Decision Database
Leitsätze:
1) Zu den Voraussetzungen, unter denen Kosten eines Verklarungsverfahrens im Rahmen der Kostenfestsetzung geltend gemacht werden können.
2) Keine Auswirkung von Teilzahlungen und Teilerledigterklärungen auf die Erstattungsfähigkeit der vollen Verklarungskosten bei Identität der Gegenstände des Hauptsacheverfahrens und des Verklarungsverfahrens.
Beschluß des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Karlsruhe
vom 8.5.1992
W 1/92 BSch
(rechtskräftig)
(Schiffahrtsgericht Kehl)
Zum Sachverhalt:
Die beiden Beschwerdeführer sind Klägerin und Beklagte einer durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Schiffahrtssache. Sie streiten im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren über Grund und Umfang der Erstattungspflicht von Kosten eines vorausgegangenen Verklarungsverfahrens, zu dem der Schiffsführer W von MS „S" Antrag gestellt hatte. Das Schiff hatte Klärschlamm geladen. W hatte vorgetragen, beim Löschen sei festgestellt worden, daß die Ladung zu gären begonnen habe und Schiff und Strau zerfresse. Als Beteiligte hatte W die spätere Beklagte N sowie F, den damaligen Eigentümer des MS „S", angegeben.
Das Schiffahrtsgericht hat das Verklarungsverfahren durchgeführt und dessen Gegenstandswert auf 47 979,50 DM festgesetzt. Vorher erhob Frau C, Witwe und Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes F, nunmehr als Eigentümerin des MS „S" Schadensersatzklage, die teilweise Erfolg hatte. Im Verlaufe des Rechtsstreits hatte die Beklagte Teilbeträge anerkannt und bezahlt, weshalb die Parteien den Rechtsstreit teilweise für erledigt erklärten. Für den ersten Zeitraum ab Klageerhebung wurde der Streitwert auf 61960,32 DM festgesetzt.
Für das Verklarungsverfahren hat die Klägerin Kostenfestsetzung ausgehend von dem festgesetzten Gegenstandswert beantragt. Die Beklagte hat dagegen eingewandt, die Klägerin sei nicht Beteiligte des Verklarungsverfahrens gewesen. Unerheblich sei, daß die Klägerin Rechtsnachfolgerin des verstorbenen früheren Schiffseigners geworden sei; denn die Klage sei vor Abschluß des Verklarungsverfahrens erhoben worden, so daß die Klägerin sich als Beteiligte des Verklarungsverfahrens habe bezeichnen bzw. diesem beitreten können. Hilfsweise werde geltend gemacht, daß die Klägerin allenfalls solche Verklarungsverfahrenskosten erstattet verlangen könne, die dem Verhältnis des Streitwertes zum Verklarungswert entsprächen. Dabei sei zu berücksichtigen, daß der Streitwert des Erkenntnisverfahrens zuletzt nur mehr 7576,28 DM betragen habe. Für sie selbst hat die Beklagte indessen beantragt, die Kosten des Verklarungsverfahrens ausgehend von einem Streitwert von 47 979,50 DM festzusetzen.
Die Rechtspflegerin des Schiffahrtsgerichts hat die Verklarungsverfahrenskosten der Beklagten antragsgemäß in die Ausgleichung einbezogen. Die von der Klägerin geltend gemachten Kosten des Verklarungsverfahrens wurden nicht in voller Höhe anerkannt.
Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluß wenden sich beide Parteien. Das Schifffahrtsobergericht hat den Kostenfestsetzungsbeschluß auf die sofortige Beschwerde der Klägerin abgeändert und die Beschwerde der Beklagten zurückgewiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Die Klägerin kann im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren die Erstattung der Kosten des Verklarungsverfahrens geltend machen.
1. Kommt es nach einem Verklarungsverfahren gemäß §§ 11-15 BinSchG (entsprechendes gilt für die Seeschiffahrt nach §§ 522 ff. HGB, vgl. dazu Prüßmann/Rabe, Seehandelsrecht, 3. Aufl. § 525 HGB Anm. B m.w.N.) - in dem es mangels einer entsprechenden Kostengrundentscheidung kein eigenes Kostenfestsetzungs- und Erstattungsverfahren gibt - zu einem Rechtsstreit vor dem Schiffahrtsgericht, an dem die früheren Beteiligten bzw. Antragsteller nun als Parteien teilnehmen, so kommt grundsätzlich in Betracht, daß die Kosten des Verklarungsverfahrens einschließlich Anwaltskosten als Kosten einer zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nach § 91 ZPO von der unterliegenden Partei (bzw. in Fällen des § 92 Abs. 1 ZPO anteilig von den teilweise unterliegenden Parteien) zu tragen sind (OLG - SchiffObG - Karlsruhe Beschluß vom 3. 2. 1982 - W 1/81 RhSch und vom 6.12.1985 - W 1/85 BSch; vgl. dazu ferner Vortisch/Bemm, Binnenschiffahrtsrecht, 4. Aufl., § 14 Rdnr. 5).
