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Leitsätze:
1) Auch Mieter und Pächter von Hafenanlagen, die Umschlagsleistungen ausführen, dürfen die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 9 UStG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB in Anspruch nehmen.
2) Umschlagsleistungen in Häfen sind auch dann steuerfrei, wenn der Unternehmer die Entgelte unter Berücksichtigung seiner Aufwendungen für Mieten der zum Umschlag verwendeten Anlagen und für Löhne des Bedienungspersonals einschließlich angemessener Gemeinkosten berechnet hat.
3) Unter den „gleichen Voraussetzungen" im Sinne des § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB, zweite Alternative, sind die äußeren Umstände zu verstehen, unter denen sich die Umsätze der Hafenumschlagsbetriebe vollziehen, z. B. ähnliche Umschlagseinrichtungen oder Betriebsbedingungen.
Urteil des Bundesfinanzhofes
vom 15. Februar 1968
Zum Tatbestand:
Das Finanzamt hatte ein Speditionsunternehmen (Revisionsklägerin), das Schiffe in einem Binnenhafen sowohl mit eigenen Arbeitskräften und Geräten als auch gemieteten städtischen Umschlagseinrichtungen be- und entlädt, die von der Steuerpflichtigen als steuerfrei behandelten Umschlagsentgelte zu 4 % versteuert. Während des Berufungsverfahrens war die Frage, ob auch Mieter und Pächter von Hafenanlagen, die Umschlagsleistungen ausführen, die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 9 UStG in Verbindung mit § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB in Anspruch nehmen dürfen, bereits zugunsten der Steuerpflichtigen entschieden worden. Es ist streitig geblieben, ob die Höhe des nach einem Tarif des zuständigen Fachverbandes herausgegebenen Tarifs die in den beiden Alternativen des § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB gesetzten Grenzen überschritten hat.
Die als Revision behandelte Rechtsbeschwerde führte zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückweisung der Sache an das Finanzgericht.
Aus den Gründen:
„Nach § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB sind - wie Umsätze, die unter das Beförderungssteuergesetz (BefStG) fallen (§ 4 Nr. 9 UStG) - auch Leistungen steuerfrei, die mit der Benutzung „von Anstalten an natürlichen oder künstlichen Wasserstraßen" Im Zusammenhang stehen. Voraussetzung hierfür ist, dass die Entgelte nur in Höhe der zur Herstellung und Unterhaltung erforderlichen Mittel erhoben werden, also insbesondere keine Gewinnanteile enthalten, oder diejenigen Sätze nicht übersteigen, die von den Gebietskörperschaften unter den gleichen Voraussetzungen erhoben werden.
Das FG hat seine Feststellung im Wege einer Schlussfolgerung getroffen, der es lediglich die Erfahrung zugrunde legte, jeder private Umschlagsunternehmer sei auf Gewinn bedacht. Es begegnet schon Bedenken, aus diesem zutreffenden Prinzip die Feststellung abzuleiten, der Fachverband habe die Sätze des „Tarifs" allgemein auf die Erzielung eines Unternehmerlohnes ausgerichtet, da ein Mindesttarif gegeben sein kann. Fehlerhaft ist jedenfalls die weitere Schlussfolgerung, die Steuerpflichtige habe, soweit sie sich des „Tarifs" bediente, mit Gewinn gearbeitet. Denn die Möglichkeit, dass die Steuerpflichtige wegen der besonderen Verhältnisse ihres Betriebes bei tariflicher Vergütung lediglich auf ihre Selbstkosten gekommen ist, kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden. Außerdem hat das FG die Behauptung der Steuerpflichtigen, sie habe Leistungen unter den Sätzen des „Tarifs" berechnet, für nicht widerlegt erachtet. Auch aus diesem Grunde könnten Entgelte innerhalb der durch § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB, erste Alternative, bestimmten Grenzen liegen.
