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Leitsätze:
1) Zur Beseitigung der aufschiebenden Wirkung eines angefochtenen Verwaltungsaktes.
2) Die Eigner eines jeden an einer Kollision beteiligten Schiffes können auch ohne eigenes oder Verschulden ihres Schiffsführers für die durch Sinken eines Schiffes verursachte Zustandsstörung der Wasserstraße verantwortlich gemacht und zur sofortigen Einleitung von Bergungsmaßnahmen unter Androhung der Ersatzvornahme aufgefordert werden, auch wenn es sich bei dem gesunkenen Schiff um ein für den herangezogenen Eigner fremdes Schiff handelt.
Bayer. Verwaltungsgericht in Würzburg
Beschluss
vom 10. April 1987
Zum Tatbestand:
Oberhalb der Mainbrücke in Wertheim stießen am 19.2. 1987 das zu Berg fahrende TMS „W" der Antragstellerin und das ihm begegnende, mit losem Zement beladene, holländische MS „M" zusammen. Nach dem Unfallbericht der Wasserschutzpolizei soll der Bergfahrer aus dem Ruder gelaufen sein. Der Talfahrer, der nicht mehr habe ausweichen können, sei durch den Anker des TMS „W" gerammt worden. MS „M", das sofort zu sinken begann, wurde von seinem Schiffsführer unterhalb der Brücke am Badischen Ufer an Land gesetzt, um nicht die Fahrrinne zu versperren. Bei TMS „W" war lediglich der Anker am Stock abgerissen.
Die zuständige Schiffsuntersuchungskommissionen konnten keine technischen Mängel an der Ruderanlage des TMS „W" feststellen, dessen Schiffsführer vor der Polizei jede Aussage verweigerte. Als Sofortmaßnahme wurde eine Ölsperre um das Wrack gelegt, ferner eine Ölaustrittsstelle am Entlüftungsstutzen eines Gasölvorratstanks abgedichtet. Außerdem wurde etwa die Hälfte der Zementladung geborgen und am Mainufer abgelagert. Die weitere Entladung war wegen Erhärtung des Zements nicht möglich. Der holländische Schiffsführer, der beim Schifffahrtsgericht Mannheim die Verklarung gemäß §§ 11 ff BschG beantragt hatte, sagte im Termin aus, dass er kurz vor der Schiffsbegegnung über Funk das Wort „Ruderausfall" gehört und gesehen habe, wie der andere Schiffsführer die Hände hochgehoben habe. Das TMS sei sodann unmittelbar nach der Brücke nach Steuerbord ausgeschert. Im übrigen war zu diesem Zeitpunkt die Ursache der Kollision nicht eindeutig geklärt.
Das Wasser- und Schifffahrtsamt forderte die Antragstellerin mit strompolizeilicher Verfügung vom 3.3. 1987 auf, bis zum 16.3. 1987 das MS „M" aus der Bundeswasserstraße zu entfernen und die auf einem bundeseigenen Ufergrundstück gelagerte Zementladung zu beseitigen, anderenfalls die voraussichtlich mit 400000,- DM bezifferte Ersatzvornahme angedroht wurde. Zur Begründung wurden die teilweise Sperrung der Wasserstraße und die Gefährdung der Schifffahrt, die mögliche Verschmutzung der Wasserstraße, da sich noch 5000 Liter Gasöl im Treibstofftank befanden, und die Unmöglichkeit der Vollstreckung gegen den in den Niederlanden wohnhaften Eigner des MS „M" geltend gemacht. Die Antragstellerin erhob nicht nur Widerspruch, sondern beantragte auch die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs wiederherzustellen. Zur Begründung wurde vorgetragen, dass MS „M" unmittelbar vor der Begegnung unvermittelt seinen Kurs geändert habe und er gegen den Steuerbord-Buganker des TMS „W" geraten sei. Dessen Schiffsführer habe sich in jeder Beziehung vorschriftsmäßig verhalten. Dem Schiffsführer gegenüber sei sie, die Antragstellerin, nicht anordnungsbefugt und nicht für ihn verantwortlich. Sie sei auch nicht als Zustandsstörer anzusehen, denn ihr gehöre weder das gesunkene Schiff noch die Ladung. Es sei eine unbillige Härte, wenn sie die Kosten von 400000,- DM nur aufgrund der Anordnung der sofortigen Vollziehung aufwenden müsse und damit wirtschaftlich ruiniert sei. Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzuweisen, da die Darstellung der Antragstellerin dem bisherigen Ergebnis des Verklarungsverfahrens widerspreche, die Antragstellerin ferner nicht zur Aufklärung des Sachverhalts beigetragen und deren Schiffsführer die Aussage vor der Polizei verweigert habe. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Verwaltungsaktes wurde vom Verwaltungsgericht abgewiesen; Beschwerde wurde nicht eingelegt.
