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Leitsätze:
1) Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährt keinen Rechtsanspruch auf Beeidigung und öffentliche Anstellung als Sachverständiger gemäß § 36 GewO. Die Heraushebung der öffentlich bestellten Sachverständigen aus dem Kreise ihrer Berufsgenossen schafft keine neue oder zusätzliche Betätigungsmöglichkeit, kein Recht zur ausschließlichen Begutachtung und kein tatsächliches Monopol für den der Bestellung zugrunde liegenden Aufgabenbereich. Die Regelung des § 36 GewO hindert einen Gewerbetreibenden nicht, als Sachverständiger tätig zu werden; daher entfallen verfassungsmäßige Bedenken gegen die Beschränkung der Beeidigung von Sachverständigen auf einen kleinen, besonders qualifizierten Personenkreis.
2) Die Ablehnung der Bekanntgabe der für die Entscheidung verwerteten vertraulichen Auskünfte widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht.
Bundesverwaltungsgerichts
Urteil
vom 29. Mai 1957
Zum Tatbestand:
Die Vorschriften der beklagten Industrie- und Handelskammern sehen u. a. vor, dass die Bestellung und Vereidigung von Sachverständigen nur erfolgt, wenn ein Bedürfnis besteht, und dass die Ablehnung ohne Angabe von Gründen erfolgt.
Der Kläger ist der Ansicht, einen Rechtsanspruch auf die öffentliche Bestellung und auf nähere Angaben über die Auskünfte zu haben, aufgrund deren die beklagte Kammer ihn als nicht hinreichend geeignet und vertrauenswürdig für eine öffentliche Bestellung als Sachverständiger erachtet hat.
Das Bundesverwaltungsgericht hat diesen Standpunkt des Klägers nicht für gerechtfertigt gehalten.
Aus den Gründen:
§ 36 GewO ermächtigt die nach Landesrecht zuständigen Organe zur Beeidigung und Anstellung von Sachverständigen.
Schon aus dieser Fassung des Gesetzes ergibt sich, dass der Gesetzgeber dem einzelnen Gewerbetreibenden ein Recht auf Beeidigung und öffentliche Anstellung nicht einräumen wollte, und dass die Industrie- und Handelskammern insoweit ihre Auswahl nach freiem pflichtmäßigem Ermessen treffen sollten.
Wer sich um die öffentliche Anstellung bewirbt, muss sich durch eine über das übliche Maß hinausgehende Sachkenntnis und eine besondere Vertrauenswürdigkeit auszeichnen. Schon geringe Bedenken, die sich insoweit ergeben, rechtfertigen die Ablehnung der öffentlichen Anstellung. Die Entscheidung darüber, ob diese persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Gesetzgeber in die Hände der berufsständischen Organe, bei denen die entsprechende Sachkunde für die Auswahl erwartet werden kann, gelegt und ihnen insoweit einen weiten Ermessensspielraum eingeräumt.
Die Tatsache, dass der Kreis der beeidigten Sachverständigen nach dem Willen des Gesetzgebers beschränkt ist, und dass auch die Industrie- und Handelskammern Sachverständige nur nach dem Bedürfnis und in freier Auswahl bestellen, widerspricht nicht verfassungsrechtlichen Grundsätzen. Zwar hat der Senat in ständiger Rechtsprechung ausgesprochen, dass Bestimmungen, die die Zulassung zu einem Beruf von einer Bedürfnisprüfung abhängig machen, mit dem durch Art. 12 Abs. 1 Satz 1 GG gewährleisteten Grundrecht der freien Berufswahl nicht vereinbar sind.
Bei der öffentlichen Anstellung als Sachverständiger handelt es sich aber nicht um die Zulassung zu einem Beruf i. S. dieser Rechtsprechung, sondern lediglich um die Zuerkennung einer besonderen Qualifikation, die der Aussage der beeidigten Sachverständigen einen erhöhten Wert verleiht. Diese Heraushebung der öffentlich bestellten Sachverständigen aus dem Kreis ihrer Berufsgenossen wird im Allgemeinen auch ihre Erwerbsmöglichkeiten verbessern und dementsprechend diejenigen ihrer Konkurrenten beeinträchtigen. Aber das Gesetz schafft hier keine neue oder auch nur eine zusätzliche berufliche Betätigungsmöglichkeit für Sachverständige, und es gewährt dem beeidigten Sachverständigen auch nicht ein Recht zur ausschließlichen Begutachtung oder auch nur ein tatsächliches Monopol auf dem Aufgabenbereich, für den seine Bestellung erfolgt.
