbenommen, zu Gunsten des Versicherungsnehmers doch einzelne Bestimmungen auf das Transportversicherungsrecht zu übertragen. So wurde hier offensichtlich der Sache nach § 103 VVG übernommen, der im allgemeinen Haftpflichtversicherungsrecht ebenfalls die Leistungsfreiheit auf Fälle der vorsätzlichen Herbeiführung des Versicherungsfalles beschränkt (vgl. Gerhard in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 6, Rdnr. 633). Warum der Rekurs auf allgemeines Haftpflichtversicherungsrecht marktunüblich sein soll, ist unerfindlich.
Konkrete Anhaltspunkte für eine vorsätzliche Herbeiführung des Versicherungsfalls bestehen nicht. Im Wesentlichen spricht auch die Beklagte lediglich von einem „grob fahrlässigen Organisationsverschulden“, was aber irrelevant wäre.
Selbst wenn man insoweit - was nicht nachvollziehbar durch die Beklagte begründet wird, sondern nur als Möglichkeit in den Raum gestellt wird - ein bedingt vorsätzliches Organisationsverschulden dergestalt unterstellt, dass mit der vorhandenen Ausrüstung und Mannschaft der fragliche Transport überhaupt nicht hätte übernommen werden dürfen, sind die Voraussetzungen für die Leistungsfreiheit dennoch nicht dargetan.
Denn das Fehlverhalten müsste für den Schaden kausal geworden sein. Ist der Schaden auf mehrere adäquate Ursachen zurückzuführen, so ist - auch in Hinblick auf ein Unterlassen (OLG Hamburg, VersR 87, 354) - auf die „causa proxima“ (mit hoher Wahrscheinlichkeit wirksamste, erheblichste Ursache) abzustellen (BGH, VersR 2002, 845; VersR 1971, 1056; OLG Karlsruhe, Urt. 02.09.1994 - 15 U 249/93, TranspR 1994, 446; Koller in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, § 137 Rdnr. 2). Die Causa-proxima-Regel ist eine Abweichung von der sonst im bürgerlichen Recht geltenden Adäquanzlehre (s. Schwampe in Hartenstein/Reuschle, Transport- und Speditionsrecht, 2. Auflage, 2012, Kapitel 18, Rdnr. 11). Die Beweislast für die Kausalität des Fehlverhaltens und das Setzen der causa proxima trägt der Versicherer (BGH VersR 82, 381; 2002, 845).
Die Beklagte verweist mehrfach im hiesigen Zusammenhang auf die Klageschrift im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt. Dort ist indessen unter Erwähnung eines Berichts des Havariekommissars und der Staatlichen Schifffahrtsverwaltung Bratislava ausgeführt, dass es eine Vielzahl von Schadensursachen gegeben habe (Unterlassen der Funkverbindung; fehlende Festlegung des Steuermanns bezüglich der Begegnungsseite; Nichtfesthalten am linken Rand der Fahrrinne durch den Steuermann; nicht ausreichende Besatzung und Ruhezeiten; unzureichende Abdeckung der Radaranlage des Schiffs „M“ für den Gesamtverband).
Damit sind mehrfach Unfallursachen angesprochen, die ein Verhalten der Schiffsbesatzung bei der Führung des Schiffes betreffen, insbesondere auch nautisches Versagen. Gemäß § 137 Abs. 2 VVG hat die Klägerin indes solches Verhalten (selbst des Schiffsführers) nicht zu vertreten (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 02.06.1981, U 15/80 Sch, VersR 1983, 74). Angesichts der Vielzahl der Schadensursachen und ihres Zusammenwirkens hat die Beklagte zuletzt zwar vorgetragen, was die causa proxima war, aber nicht - bzw. allenfalls durch Vorlage eines nicht ergiebigen Lichtbildes, also unzureichend - Beweis hierfür angeboten.
ee) Leistungsfreiheit ergibt sich auch nicht wegen Fahruntüchtigkeit i.S.d. Ziff. 3.2.1.2 AVB-Flusskasko.
Nach § 138 VVG kommt es nur auf die Fahruntüchtigkeit im Zeitpunkt des Antritts der Reise an. Diese Regelung ist jedoch hier wirksam abbedungen. Das Schiff muss also während der gesamten Reise fahrtüchtig sein.
Den Versicherer trifft die Beweislast für die objektive Fahruntüchtigkeit des Schiffs. Der Versicherer muss auch die Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit für den Schaden beweisen, und zwar nach der genannten causa-proxima-Regel. Beweist allerdings der Versicherer die Fahruntüchtigkeit und scheiden andere Ursachen aus, dann wird meist der Schluss auf die Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit nahe liegen (vgl. Koller in Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 28. Aufl., 2010, Ziff. 3 AVB-Flusskasko Rdnr. 19 und 21).
