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Leitsatz:
Zum Abzug "neu für alt" bei der Beschädigung der Stoßschutzeinrichtung eines Schleusentores.
Urteil des Oberlandesgerichts (Schiffahrtsobergerichts) Karlsruhe
vom 20.10.1995
U 8/94 Bsch
(Schiffahrtsgericht Mannheim)
Zum Tatbestand:
Der Beklagte ist Eigner und Schiffsführer des MS "P", das am 25.2.1992 die Stoßschutzeinrichtung des linken Schleusentores der Neckarschleuse C angefahren hat. Seine Haftung für den Schaden ist dem Grunde nach nicht im Streit, wohl aber die Frage, ob sich die Klägerin als Geschädigte einen Abzug neu für alt anrechnen lassen muß.
Aus den Entscheidungsgründen:
"... Die Klägerin muß sich unter dem Gesichtspunkt der Vorteilsausgleichung einen Abzug neu für alt in Höhe von DM 2.720,00 anrechnen lassen.
a) Ein Abzug "neu für alt" kommt nur dann in Betracht, wenn durch die Schadensbeseitigung eine meßbare Vermögensvermehrung beim Geschädigten eingetreten ist. Zum Teil wird sogar angenommen, daß ein Abzug für Werterhöhung der Sache nach den Grundsätzen der Vorteilsausgleichung nur dann in Betracht kommt, wenn der Geamtwert der Sache erheblich erhöht wurde und es unbillig erscheinen würde, diesen Vorteil dem Geschädigten auf Kosten des Schädigers zukommen zu lassen (vgl. Greger, Zivilrechtliche Haftung im Straßenverkehr 2. Aufl. § 7 StVG Rdnr. 191).Werden bei einer Reparatur lediglich Teile eines Ganzen ersetzt, die im allgemeinen das Lebensalter der Hauptsache erreichen, so rechtfertigt dies in der Regel einen Abzug nicht (vgl. KG NJW 1971, 144). Bei Kraftfahrzeugen kommt beispielsweise eine Abzug "neu für alt" hinsichtlich bestimmter beschädigter Verschleißteile wie Reifen, Batterie, Auspuff, Stoßdämpfer oder Motor in Betracht, nicht aber sonstiger Teile des Fahrzeuges, insbesondere - worauf das Schiffahrtsgericht zutreffend hingewiesen hat - auch nicht bei der Stoßstange eines Fahrzeuges, mit der der Stoßschutz der Schleuse durchaus vergleichbar ist. In der Rechtsprechung wurde ein Abzug "neu für alt" vorgenommen, wenn mehrere ältere Dalben einer Dalbengruppe beschädigt wurden (OLG Hamburg VersR 1987, 460) oder ein einzelner Anlegedalben, der eine eigenständige Bedeutung hatte (vgl. OLG Bremen VersR 1984, 555; die Kosten der Dalbenerneuerung beliefen sich nach Abzug des Restwertes des beschädigten Dalbens auf immerhin 255.105,00 DM). Auch im Falle der nicht reparablen Beschädigung eines Windenhauses einer Schleuse hat die Berufungskammer der Zentralen Rheinkommission - nach französischem Recht - einen Abzug "neu für alt" vorgenommen (ZfB 1976, 255).
Werden jedoch nur Einzelteile einer Anlage beschädigt und ersetzt und handelt es sich dabei nicht um Verschleißteile und führt der Ersatz dieser Einzelteile auch nicht zu einer merkbaren Wertsteigerung der gesamten Anlage, so findet ein Vorteilsausgleich nach dem Gedanken "neu für alt" nicht statt. So hat das Rheinschiffahrtsobergericht Köln (ZfB 1984, 1059) einen Abzug "neu für alt" in einem Falle abgelehnt, in dem ein Dalben beschädigt wurde, der Bestandteil einer Dalbengruppe war, die eine wirtschaftliche Einheit bildete. Nach Ablauf einer bestimmten Zeit mußte aus wirtschaftlichen Abwägungen heraus die ganze Dalbengruppe ausgewechselt werden, ohne Rücksicht darauf, ob etwa ein einzelner Dalben noch nicht erneuerungsbedürftig war.
