Jurisprudentiedatabank
Leitsätze:
1) Ein Kaufvertrag über ein eingetragenes Binnenschiff bedarf zu seiner Wirksamkeit nicht der notariellen Form; die Unverbindlichkeit der noch nicht in notarieller Form abgegebenen sachenrechtlichen Einigungserklärung (§ 3 Abs. 2 SchRG) ist für die Verbindlichkeit des privatschriftlichen Kaufvertrages ohne Belang.
2) Zum Erfordernis der Zustimmung des Ehegatten zu einem Binnenschiffskaufvertrag gemäß §§ 1365, 1366 BGB.
3) Ein Kaufvertrag überein eingetragenes Binnenschiff ist kein Vertrag im Sinne des § 311 BGB, auch wenn das Schiff das Vermögen des Verkäufers im wesentlichen ausmacht.
Urteil des Landgerichts Osnabrück
vom 18.4. 1991
10 0 52/91
mit Anmerkung von Rechtsanwalt Burkhard Klüver, Bremen.
Zum Tatbestand:
Die Parteien hatten am 20. 12. 1990 einen schriftlichen Kaufvertrag abgeschlossen. Darin verkauft der Verfügungsbeklagte sein MTS „HANS" an den Verfügungskläger. Übergabe sollte am 31.3. 1991 erfolgen. Nachdem der Verfügungsbeklagte im Februar 1991 erklärt hatte, er werde den Kaufvertrag nicht erfüllen, und hierzu die Auffassung vertreten hatte, dieser sei mangels notarieller Beurkundung unwirksam, erwirkte der Verfügungskläger am 27. Februar 1991 eine einstweilige Verfügung des Landgerichts, in der angeordnet wurde, eine Vormerkung zur Sicherung des Eigentumsübertragungsanspruches des Verfügungsklägers in das zuständige Binnenschiffsregister einzutragen. Der hiergegen eingelegte Widerspruch des Verfügungsbeklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Nach dem Ergebnis des Rechtfertigungsverfahrens ist die einstweilige Verfügung vom 27.2. 1991 zu Recht erlassen worden, denn derVerfügungsbeklagte hat keine Einwände gegen die Wirksamkeit des Kaufvertrages vom 20. 12. 1990 glaubhaft machen können, aus welchem sich der durch die einstweilige Verfügung gesicherte Erfüllungsanspruch des Verfügungsklägers ergibt.
Seine vorprozessual vertretene Auffassung, bereits der schuldrechtliche Kaufvertrag über ein eingetragenes Schiff bedürfe zu seiner Wirksamkeit der notariellen Form, hatder Verfügungsbeklagte im Rechtfertigungsverfahren nicht wiederholt. Sie ist auch nicht zutreffend; ( ... ).
Der Vertrag bedurfte aber auch dann nicht gemäß §311 BGB der notariellen Form, wenn das ( . . ) MTS ,HANS' der einzige Vermögensgegenstand des Verfügungsbeklagten sein sollte. Nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergreift sie nur solche Vereinbarungen, die sich ausdrücklich auf die Übernahme eines ganzen Vermögens ,in Bausch und Bogen' beziehen; der vorliegende Kaufvertrag verhielt sich aber eindeutig nur über ein Schiff.
Auch ein Genehmigungserfordernis gemäß § 1365 BGB wurde vom Verfügungsbeklagten nicht substantiiert vorgetragen. Selbst wenn er tatsächlich mit seiner durch Tatsachenvortrag nicht hinreichend substantiierten Auffassung Recht haben sollte, daß das MTS ‚HANS' bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sein gesamtes Vermögen darstellte, hätte dieses dem Vertragspartner anläßlich des Vertragsschlusses am 2(1.12. 1990 bekannt sein müssen, um ein Genehmigungserfordernis herbeizuführen. Eine solche Kenntnis wird vom Verfügungsbeklagten aber selbst nicht einmal behauptet. Die nachträgliche Kenntnis im Laufe dieses Verfahrens würde ein Genehmigungserfordernis für das noch abzuschließende Erfüllungsgeschäft nicht entstehen lassen, da dieses bei Abschluß des Verpflichtungsgeschäftes mangels Kenntnis nicht bestand (vgl. BGH NJW 1989, 1609).'
