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Urteil des Oberlandesgerichts – Schiffahrtsobergerichts Karlsruhe
vom 08.07.1992
U 8/91 Bsch
Tatbestand:
Die Parteien streiten um die Haftung für die Folgen eines Schiffsunfalles auf dem Neckar.
Am 13.07.1990 kollidierten bei Helligkeit und klarer Sicht zwischen 20.00 und 20.30 Uhr bei Neckar-km 22 das vom Schiffsführer W geführte, talfahrende (70 m große, 600 PS bei 1800 U/min. starke) MS "S" mit dem bergfahrenden, vom Schiffsführer A geführte (82 m lange, 8,22 m breite, 1148 t große, 585 PS bei 750 U/min. starke) MS "K". Beide Schiffe wurden beschädigt.
Der Kläger ist Versicherer von MS "K ". Die Eigentümer des Schiffes haben ihre Schadensersatzanprüche an ihn abgetreten. Die Beklagten sind Eigentümer von MS "S". Der Beklagte Ziffer 1 war dessen Schiffsführer zum Unfallzeitpunkt.
Der Kläger hat im ersten Rechtszug behauptet:
Schiffsführer A habe sich bei der Ausfahrt aus der Schleuse Sch und bei der weiteren Bergfahrt in Höhe Neckar-km 19 und 20 jeweils über Kanal 10 gemeldet und der Talfahrt Kursweisung gegeben. Nachdem er den Talfahrern MS "E" und MS "H" begegnet gewesen sei, habe er sich mit einer Geschwindigkeit von ca. 7 km/h der Staustufe W genähert. Als er das talfahrende MS "T" gesehen habe, habe er dessen Fahrt sofort auf weniger als halbe Kraft vermindert und unverzüglich die blaue Seitenflagge kombiniert mit Blinklicht gesetzt. Gleichzeitig habe er über Funk die an dieser Stelle übliche Kursweisung zu einer Steuerbord-Über-Steuerbord-Begegnung gegeben und sein Schiff entsprechend an der geographisch rechten Seite des Kanales gehalten. MS "S" habe trotz mehrfacher Wiederholung der Kursweisung über Funk auf die Begegnungsansage nicht reagiert, insbesondere sei nicht das linke Neckarufer angehalten worden; vielmehr habe sich MS "K" auf Kollisionskurs genähert. Als es bereits zu spät gewesen sei, habe Schiffsführer W noch versucht, nach steuerbord auszuweichen, was jedoch nicht mehr gelungen sei. MS "S" sei in Schräglage verfallen, mit dem Kopf gegen die rechte Spundwand gestoßen, von dort zurückgeprallt und schließlich mit MS "K" auf dessen Backbordseite auf Höhe der vorderen Pollerbank kollidiert.
Der Kläger behauptet Schäden an MS "K" die in der Klageschrift näher aufgeschlüsselt werden - in-Höhe von insgesamt DM 27.213,00.
Der Kläger hat beantragt:
Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an ihn DM 27.213,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 26.10.1990 zu bezahlen, der Beklagte Ziffer 1 sowohl unbeschränkt persönlich, als auch dinglich mit MS "S'' haftend, die Beklagte Ziffer 2 sowohl persönlich im Rahmen von § 114 BinSchG, als auch dinglich mit MS "S" haftend.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie haben im ersten Rechtszug behauptet:
MS "S" habe im Sch-Kanal die rechte Kanalseite angehalten. Schiffsverkehr sei über funk nicht angekündigt worden. Bei Neckar-km 22 befinde sich eine äußerst starke Rechtskrümmung, die ein entgegenkomuendes Fahrzeug erst auf eine Entfernung von 200 - 250 m erkennbar mache. Als MS "K" für den Schiffsführer von MS "S" erkennbar geworden sei, habe es sich auf der geographisch linken Kanalseite befunden und sei unvermittelt auf die geographisch rechte Seite des Kanals übergewechselt und damit direkt in den Weg der Talfahrt und auf Kollisionskurs mit MS "S" gekommen. Bis auf eine Entfernung von ca. 80 100 nm habe MS "K" die blaue Seitentafel gesetzt. Eine Steuerbord-über-Steuerbord-Begegnung sei zu diesem Zeitpunkt aber nicht mehr durchführbar gewesen. MS "K" habe MS "S" auf Höhe von Raum 1, also etwa 12 m vom Kopf des Schiffes entfernt, gerammt. Durch den Anprall und den ohnehin geringen Abstand des MS "S" zur rechten Spundwand des- Kanals sei MS "S" mit dem Steuerbordkopf auf die Spundwand geprallt. Hierdurch und durch das zuvor eingeleitete Rtickwärtsmanöver der Maschine sei MS "S" verfallen und bei dem folgenden Vorausmanöver und dem gelungenen Versuch, das Achterschiff des Bergfahrers freizufahren, nochmals in die Spundwand gelaufen.
