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Leitsätze:
1) Die Festfrachtenregelung benachteiligt inländische nicht gegenüber ausländischen Binnenschifffahrtsunternehmen und verletzt daher auch nicht den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz. Ebenso rechtfertigt auch die Möglichkeit, diese wirtschaftsrechtliche Regelung durch Manipulation und Scheingeschäfte zu umgehen, nicht die Feststellung einer Verfassungswidrigkeit.
2) Die Ausrüstereigenschaft genügt nicht für die Feststellung eines Werkverkehrs im Sinne des § 5 BiSchVerkG.
Urteil des Landgerichts - Kammer für Handelssachen in Mannheim
vom 2. August 1976
Zum Tatbestand:
Die Beklagte zu 2 tätigte, als sie noch rechtlich unselbständige Zweigniederlassung einer Reederei - Beklagte zu 1 - war, Handelsgeschäfte mit Kies und Baustoffen bei getrennter Buchhaltung und Betriebsabrechnung. Die damalige WSD Duisburg - Klägerin - stellte bei einer Betriebsprüfung im Jahre 1974 fest, dass im Mai und Juni 1973 die Zweigniederlassung mit fremden Schiffen, nämlich der o.H.G. S., Baustofftransporte hatte durchführen lassen und dabei Provisionen in Höhe von ca. 13 700,- DM vom Festfrachtentgelt für sich abgezogen hatte.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten aus gesetzlich übergegangenem Recht gemäß § 31 Abs. 3 BiSchVerkG Zahlung des zu Unrecht einbehaltenen Provisionsbetrages.
Die Beklagten machen geltend, das Festfrachtsystem benachteilige die inländische Binnenschifffahrt gegenüber ausländischen Konkurrenten, die nicht kontrolliert würden; die Regelung, die im oberrheinischen Kiesverkehr auch in sonstiger Weise, z. B. durch Vortäuschung von grenzüberschreitenden, mithin freien Transporten, manipuliert werde, sei wegen Verletzung des Gleichheitsgrundsatzes daher verfassungswidrig. Außerdem gelte sie nicht für den Werkverkehr, um den es sich bei der Beklagten zu 2 gehandelt habe; denn diese sei Ausrüsterin der Schiffe der o.H.G. S. gewesen. Auch liege Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit im Sinne des § 31 Abs. 3 BiSchVerkG nicht vor.
Das Landgericht hat die Beklagten antragsgemäß verurteilt. Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung rechtskräftig geworden.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Die Festfrachtenregelung verstößt nicht gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Entgegen der Darlegungen der Beklagten belastet diese Regelung nicht einseitig die inländischen Binnenschifffahrtsunternehmen und benachteiligt sie nicht gegenüber den ausländischen Binnenschifffahrtsunternehmen. Zwar können die Frachtprüfer der Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Frachtprüfungen nicht auf ausländischem Territorium ausführen. Dennoch bestehen auch gegenüber den ausländischen Binnenschifffahrtsunternehmen Überwachungsmöglichkeiten. Nach § 31 a BiSchVG können die Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Frachtprüfungen nicht nur bei den Schifffahrtsunternehmen selbst durchführen, sondern auch bei allen Firmen, die am Zustandekommen eines Vertrages über eine Verkehrsleistung und dessen Durchführung beteiligt sind, also auch bei den Verladern und Empfängern der Ware. Die Klägerin hat erklärt, dass solche Frachtprüfungen tatsächlich auch bei Verladern und Empfängern von Waren stattfinden.