So hat der erkennende Senat auch mit Beschluß vom 22.10.1991 (U 7/90 BSch) den Antrag auf Ergänzung der Kostenentscheidung dahin, daß auch die Kosten des Verklarungsverfahrens zu ersetzen seien, zurückgewiesen und entschieden, hierüber sei ausschließlich im Kostenfestsetzungsverfahren zu befinden.
Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat – als Rhein-Schiffahrtsobergericht ebenso wie als Schiffahrtsobergericht - in der Vergangenheit mehrfach entschieden, daß ein Verklarungsverfahren nach §§ 11 ff. BinSchG hinsichtlich der Erstattung der dazu aufgewandten Kosten grundsätzlich wie ein Beweissicherungsverfahren nach §§ 485 ff. ZPO zu behandeln ist (Beschluß vom 17.- W 3/83 RhSch; vom 31. - W 2/82 RhSch; vom 5.7.1983 - W 3/82 BSch und vom 23.1. 1985 - W 2/84 RhSch). Diese können daher wie Kosten eines Beweissicherungsverfahrens als solche des Hauptprozesses erstattungsfähig sein. Voraussetzung hierfür ist aber, daß es zu einem nachfolgenden oder gleichzeitigen Hauptsacheverfahren kommt, daß dieses zwischen den Parteien des Beweissicherungsverfahrens geführt wird und schließlich den gleichen Streitgegenstand betrifft (vgl. OLG Karlsruhe Beschluß vom 23. 1. 1985 W 2/84 RhSch). Im Hinblick auf die Besonderheit des Verklarungsverfahrens, bei dem nur ein Schiffsführer als Antragsteller in Betracht kommt und das nach den Grundsätzen der freiwilligen Gerichtsbarkeit abzuwickeln ist, kann zwar nicht verlangt werden, daß sich die späteren Prozeßparteien schon als Beteiligte des Verklarungsverfahrens wie Gegner gegenüberstehen müssen (vgl. OLG Karlsruhe Beschluß vom 17. 2. 1984 - W 3/ 83 RhSch); jedenfalls müssen aber die Prozeßparteien, zwischen denen der prozeßrechtliche Kostenerstattungsanspruch im Kostenfestsetzungsverfahren des Hauptprozesses verfolgt werden kann, schon am Verklarungsverfahren beteiligt gewesen sein.
Allerdings besteht hinsichtlich eines Beweissicherungsverfahrens gemäß §§ 485 ff. ZPO (nichts anderes gilt für das durch das RPflVereinfG vom 1. 4. 1991 neu eingeführte sogenannte selbständige Beweisverfahren) in Rechtsprechung und Schrifttum weitgehend Einigkeit darüber, daß eine Erstattungsfähigkeit nicht nur bei Identität der Parteien von Beweissicherungs- und Hauptverfahren besteht, sondern auch bei Rechtsnachfolge der einen oder anderen Partei des Beweissicherungsverfahrens (vgl. von Eicken in von Eicken, Lappe, Madert, Die Kostenfestsetzung, 17. Aufl. B 313 m.w.N.; Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl., III vor § 485 ZPO FN 27 m.w.N.). Dies gilt um so mehr im Falle des Verklarungsverfahrens, das Parteien im Sinne der ZPO nicht kennt. Daher ist die Klägerin als offenkundige Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes im Eigentum von MS „S" berechtigt, Verklarungsverfahrenskosten im vorliegenden Kostenfestsetzungsverfahren der Hauptsache geltend zu machen. Angesichts der Unstreitigkeit und Offenkundigkeit der Rechtsnachfolge wäre es unnötige Förmelei zu fordern, daß sie dem Verklarungsverfahren nach dem Tod ihres Mannes noch förmlich als Rechtsnachfolgerin hätte beitreten müssen. Dies hat auch das Amtsgericht - Schiffahrtsgericht - richtig gesehen.
2. Nicht zu beanstanden ist weiter, daß die Rechtspflegerin antragsgemäß bei der Festsetzung der Höhe der Gebühren für das Verklarungsverfahren von dem dort im Einvernehmen mit den Rechtsanwälten der jetzigen Parteien festgesetzten Streitwert in Höhe von 47 979,50 DM ausgegangen ist.
Zwar gibt es - worauf die Beklagte mit Recht hinweist - Fälle, in denen im Kostenfestsetzungsverfahren die Kosten eines vorausgegangenen Verklarungsverfahrens nur im Verhältnis des Streitwertes des Hauptsacheverfahrens zu dem Gegenstandswert des Verklarungsverfahrens erstattungsfähig sind (vgl. OLG - SchiffObG - Karlsruhe Beschluß vom 6.12.1985 W 1/85 BSch). Dies kann einmal der Fall sein, wenn Gegenstand der Verklarung und Gegenstand des Hauptsacheprozesses nur teilweise identisch sind (vgl. dazu von Eicken aaO B 314 für den entsprechenden Fall des Beweissicherungsverfahrens sowie OLG Karlsruhe, Die Justiz 1982, 434). Selbst bei Identität des Gegenstandes von Verklarung/Beweissicherung und Hauptprozeß kommt bei einer erheblich unterschiedlichen Bewertung der Gegenstände beider Verfahren eine Differenzierung in Betracht. Grundsätzlich sind Gebühren höchstens nach dem für die Hauptsache maßgeblichen Wert erstattungsfähig (vgl. von Eicken aaO m.w.N.).