Die Rechtsauffassung des FG, die von öffentlichen Anstalten erhobenen Benutzungsgebühren könnten insoweit nicht als Vergleichsgrundlage im Sinne der erwähnten Vorschrift dienen, als sie einen Unternehmerlohn enthielten, steht mit der Durchführungsbestimmung im Widerspruch. Die Vorschrift verlangt zwar als Vergleichsgrundlage Sätze, „die von gleichartigen Anstalten des Bundes, der Länder und der Gemeinden unter den gleichen Voraussetzungen erhoben werden". Es ist aber irrig, unter den „gleichen Voraussetzungen" die Unkostenfaktoren zu verstehen, die die Durchführungsbestimmung in ihrer Alternative als ausschließliche Kalkulationsgrundlage eines die Steuerfreiheit rechtfertigenden Entgelts aufstellt (Herstellungs- und Unterhaltungskosten einschließlich der Zinsen und Tilgungsbeträge). Denn diese Faktoren sind bestimmende Größen des Entgelts, nicht aber Voraussetzungen für dessen Erhebung. Unter den „gleichen Voraussetzungen" können vielmehr nur die äußeren Bedingungen gemeint sein, unter denen sich die Umsätze der öffentlich-rechtlichen Anstalten vollziehen. Steuerfrei sind nach der zweiten Alternative also Umschlagsleistungen eines privaten Unternehmens an einer Wasserstraße, das etwa nach der Art des Güterumschlags sowie der verwendeten Geräte und Anlagen, nach der Lage zum Hafenplatz und ähnlichen Merkmalen der „Anstalt" einer Gebietskörperschaft gleicht und das durchschnittlich keine höheren Entgelte verlangt als die öffentliche „Anstalt".
Es hätte der zweiten Alternative nicht bedurft, wenn auch hier zu prüfen wäre, ob die von Gebietskörperschaften geforderten Gebühren allein nach dem Selbstkostendeckungsprinzip errechnet sind. Diese Vorschrift soll - wie das FG mit Recht ausführt - eine Vereinfachungsregelung im Verhältnis zur ersten Alternative sein, um dem Steuerpflichtigen den Nachweis zu ersparen, dass die zur Erhebung kommenden Umschlagsätze die eigenen Selbstkosten nicht übersteigen.
Bei der erneuten Entscheidung des Falles muss das FG prüfen, ob die von der Steuerpflichtigen genannten oder im weiteren Verfahren bekanntwerdenden öffentlichen Anstalten nach der Art ihrer Umsätze mit den strittigen Leistungen der Steuerpflichtigen vergleichbar sind und ob die von der Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum durchschnittlich erzielten Entgelte die damaligen Gebühren dieser Anstalten überstiegen haben oder nicht. Entspricht das Ergebnis dieser Prüfung den Behauptungen der Steuerpflichtigen, so ist aufgrund der zweiten Alternative des § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB die Steuerfreiheit zu gewähren. Andernfalls hat das FG anhand der Buchführung der Steuerpflichtigen - erforderlichenfalls unter Heranziehung eines Buchsachverständigen - festzustellen, ob die Entgelte in den Veranlagungszeiträumen die in der ersten Alternative des § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB bestimmten Grenzen nicht überschreiten. Bei dieser Prüfung treten bei Miete von Umschlagseinrichtungen an die Stelle der zur Herstellung und Unterhaltung von Anlagen erforderlichen Mittel in sinngemäßer Auslegung des § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB die entsprechenden Mietzins- oder Gebührenaufwendungen.
Außerdem sind in die Selbstkostenberechnung die Löhne für Umschlagsleistungen einschließlich angemessener Gemeinkosten einzubeziehen. Diese Löhne sind zwar in § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB nicht aufgeführt. Dennoch müssen nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift Entgelte auch dann von der Um-satzsteuer befreit werden, wenn sie unter Berücksichtigung der mit den Umschlagsleistungen verbundenen Lohnaufwendungen berechnet wurden.
Die Entgelte entsprechen deshalb der ersten Alternative des § 35 Abs. 1 Nr. 3 UStDB auch dann, wenn sie unter Berücksichtigung der Lohnaufwendungen des Unternehmers einschließlich angemessener Gemeinkosten berechnet sind."