Die Fahruntüchtigkeit führt nicht zu einem objektiven (verschuldensunabhängigen) Risikoausschluss. Vielmehr liegt ein subjektiver Risikoausschluss bzw. eine verhüllte Obliegenheit vor (vgl. BGH VersR 2000, 969; Koller, a.a.O., Rdnr. 22). Die Beweislast für das fehlende Vertretenmüssen trifft insoweit den Versicherungsnehmer (vgl. Schwampe in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 6, Rdnr. 220). Im vorliegenden Fall würde es wegen Ziff. 3 Abs. 1 S. 1 der geschriebenen Bedingungen ausreichen, wenn die Klägerin nachweist, dass sie nicht vorsätzlich gehandelt hat.
Soweit es die unzureichende Bemannung angeht, hat die Beklagte Beweis für die maßgebliche Ursächlichkeit der Fahruntüchtigkeit für den Schaden nicht angetreten. Vielmehr hat die Klägerin unter gegenbeweislicher Benennung des Schiffsführers als Zeugen vorgetragen, dass die erst im Laufe der Fahrt eingetretene, der Klägerin unbekannte (also auch unvorsätzliche) Unterbesetzung deshalb nicht ursächlich geworden sei, weil vor und während der Havarie tatsächlich ein Ausguck ausgestellt worden sei.
Auch hinsichtlich der angeblich unzureichenden Ausrüstung, insbesondere der (nach dem Beklagtenvortrag vorhandenen, aber nicht den gesamten Schubverband erfassenden) Radaranlage hat die Beklagte nicht vorgetragen, dass es sich insoweit um die causa proxima handelt, obwohl auch nautisches Versagen im Raume steht. Im Übrigen ist auch nicht vorgetragen und ersichtlich, dass die Klägerin die unzureichende Radarabdeckung erkannt hat.
Soweit es die angeblich fehlenden „Papiere“ angeht, kommt eine Ursächlichkeit für den Schadenseintritt schwerlich in Betracht und ist auch nicht vorgetragen. Die angeblich fehlende Bewilligungsinhaberschaft und Auflagenerfüllung bezüglich der österreichischen „Fahrterlaubnis für Sondertransporte“ kann sich schon deshalb nicht ausgewirkt haben, weil dieser Bescheid nur die Fahrt auf österreichischem Staatsgebiet betrifft und die Havarie noch auf slowakischem Gebiet erfolgte. Im Übrigen ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang und der Aufzählung der im Einzelnen erforderlichen Papiere in Ziff. 3.2.1.2 Sp.str. 2 AVB-Flusskasko („Attest“ oder „Klasse“), dass mit „Papieren“ nur jene gemeint sein können, die sich auf die Fahrtüchtigkeit des Schiffes beziehen (vgl. auch Brunn, AVB Flusskasko 1992, S. 29), nicht jedoch fahrtbezogene Genehmigungen.
b) Aus den genannten Gründen ist auch Deckungsschutz bezüglich der Schäden am GMS „V“ zu gewähren.
Anders als vom Landgericht angenommen, muss in den Tenor der Entscheidung nicht aufgenommen werden, inwieweit die vereinbarten und unstreitigen Versicherungsbedingungen Einschränkungen des Versicherungsschutzes der Höhe nach vorsehen. Richtig ist zwar, dass insbesondere in den „geschriebenen Bedingungen“ unter Verweis auf das Straßburger Übereinkommen eine Beschränkung des Versicherungsschutzes der Höhe nach vorgesehen ist. Es würde jedoch den Tenor der Entscheidung überfrachten und es erscheint auch überflüssig, Deckungshöchstgrenzen, soweit sie unstreitig sind, in der Entscheidungsformel zu erwähnen.
c) Deckungsschutz für die Prozesskosten im Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt (Neubaukasko „Mo“) ist nicht zu gewähren.
Der Deckungsanspruch folgt nicht aus § 101 VVG. Diese Bestimmung legt fest, dass in der Haftpflichtversicherung gem. § 100 VVG auch die Kosten der gerichtlichen und außergerichtlichen Verteidigung gegen einen von einem Dritten geltendgemachten Anspruch von der vom Haftpflichtversicherer zugesagten Deckung umfasst sind. Anders verhält es sich bei der hier in Rede stehenden Transportversicherung gem. §§ 130 ff. VVG. Bereits oben wurde ausgeführt, dass im Rahmen der „Ersatz-an-Dritte-Deckung“ (§ 130 Abs. 2 S. 2 VVG) die §§ 100 ff. VVG nicht anwendbar sind (Gerhard in Thume/de la Motte/Ehlers, Transportversicherung, 2. Aufl., 2011, Teil 6, Rdnr. 628). Rechtsschutz und Übernahme von Prozesskosten sind in der Transportversicherung für Haftpflichtfälle nicht vorgesehen. Sie haben mit dem versicherten Interesse nichts zu tun und gehören weder zum Schaden noch - an sich - zu dessen Ermittlung, sondern werden aufgewendet, um eine Entscheidung darüber zu erzielen, ob eine Ersatzpflicht vorliegt (RGZ 38, 55; 115, 165; Senat, Urteil vom 27. Juni 1996 – 12 U 313/94 –,VersR 1997, 737 ff.).