Im vorliegenden Falle sind die Gegenstände des Verklarungsverfahrens und des Hauptsacheprozesses völlig identisch. Es geht jeweils um das Ausmaß der durch die Beladung von MS „S" mit Klärschlamm entstandenen Schäden und einer daraus folgenden Erstattungspflicht durch die Beklagte. Mit - rechtskräftigem - Beschluß vom 3.8.1990 hat das AG - SchiffG - Kehl den Streitwert im Hauptprozeß für die Zeit vom 31.3. bis 21. auf 61960,32 DM festgesetzt. Er liegt damit jedenfalls für diesen Zeitraum über dem mit Beschluß desselben Gerichts vom 14. 5. 1990 (H 13/88 SchG) für das Verklarungsverfahren festgesetzten Gegenstandswert von 47 979,50 DM. Die im Verlauf des Hauptsacherechtsstreits dann im Hinblick auf Teilanerkenntnisse, Teilzahlung und Teilerledigterklärungen ausgelöste weitere stufenweise Verminderung des Streitwertes (vgl. Beschluß des AG - SchiffG - Kehl vom 3. 8. 1990) führt entgegen der Ansicht der Beklagten nicht dazu, daß die im Verklarungsverfahren entstandenen Anwaltsgebühren im Kostenfestsetzungsverfahren nicht mehr in der angefallenen Höhe ersetzt verlangt werden könnten. Die Identität der Gegenstände beider Verfahren hat sich nicht geändert. Da bereits aus diesen Gründen die Einwendungen der Beklagten gegen den Ansatz der Kosten nicht begründet sind, braucht die weitere Frage widersprüchlichen Verhaltens der Beklagten, das darin liegt, daß sie selbst u. a. zweimal 10/10 Gebühren aus dem vollen Gegenstandswert von 47 979,50 DM im Kostenfestsetzungsverfahren angemeldet hat, nicht weiter eingegangen zu werden.
3. Begründet ist die sofortige Beschwerde der Klägerin insoweit, als das AG – SchiffG - Kehl in dem angefochtenen Festsetzungsbeschluß eine Erstattung der Erhöhungsgebühr gemäß § 6 BRAGO abgelehnt hat. Das AG - SchiffG - Kehl hat darauf abgehoben, daß Rechtsanwaltsgebühren des Schiffsführers nicht als Kosten des Schiffseigners im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden dürften.
Zwar können Verklarungskosten dann nicht als unmittelbare Kosten des Hauptprozesses Berücksichtigung finden, wenn Beteiligte bzw. Antragsteller des Verklarungsverfahrens (bzw. deren Rechtsnachfolger) nicht zugleich Parteien des Hauptprozesses geworden sind. Indessen sind solche Verklarungskosten als notwendige Vorbereitungskosten der Klägerin erstattungsfähig, da diese als Eignerin des MS „S" gemäß § 14 BinSchG dem Schiffsführer W zu erstatten hatte. Die Kosten des Schiffsführers als „Vollzugsorgan" des Schiffseigners sind dementsprechend Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Schiffseigners. In aller Regel hat - wie die Klägerin zutreffend ausführt - auch nur der Schiffseigner, nicht der Schiffsführer, ein rechtliches und wirtschaftliches Interesse daran, daß die Beweismittel für die Schadensersatzpflicht gesichert werden durch ein Verklarungsverfahren. Die Klägerin hat unwidersprochen vorgetragen, daß auch im vorliegenden Falle der Schiffseigner bzw. dessen Rechtsnachfolgerin, die Klägerin, sämtliche Verklarungskosten einschließlich Rechtsanwaltskosten vollständig trug, auch soweit sie durch den antragspflichtigen Schiffsführer ausgelöst würden... .
4. Das in § 11 BinSchG geregelte Verklarungsverfahren ist eine Angelegenheit der freiwilligen Gerichtsbarkeit, so daß Anwaltskosten eines solchen Verfahrens nicht nach §§ 48 i.V.m. 31 BRAGO berechnet werden können, sondern, da Sondervorschriften im übrigen fehlen, auf § 118 BRAGO zurückgegriffen werden muß (so bereits zum alten Recht zutreffend OLG - RSOG - Köln MDR 1959, 937; Mümmler, BRAGO 17. Aufl. Stichwort: „Verklarungsverfahren" ). Soweit die Parteien in ihren Kostenfestsetzungsanträgen und die Rechtspflegerin in ihrer Bezugnahme hierauf § 31 BRAGO zitiert, ist dies daher unzutreffend. Sowohl die Geschäftsgebühr als auch die Erhöhungsgebühr gemäß § 6 als auch die Beweisaufnahmegebühr, die im Verklarungsverfahren angefallen sind, finden ihre gesetzliche Grundlage in § 118 Abs. 1 Ziffer 1 bzw. 3 BRAGO...."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1993 - Nr.1, 2 (Sammlung Seite 1404 f.); ZfB 1993, 1404 f.