Anmerkung:
Das vorstehende Urteil befaßt sich mit einigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem Verkauf von Binnenschiffen, die in der Praxis immer wieder aufgeworfen werden, und beantwortet sie kurz und zutreffend.
1. § 3 Abs. 2 SchRG bestimmt, daß die Beteiligten vor der Eintragung des Eigentumsübergangs an die erklärte Einigung, daß das Eigentum übergehen soll, nur gebunden sind, wenn die Erklärungen notarisch beurkundet, vor dem Registergericht abgegeben oder bei diesem eingereicht sind. Dementsprechend kann praktisch kein Kaufvertrag über ein eingetragenes Binnenschiff ohne notarielle Beteiligung durchgeführt werden (von der Möglichkeit, die Einigungserklärung direkt vor dem Registergericht abzugeben, wird so gut wie kein Gebrauch gemacht). Hierauf ist es zurückzuführen, daß in Binnenschiffahrtskreisen häufig die Ansicht anzutreffen ist, der Kaufvertrag über ein eingetragenes Binnenschiff bedürfe zu seiner Wirksamkeit der notariellen Form, und ein ohne diese Form abgeschlossener Vertrag verpflichte den die Erfüllung verweigernden Verkäufer allenfalls zum Schadenersatz.
Dieser verbreiteten Ansicht bereitet das Landgericht Osnabrück mit einem Halbsatz ein Ende („Sie ist auch nicht zutreffend;") und verweist zur Begründung auf die Argumentation des Verfügungsklägers, die hier etwas vertieft wiedergegeben werden soll.
Mit Abschluß des Kaufvertrages verpflichtet sich der Verkäufer, die Kaufsache zu übereignen, und der Käufer verpflichtet sich, den vereinbarten Kaufpreis zu entrichten; § 433 BGB. Erst in Erfüllung des Kaufvertrages wird sodann der Kaufgegenstand übereignet, wobei die Übereignung, nämlich die Einigung, daß das Eigentum vom Verkäufer auf den Käufer übergehen soll, das Verfügungsgeschäft darstellt. Im täglichen Leben, insbesondere beim Barverkauf, fallen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zeitlich zusammen. Die Trennung wird aber schon dann deutlich, wenn nach dem Abschluß des Kaufvertrages („Bestellung") die Ware auf Kredit geliefert wird und der Verkäufer sich das Eigentum bis zur vollständigen Bezahlung vorbehält. Noch deutlicher wird die Trennung zwischen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft, wenn — wie z. B. beim Neuwagenkauf — der Kaufgegenstand zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch gar nicht existiert, also auch das Eigentum daran noch nicht übertragen werden kann.
Aus dieser strikten Trennung folgt, daß jedes dieser beiden Geschäfte sein eigenes juristisches Schicksal hat, und daß insbesondere die Unwirksamkeit oder Unverbindlichkeit des einen Geschäftes nicht zwangsläufig auch die Unverbindlichkeit oder Unwirksamkeit des anderen Geschäftes zur Folge hat. Auch gelten Formvorschriften nur für dasjenige Geschäft, für welches sie aufgestellt worden sind. In unserem Fall besteht eine Formvorschrift, nämlich die des § 3 Abs. 2 SchRG nur für das Verfügungsgeschäft, also die Einigungserklärung, nicht aber für den dieser Einigungserklärung zugrundeliegenden Kaufvertrag.