b) Die Stoßschutzeinrichtung am Untertor der Neckarschleuse C stellt - davon ist das Gericht insbesondere auch aufgrund des im zweiten Rechtszug eingeholten Gutachtens des Sachverständigen P überzeugt - als Ganzes kein Verschleißteil dar. Stoßeinrichtungen an Schleusen werden sogar nach den Ausführungen des Sachverständigen, der Experte im Schleusenbau ist, generell sogar erheblich weniger beansprucht als die Schleusentore selbst. Während ein Schleusentorverschluß bei einer Berg- und Talschleusung den gesamten Belastungszyklus durchfährt, wird ein Stoßbalken nur gelegentlich angefahren und dann beansprucht. Die Abnützung der Stoßschutzeinrichtung ist daher gering. Grundsätzlich lassen sich Stoßschutzsysteme in die Kategorien "torabhängig" und "torunabhängig" einteilen. Der Stoßbalken des Untertores der Schleuse C ist auf dem Schleusentor aufgelagert und gleitet auf dem oberen Riegel. Er ist nicht selbst- tragend und wäre - ohne das Schleusentor - nicht funktionsfähig. Würde man das Schleusentor durch eine andere Konstruktionsart ersetzen, müßte auch ein konstruktiv geänderter Stoßbalken entworfen, bebaut und eingesetzt werden. Zwar sind am Neckar überwiegend vom Tor unabhängige Stoßschutzanlagen installiert. Die Schleuse C weist jedoch extrem schwierige Lageverhältnisse auf, da sie - in einer Flußkrümmung gelegen - zwischen zwei Brücken gebaut wurde. Für den Untertorstoßschutz kam daher nur eine platzsparende, d.h. torabhängige Anlage in Frage. Da Schleusentor und Stoßschutzeinrichtung am Untertor der Schleuse C eine konstruktive Einheit bilden, weisen sie dieselbe Lebensdauer auf. Muß z.B. das Schleusentor aus technischen, nautischen oder wirtschaftlichen Gründen erneuert werden, hat es also seine Lebensdauer erreicht, so muß auch der Stoßschutz erneuert werden.
Danach braucht sich die Klägerin nicht die bisherige Verwendung der beschädigten Stoßschutzanlage von 34 Jahren, wie der Beklagte meint, in Höhe von 34 % gemessen an einer Lebensdauer der Gesamtschleusenanlage von 100 Jahren oder gar von 48,57 %, gemessen an einer Lebensdauer von nur 75 Jahren, anrechnen lassen.
Inwieweit im Einzelfall ein derartiger Vorteilsausgleich bei torunabhängigen Stoßschutzanlagen in Betracht kommt, ist vorliegend nicht zu entscheiden. Der Sachverständige hat insoweit überzeugend ausgeführt, daß ein Austausch oder eine geänderte Konstruktion des Tores die Stoßschutzeinrichtung nicht zu beeinflussen braucht. Inwieweit - wie die Klägerin in ihrer Stellungnahme zum Sachverständigengutachten meint - gleichwohl eine technische bzw. wirtschaftliche Abhängigkeit bestehen mag, ist im Einzelfall konkret zu ermitteln und zu entscheiden.
Im Wege der Vorteilsausgleichung muß sich die Klägerin jedoch den Wiederbeschaffungswert für acht Gummihohlfedern anrechnen lassen. Der Sachverständige P hat hierzu überzeugend ausgeführt, daß der Austausch dieser Federn nach ca. 35 Jahren erforderlich ist.
Dieser Zeitraum war praktisch am Unfalltag abgelaufen, da die Schleuse und der Stoßschutz 34 Jahre in Betrieb waren. Somit hat die Wasserstraßenverwaltung der Klägerin die anstehende Erneuerung der Gummihohlfedern gespart und muß sich dies als Vorteil anrechnen lassen. Dies hat sie - nach Vorlage des Gutachtens - auch eingeräumt. Soweit anstelle des vorher angebrachten Eichenbalkens eine Polyäthylen-Gleitleiste verwendet wurde, ergibt sich nach den Ausführungen des Sachverständigen kein meßbarer Vorteil. Entsprechendes gilt für die Erneuerung des Korrosionsschutzes. Eine Vermögensvermehrung wäre nur dann vorhanden, wenn die Gesamtanlage, d.h. Tor einschließlich Stoßschutz, nach der Reparatur einen höheren Wert besäße. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Die Hauptkonstruktion bestehend aus Hubdrehtor, Antrieb, Elektrik und Fixteile wurde durch die Erneuerung der Teilkonstruktion Stoßbalken, Gleitleiste und Gummifedern nur in ihrer ursprünglichen Verwendungsform wieder hergestellt. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem, der dem Urteil der BK der ZKR (ZfB 1976, 255) zugrunde lag: Bei dem damaligen Unfall wurde das Windenhaus der oberwasserseitigen Umlaufverschlüsse durch einen leeren Schubverband angefahren und seitlich verschoben. Während das Schleusentor K und der Umlaufverschluß samt Antrieb unbeschädigt blieben, wurde das Windenhaus, eine Stahlbetonkonstruktion, das eine konstruktiv selbständige Einheit darstellte, beschädigt. In jenem Fall mußte sich der Eigentümer des Windenhauses bei den Kosten der Neuerstellung einen Abzug "neu für alt" anrechnen lassen (wobei für die Stahlkonstruktion eine Lebensdauer von 100 Jahren angesetzt wurde)… "
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1996 - Nr.1 (Sammlung Seite 1567 f.), ZfB 1996, 1567 f.