Für die genommene Flußkaskoversicherung ergibt sich aus den Besonderen Vereinbarungen und den einbezogenen Versicherungsbedingungen nichts anderes. Anders als die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausführen ließ, ergibt sich eine solche Vereinbarung auch nicht aus Ziff. 3 Abs. 4 der geschriebenen Bedingungen. Denn dort wird nur auf die „Ersatz-an-Dritte-Haftung“, also nur auf das transportspezifische, nicht auf das allgemeine Haftpflichtversicherungsrecht und damit nicht auf § 101 VVG verwiesen.
Dies bedeutet zum einen, dass bei einem gegebenen Deckungsanspruch aus der von der Flusskaskoversicherung umfassten Haftpflichtversicherung ein Anspruch auf Übernahme von Prozesskosten nicht von selbst entsteht. Andererseits aber ist ein Anspruch auf Kostenübernahme, der aus anderen Gründen herrührt, auch nicht unmittelbar mit dem Bestand des versicherungsvertraglichen Deckungsanspruchs verknüpft.
Ein solcher besonderer Rechtsgrund für die Übernahme von Prozesskosten kann aus Erklärungen des Versicherers, an die sich der Versicherungsnehmer gebunden halten muss, herrühren. Hierzu bedarf es weder eines ausdrücklichen Auftrags noch einer Weisung des Versicherers. Es genügt vielmehr, dass der Versicherer den Willen äußert, die Haftpflichtfrage solle im Prozess geklärt werden. Allein hieraus ergibt sich für den Versicherungsnehmer die Verpflichtung, den Prozess zu übernehmen mit der Folge, dass der Versicherer die Kosten zu tragen hat, soweit der Rechtsstreit sein Interesse berührt. Entspricht es dem Wunsch des Versicherers, eine Entscheidung darüber herbeizuführen, ob eine Ersatzpflicht vorliegt, so muss der Versicherte eine solche regelmäßig herbeiführen, selbstverständlich jedoch auf Kosten des Versicherers (RGZ 38, 55).
Ein derartiger Sachverhalt ist bezüglich des Verfahrens vor dem Landgericht Frankfurt nicht anzunehmen. Anders als bezüglich des Würzburger Verfahrens erfolgte auch keine Deckungszusage bezüglich der Prozesskosten.
4. Vorgerichtliche Anwaltskosten bezüglich des vorliegenden Deckungsprozesses können ebenfalls nicht verlangt werden. Die vorgelegte Mahnung und die Leistungsablehnung erfolgten zu einem Zeitpunkt, als der klägerische Anwalt bereits eingeschaltet war und die vorgerichtlichen Gebühren bereits verdient hatte; deshalb können diese Kosten nicht unter dem Verzugsgesichtspunkt verlangt werden (Palandt, BGB, 72. Auflage, 2013, § 286, Rdnr. 44 m.w.N.).
Die gemäß § 524 ZPO zulässige Anschlussberufung der Beklagten ist nur zu einem geringen Teil begründet.
Aus obigen Ausführungen ergibt sich, dass sich die Beklagte nicht dagegen erwehren kann, dass sie teilweise (insbesondere bezüglich des Schadens am Schiff „V“) bereits durch das Landgericht verurteilt wurde, da sie in der Hauptsache sogar noch weitergehend zu verurteilen war.
Erfolg hat die Anschlussberufung, soweit sie sich gegen die erstinstanzliche teilweise Verurteilung wegen vorgerichtlicher Anwaltskosten wendet (s.o., II.A.4.).
III.
…
Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 ZPO zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die entscheidungserhebliche geschriebene Versicherungsbedingung findet bundesweit Anwendung (vgl. Schmidt, VersR 2013, 418, 425) und in einer Vielzahl von Binnenschifffahrtsfällen stellt sich die Frage, inwieweit Haftpflichtversicherungsschutz wegen Beschädigung der im Schubverband mitgenommenen, ggf. „geladenen“ Fahrzeuge besteht und was genau unter einem „Fahrzeug“ zu verstehen ist.
Anmerkung von Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer, Frankfurt am Main:
Die vorliegende Entscheidung ist von großem Interesse für die Abgrenzung der spezifisch schifffahrtsrechtlichen Kaskodeckung zur ergänzenden TuH- oder P&I-Versicherung.