Konsequenz der vollen Wirksamkeit eines ohne notarielle Beteiligung abgeschlossenen Kaufvertrages über ein eingetragenes Binnenschiff ist, daß der Verkäufer verpflichtet ist, das Schiff entsprechend den Vorschriften des Vertrages zu übergeben und an der Übereignung mitzuwirken, insbesondere die erforderlichen rlotariellen Erklärungen abzugeben. Weitere Konsequenz ist aber auch, daß ein mit dem Nachweis oder der Vermittlung des Kaufvertrages befaßter Makler seine Provision mit Abschluß des Kaufvertrages verdient hat. Sollte es nach Abschluß des Vertrages Probleme mit der Abwicklung geben, oder findet die Übereignung überhaupt nicht mehr statt, so berührt dies den Bestand des Provisionsanspruches nicht (vgl. BGH WM 1971, 904; 1982, 1098 f; Münchener Kommentar — Schwerdtner, 2. Aufl. 1986, § 652 HGB Rdnr. 114, Rdnr. 122 mwN in FN 411, 412).
2. § 1365 BGB schützt die wirtschaftlichen Grundlagen der Ehe. Deshalb bedarf ein Vertrag, in dem sich ein Ehegatte verpflichtet, über sein Vermögen — oder einen wesentlichen Teil desselben — zu verfügen, der Zustimmung des anderen Ehegatten. Da diese Bestimmung in ihrer absoluten Wirkung jedoch zu weit gefaßt ist, hat die Rechtsprechung als Korrektiv zum Schutz des redlichen Geschäftsverkehrs als weitere, im Gesetz nicht vorgesehene Voraussetzung verlangt, daß der Vertragspartner weiß, es handle sich um nahezu das gesamte Vermögen des Ehegatten, oder zumindest die Verhältnisse kennt, aus denen sich dies ergibt. Zudem wird die Beweislast hierfür demjenigen aufgebürdet, der sich auf die Zustimmungsbedürftigkeit beruft (vgl. grundlegend BGHZ 43, 174 ff), also regelmäßig den Eheleuten.
Bei Fällen wie dem vorliegenden, in denen Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft zeitlich auseinanderfallen, hatte ein Teil der Rechtsprechung (z. B. OLG Saarbrücken RPfleger 1984, 265; OLG Frankfurt DNotZ 1986, 506, 507) verlangt, daß die fehlende Kenntnis des Erwerbers darüber, daß es sich um das Vermögen des Veräußerers im wesentlichen handele, noch zum Zeitpunkt des Verfügungsgeschäftes vorliegen müsse. Dem hat jedoch der BGH in seinem vom Landgericht Osnabrück zitierten Beschluß vom 12.1. 1989 (NJW 1989, 1609 = BGHZ 106, 253 ff) einen Riegel vorgeschoben und bestimmt, daß allein maßgebend für die Kenntnis des Erwerbers der Zeitpunkt des Abschlusses des Verpflichtungsgeschäftes ist.
3. Nach §311 BGB bedarf ein Vertrag, durch den sich der eine Teil verpflichtet, sein gegenwärtiges Vermögen zu übertragen, der notariellen Beurkundung. Man ist leicht geneigt, wie hei § 1365 BOB den Tatbestand der Vorschrift bereits dann als erfüllt anzusehen, wenn durch das fragliche Rechtsgeschäft das Vermögen im wesentlichen betroffen ist. Dies wäre allerdings verfehlt, denn § 311 BGB bezweckt lediglich den Schutz des Veräußerers vor unüberlegten und übereilten Handlungen, da dieser in solchen Fällen oft keine sichere Vorstellung über den Umfang der von ihm eingegangenen Verpflichtung hat (BGHZ. 25, I, 5). Dieser Schutzzweck ist aber immer dann nicht tangiert, wenn — wie hier — lediglich ein einzelner, genau bestimmter Vermögensgegenstand betroffen ist, so daß — wie das Landgericht Osnabrück richtig ausführt — die Formvorschrift des § 311 BGB selbst dann keine Anwendung findet, wenn der zu übertragende Gegenstand tatsächlich das ganze Vermögen ausmacht und die Parteien dies wissen (vgl. Soergel-Lange, 12. Aufl., § 31 I BOB Rdnr. 4 mwN in FN 13).
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.20 (Sammlung Seite 1340); ZfB 1991 - Nr.20 (Sammlung Seite 1340 f.); ZfB 1991, 1340; ZfB 1991, 1340 f.