Die Regelung des § 36 GewO hindert einen Gewerbetreibenden nicht, als Sachverständiger tätig zu werden; es ist auch keineswegs ausgeschlossen, dass sich ein besonders sachkundiger und tüchtiger freier Sachverständiger gegenüber beeidigten Sachverständigen durchsetzt. Auch den Gerichten, die in erster Linie auf beeidigte Sachverständige zurückgreifen sollen (§ 404 Abs. 2 ZPO, § 73 Abs. 2 StPO), ist es nicht untersagt, das Gutachten eines freien Sachverständigen einzuholen oder anzuerkennen. Der Zugang zur Betätigung als Sachverständiger ist also den freien Sachverständigen auch auf den Gebieten, für die Sachverständige beeidigt werden, nicht versperrt. Damit entfallen aber auch die verfassungsmäßigen Bedenken gegen die Beschränkung der Beeidigung von Sachverständigen auf einen kleinen, besonders qualifizierten Personenkreis.
Im Allgemeinen widerspricht es allerdings rechtsstaatlichen Grundsätzen, ablehnende Entscheidungen auf ein Ermittlungsergebnis zu stützen, das dem Betroffenen nicht bekannt ist und das er daher auch nicht durch Einwendungen entkräften kann (vgl. Urt. des Sächs. OVG v. 15. 5. 1931 [Jahrbuch des Sächs. OVG Bd. 36 S. 48]; Urt. des Pr. OVG v. 17. 1. 1941 [OVG Bd. 106 S. 55]). Steht aber einem ASt. auch bei Vorliegen der, persönlichen und sachlichen Voraussetzungen ein Anspruch auf Einräumung einer bestimmten Rechtsstellung nicht zu, ist der Behörde vielmehr bei der Entscheidung über ihre Zuerkennung ein besonders weiter Ermessensspielraum eingeräumt, wie dies hier der Fall ist, so kann dieser Grundsatz nur mit Einschränkungen gelten. Die Industrie- und Handelskammern dürfen einen Sachverständigen nur beeidigen, wenn sie der Überzeugung sind, dass er sich durch besondere Eignung und besondere Vertrauenswürdigkeit aus dem Kreis der übrigen Gewerbetreibenden heraushebt. Dabei ist es nicht zu beanstanden, wenn sie nur unumstrittene Persönlichkeiten, die ohne Einschränkung Vertrauen genießen, für die Beeidigung auswählen und darauf Bedacht nehmen, dass der Auserwählte, der auch den Gerichten als Sachverständiger zur Verfügung stehen soll, die Fähigkeit besitzen soll, Streitfälle objektiv zu beurteilen. Können sie sich von der besonderen Qualifikation eines ASt aufgrund der von ihm vorgelegten Unterlagen nicht überzeugen, so können sie seinem Antrag nicht entsprechen. Wenn sie im Rahmen der ihnen obliegenden Pflicht zur eigenen Prüfung des ASt. sodann weitere Ermittlungen anstellen, hierdurch aber nicht zu einer günstigeren, die öffentliche Bestellung rechtfertigende Beurteilung der Person des ASt. kommen, müssen sie den Antrag ablehnen. Ihre Entscheidung beruht dann darauf, dass sie nicht in der Lage waren, sich ausreichendes Material zu beschaffen, um zu einem so positiven Urteil über den ASt. zu kommen, wie es die öffentliche Anstellung als Sachverständiger voraussetzt. Die Ausräumung negativer Beurteilung würde nicht die für die Bestellung notwendige Überzeugung der Industrie- und Handelskammer von dem Vorhandensein einer besonderen Qualifikation des ASt. herbeiführen können. Daher bedarf es insoweit auch keiner näheren Angaben über negative Beurteilungen dem ASt. gegenüber. Es ist daher nicht zu beanstanden, wenn die Kammer in einem solchen Falle dem ASt. lediglich eröffnet, dass sie sich aufgrund der von ihr eingeholten Auskünfte von seiner besonderen Eignung und Vertrauenswürdigkeit nicht hinreichend habe überzeugen können."