Die Rechtsnatur eines Vertrages, mit dem sich ein schiebendes oder schleppendes Schiff ver-pflichtet, einen Leichter oder – vor allem in jüngster Zeit nach der Öffnung des Donauraumes – Neubaukaskos über Binnenwasserstraßen zu transportieren, wird seit vielen Jahrzehnten gestritten. Nach einer grundlegenden Entscheidung des Schifffahrtsobergerichtes Nürnberg (Urteil vom 20. Dezember 2007, ZfB 2009, Sammlung Seite 2024 ff), ist intensiv die Frage diskutiert worden, ob ein geschobener Leichter oder auch ein Neubaukasko als Ladung im Sinne eines Frachtvertrages anzusehen ist. Dies spielt für die Haftung eine entscheidende Rol-le; nach Frachtrecht besteht eine Obhutshaftung für Schäden an der transportierten Ladung, also des geschobenen Schiffes, nach Werkvertrags- oder Deliktsrecht wird dagegen nur für Verschulden gehaftet. In der Literatur ist dazu die Auffassung vertreten worden, dass im Zweifel ein Frachtvertrag vorliege (Schmidt, VersR 2013, 418 ff).
Neben der haftungsrechtlichen Seite ist diese Frage auch von entscheidender Bedeutung für die Deckung im Rahmen der bestehenden Versicherungen. Traditionell schließt die Kaskoversicherung für Binnenschiffe Schäden an der transportierten Ladung aus. Kommt es durch ei-nen Fehler der Besatzung des schiebenden Schiffes zu einem Schaden am geschobenen Schiff, so ist dieser Schaden nach der zitierten Auffassung (Schmidt/SchOG Nürnberg) an sich nicht im Rahmen der Kaskopolice gedeckt. Das Ladungsschadenrisiko ist in der Regel im Rahmen einer TuH-Deckung oder eine P&I-Deckung versichert, möglicherweise aber nur, solange die Ladung sich im Schiff befindet. Daher besteht für das schiebende Schiff möglicherweise eine Deckungslücke mit ganz erheblichem Schadenspotenzial, obwohl das schiebende Schiff eine Kasko- und eine TuH- oder P&I-Deckung hat; es könnte sein, dass Schäden am geschobenen Schiff unter keiner der beiden Policen gedeckt sind.
Insbesondere im Hinblick auf den Betrieb von Schubverbänden enthalten viele Kaskoversicherungen aber eine geschriebene Bedingung, in der geschobene Leichter oder Fahrzeuge mitversichert sind. Das OLG Karlsruhe hat in der vorliegenden, äußerst sorgfältig begründeten Entscheidung entschieden, dass diese geschriebene Bedingung spezieller ist und dem Deckungsausschluss für Ladungsschäden vorgeht. Dies verschiebt das Risiko für Schäden an geschobenen Schiffen vom TuH- oder P&I-Versicherer auf den Kaskoversicherer.
Die Ausführungen zur objektiven Fahruntüchtigkeit und groben Fahrlässigkeit sind sorgfältig begründet und liegen auf der Linie der jüngsten Rechtsprechung, sind insoweit nicht überraschend. Sehr deutlich wird auch die Bedeutung der causa-proxima-Regel herausgestellt.
Weniger überzeugend sind die Ausführungen zur Ersatzpflicht der Kosten von Vorprozessen. Zwar ist die Kaskoversicherung keine Rechtsschutzversicherung, verweigert aber der Versicherer – wie im vorliegend entschiedenen Fall – die Deckung, so hat der Versicherungsnehmer wohl keine andere Chance, als sich einem Haftpflichtprozess auszusetzen. Dies liegt – solange die Deckungsfrage nicht definitiv geklärt ist – auch dann im Interesse des Haft-pflichtversicherers, wenn er sich zur Haftung nicht geäußert hat. Nicht nur der Versiche-rungsnehmer, sondern auch – vor allem, sobald die Deckung feststeht – der Haftpflichtversi-cherer müssen daran interessiert sein, dass der Versuch unternommen wird, Haftpflichtan-sprüche mit Hilfe der Gerichte abzuwehren. Dies fällt ohne Zweifel unter die Schadenabwendungskosten nach Ziffer 27.1.1. der AVB-Flusskasko 2008.
Daher erscheint es dem Unterzeichner sachgerecht, wenn der Haftpflichtversicherer in jedem Falle auch die Prozesskosten der Abwehr einer Haftpflichtforderung des Geschädigten zu tragen hat. Dies muss unabhängig davon gelten, ob der Versicherer einen Willen hinsichtlich eines Haftpflichtprozesses geäußert hat oder nicht. Solange er mit einer Deckungszusage nicht das Risiko übernimmt, muss er die nach vernünftigen Kriterien gefällten Entscheidungen des Versicherungsnehmers über Prozess oder Nichtprozess akzeptieren und die Kosten übernehmen.
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2013 - Nr.9 (Sammlung Seite 2241ff.); ZfB 2013, 2241 ff.