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Soweit die Beklagten schließlich darauf abheben, dass es zahlreiche Manipulationsmöglichkeiten insbesondere bei den Kiestransporten vom Oberrhein gibt - sie verweisen u. a. darauf, dass am Oberrhein verschiedentlich bei inländischen Schiffstransporten von Kies, Sand und Splitt ein von der Festfrachtenregelung freier grenzüberschreitender Transport nur vorgetäuscht werde, während in Wirklichkeit dann in einem elsässischen Hafen bloß die Papiere ohne jede Umladung getauscht würden - stützt auch dies nicht die Annahme einer gesetzlichen Ungleichbehandlung. Diese Manipulationsmöglichkeiten stehen selbstverständlich auch inländischen Binnenschifffahrtsunternehmen offen. Selbstverständlich rechtfertigt im übrigen die rein tatsächliche Möglichkeit, gegen eine wirtschaftsrechtliche Regelung zu verstoßen, sie insbesondere durch Manipulationen und Scheingeschäfte zu umgehen, nicht den Schluss, diese Regelung verstoße deshalb gegen den Gleichheitssatz. Würde das zutreffen, was die Beklagten meinen, dann wären alle diejenigen wirtschaftsrechtlichen Regelungen verfassungswidrig, durch deren Verstoß der Gesetzesbrecher einen Vorteil erlangt. Die bloß tatsächliche Ungleichbelastung von Gesetzesbrechern und Gesetzestreuen ist noch kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG. Soweit die Beklagten in ihrem letzten Schriftsatz vom 26. 7. 1976 in beredten und eindrucksvollen Worten das Los der Partikuliere beklagen, die gerade wegen der Tarifverstöße keine ausreichend hohen Frachten mehr erreichen ist dies zwar verdienstvoll, kann jedoch den Standpunkt der Beklagten nicht rechtfertigen, denn die Beklagten führen dies zur Rechtfertigung der Tatsache an, dass sie selbst die Frachtsätze der von ihnen beauftragten Partikuliere unter die Tarifhöhe gedrückt haben. Was die Beklagten vortragen, rechtfertigt gerade im Gegenteil die Aufrechterhaltung der Festfrachtenregelung, damit den Partikulieren ein ausreichender Verdienst bleibt.
Im fraglichen Zeitraum vom 1. 5. 1973 bis 31. 7. 1973 war die Niederlassung ... rechtlich gegenüber der Erstbeklagten nicht selbständig. Erst später wurde diese Niederlassung durch eine gesellschaftsrechtliche Neugründung ... zu einer rechtlich selbständigen Firma. Bezüglich der Geschäfte, welche die Frachtprüfer der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Duisburg beanstandet haben, konnte daher die Erstbeklagte nicht die Stellung einer Hauptfrachtführerin erlangen. Nur wenn sie Hauptfrachtführerin nach § 42 HGB gewesen wäre, hätte sie Provision einbehalten können.
Vergeblich versuchen die Beklagten auch, die beanstandeten Transporte als Werkverkehr auszugeben. Nach herrschender Rechtsauffassung genügt es für den Begriff Werkverkehr nicht, dass das fragliche Binnenschifffahrtsunternehmen sich Schiffe gechartert hat oder Ausrüster der Schiffe ist, mit denen die Transporte durchgeführt werden (Kählitz, Komm. zum Gesetz über den gewerblichen Binnenschifffahrtsverkehr, § 5 Rn. 4); erforderlich ist vielmehr, dass der Transport mit Schiffen durchgeführt wird, die im Eigentum des Schifffahrtsunternehmens stehen. Letztlich kann diese Frage jedoch dahingestellt bleiben, weil Ausrüster der Schiffe der OHG unstreitig nicht die Erstbeklagte, sondern die von der Erstbeklagten rechtlich selbständige Firma X in Duisburg Ruhrort ist.
Den Beklagten ist bezüglich der Abweichung von den Festfrachtsätzen auch Vorsatz oder mindestens grobe Fahrlässigkeit gemäß § 31 Abs. 3 BiSchVG vorzuwerfen.
Wiederholt war in Veröffentlichungen darauf hingewiesen worden, dass Reedereien beim Transport eigener Waren mit fremden Schiffen keine Provision einbehalten dürfen, so z. B....
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Dennoch haben die Beklagten ihre Praxis fortgesetzt.
Angesichts der aufgeführten zahlreichen Veröffentlichungen liegt es auf der Hand, und es kann davon ausgegangen werden, dass die Beklagten die Unzulässigkeit der Einbehaltung von Provisionen kannten und eine etwaige Unkenntnis der beauftragten Partikuliere grob fahrlässig war. Sollten indessen die beauftragten Partikuliere die Errechnung der gesetzlich zulässigen Frachtsätze durch die Beklagte nicht überprüft, sondern den Beklagten überlassen haben, so müssen sie sich die Kenntnis der Beklagten nach § 166 BGB zurechnen lassen (Urteil des Hanseatischen OLG vom 10. 5. 1973 - VI U 160/161/162; Urteil des Landgerichts Hamburg vom 12. 10. 1973 - 111 0 47/73).
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