Aus den Gründen:
Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung (§80 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die aufschiebende Wirkung entfällt in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen hat, besonders angeordnet wird (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). In diesem Fall kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen (§ 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig (§80 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Das Gericht prüft zunächst, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Ermessensentscheidung anhand der in §80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das Interesse am sofortigen Vollzug gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Rechtsmittel abzuwägen. Auf die Erfolgsaussichten des Widerspruchs bzw. der Klage kommt es nicht entscheidend an. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn der sichere Erfolg oder die Aussichtslosigkeit des erhobenen Rechtsbehelfes klar zutage tritt. Es liegt nämlich weder im öffentlichen Interesse, dass ein offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakt sofort vollzogen wird, noch, dass ein offensichtlich unzulässiges oder unbegründetes Rechtsmittel den sofortigen Vollzug verhindert.
Eine Überprüfung des vorliegenden Falles anhand dieser Grundsätze ergibt folgendes:
1. Das Wasser- und Schifffahrtsamt hat das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts, wie in §80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorgeschrieben, ausreichend schriftlich begründet.
2. Es bedarf keiner näheren Erörterung, dass eine umgehende Bergung des gesunkenen Schiffes im öffentlichen Interesse liegt. Demgegenüber wiegen die Belange der Antragstellerin gering. Die Beseitigung des Wracks betrifft ihre Interessen nicht direkt. Im Grunde geht es nur um die Kosten. Wenn die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren obsiegen würde, wäre einem Kostenerstattungsanspruch die Grundlage entzogen. Der Antragstellerin steht eigentlich nur das Interesse an einer alsbaldigen Klärung der Kostenfrage zur Seite. Dieses Interesse wäre nur dann von Gewicht, wenn ihr Widerspruch erfolgversprechend wäre. Das Gegenteil ist indes der Fall.
3. Die strompolizeiliche Verfügung vom 3.3. 1987 ist offensichtlich rechtmäßig. Nach §24 Abs. 1. WaStrG haben die Behörden der Wasser- und Schifffahrtsverwaltung des Bundes die Aufgabe, zur Gefahrenabwehr Maßnahmen zu treffen, die nötig sind, um die Bundeswasserstraßen in einem für die Schifffahrt erforderlichen Zustand zu erhalten (Strompolizei). Nach §28 Abs. 1 WaStrG können die Wasser- und Schifffahrtsämter zur Erfüllung der Aufgaben nach § 24 Abs. 1 WaStrG Anordnungen erlassen, die an bestimmte Personen oder an einen bestimmten Personenkreis gerichtet sind und ein Gebot oder Verbot enthalten (Strompolizeiliche Verfügungen).
a) Die Voraussetzungen für ein Einschreiten nach diesen Vorschriften sind zweifellos gegeben. Die Verfügung ist auch an den richtigen Adressaten gerichtet. Die Antragstellerin war nämlich für die Störung verantwortlich. Nach § 25 Abs. 1 WaStrG sind strompolizeiliche Maßnahmen, die durch das Verhalten von Personen erforderlich werden, gegen die Personen zu richten, die die Gefahr oder die Störung verursacht haben. Die Verantwortlichkeit ist von einem Verschulden unabhängig. Jeder, der an einer Schiffskollision beteiligt war, ist Verursacher. Hierbei kann nicht ausschlaggebend sein, weiches Schiff gesunken ist (siehe BVerwG, B.v. 22.12. 1980, Verkehrsblatt 1982, 135). Die Antragstellerin war zwar mit eigenen Handlungen nicht beteiligt. Ihre Störerhaftung ergibt sich aber aus § 25 Abs. 2 WaStrG. Hiernach ist derjenige, weicher einen anderen zu einer Verrichtung bestellt, neben diesem dafür verantwortlich, dass sich der andere bei der Ausführung der Verrichtung ordnungsgemäß verhält. Der Schiffsführer ist im Verhältnis zum Eigner „Verrichtungsgehilfe" im Sinne dieser Vorschrift. Davon geht auch das Bundesverwaltungsgericht aus (siehe U. v. 22.8. 1975, DÖV 1977, 100 = Buchholz 445.5, § 30 WaStrG Nr. 1).
b) Die strompolizeiliche Verfügung vom 3. 3. 1987 lässt auch keine Ermessenfehler (§114 VwGO) erkennen. Es begegnet keinen Bedenken, dass sich die Antragsgegnerin nicht auch oder ausschließlich an den Eigner des gesunkenen Schiffes gehalten hat. Gegenüber der Antragstellerin bestehen nämlich die besseren Zugriffsmöglichkeiten. Es ist anerkannt, dass die Behörde unter mehreren Störern denjenigen auswählen kann, bei welchem die Maßnahme am ehesten Erfolg verspricht. Abgesehen davon hat sich die Antragsgegnerin zu Recht auf die Beweislage in der Verschuldensfrage berufen. Nach dem gegenwärtigen Stand der Ermittlungen war der Schiffsführer der „W" an dem Unfall überwiegend wenn nicht ausschließlich schuld. Greifbare Anhaltspunkte für ein Verschulden dürfen bei der Ermessensbetätigung anerkanntermaßen berücksichtigt werden.
....“
(Auch der Widerspruch selbst wurde von der dafür zuständigen Behörde, nämlich der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Süd, durch Widerspruchsbescheid vom 18.5. 1987 - A4 - 142.3/2 - zurückgewiesen. Eine Klage wurde gegen diesen Bescheid nicht erhoben, so dass die strompolizeiliche Verfügung des Wasser- und Schifffahrtamtes Aschaffenburg in allen Teilen rechtskräftig geworden ist.)