Die Beklagten haben die Höhe des mit der Klage geltend gemachten Schadens bestritten.
Das Amtsgericht - Schiffahrtsgericht - Mannheim hat mit am 06.08. 1991 verkündetem Urteil, auf dessen Entscheidungsgründe wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die Klage dem Grunde nach zu 1/3 für gerechtfertigt erklärt.
Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihrer Berufung, jeweils soweit zu ihrem Nachteil entschieden wurde.
Der Kläger wiederholt und vertieft sein erstinstanzliches Vorbringen und trägt ergänzend vor:
Das Schiffahrtsgericht habe die beweise nicht richtig gewürdigt. Hinsichtlich der tatsächlichen Entfernung der sich begegnenden Schiffe würde es von widersprüchlichen Zahlen ausgehen. Der Neckar weise an anderen Stellen wesentlich gefährlichere, engere und schlechter einsehbare Krümmungen auf. Akustische Begegnungsweisung durch zusätzliche Schallsignale seien an der Unfallstelle unnötig, unüblich und würden gegen das Prinzip des Lärmschutzes verstoßen. Der schuldhafte Verstoß des Talfahrers, sein Sprechfunkgerät passiv nicht genutzt zu haben, sei viel stärker zu gewichten. Die Schiffsführung von MS "S" habe wegen dessen Hecklastigkeit und niedriger Stellung des dreistufigen Steuerhauses auf dem Vorschiff einen Ausguck zum Wahrschauen aufstellen müssen. Hauptursache sei, daß der Beklagte Ziffer 1 infolge seiner schuldhaften Revierunkenntnis den schiffsüblichen Linksverkehr an der Unfallstelle nicht gekannt habe.
MS "K" habe nicht erst nachträglich oder zu spät die Seitenflagge gesetzt.
Der eigene Mitverschuldensanteil der Schiffsführung von MS "K" sei allenfalls mit 1/5 zu bewerten.
Der Kläger beantragt:
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger DM 27.213,00 nebst 4 % Zinsen hieraus seit 26.10.1990 zu bezahlen, der Beklagte Ziffer 1 sowohl unbeschränkt persönlich, als auch dinglich mit MS "S" haftend, die Beklagte Ziffer 2 sowohl persönlich im Rahmen von § 114 BinSchG, als auch dinglich mit MS "S" haftend.
2. Die Beklagten tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten des Verklarungsverfahrens auf Antrag des Schiffsführers H vor dem Amtsgericht - Schiffahrtsgericht - Mannheim (AZ H 4/90 BSch).
3. Die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Die Beklagten beantragen,
unter teilweiser Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts - Schiffahrtsgericht - Mannheim vom 06.08.1991 die Klage insgesamt abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Auch sie wiederholen und vertiefen ihr erstinstanzliches Vorbringen und verteidigen das Landgerichtsurteil, soweit es ihnen günstig ist. Ergänzend tragen sie vor:
Ohne irgendwelche Ankündigung sei auf der linken Kanalseite der Bergfahrer um die Krümmung des Kanals bei km 22 gekommen. Dessen Kurs habe für eine backbord-Backbord-Begegnung gesprochen. Auch sei die blaue Seitentafel für Steuerbord-Steuerbord-Begegnung zunächst nicht gesetzt gewesen. Erst auf extrem kurze Distanz habe der Bergfahrer plötzlich dennoch Seitentafel gezeigt und überraschend von der linken auf die rechte Kanalseite überwechseln wollen. Eine Reaktion auf dieses Manöver sei MS "S" nicht mehr möglich gewesen. Die rechtzeitige akustische Begegnungsweisung sei für den Fall die einzig wirksame und richtige gewesen, jedoch sei angesichts der kurzen Distanz und der gefahrenen Kurse das Kursweisungsrecht des Bergfahrers dahin eingeschränkt gewesen, daß er auf eine kreuzende Kursänderung 'habe verzichten müssen und deshalb die zwar nicht der Ortsüblichkeit entsprechende, aber zu den gefahrenen Kursen passende Backbord-Backbord-Begegnung bevorzugt werden müssen.
Daß die Schiffsführer MS "S" die Durchsagen über Funk der Schiffsführung von MS "K" nicht empfangen habe, könne der Schiffsführung von MS "S" nicht zum Nachteil gereichen.
Wegen des weiteren Parteivortrages wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die vom Amtsgericht - Schiffahrtsgericht - Mannheim beigezogenen und zu Beweiszwecken verwerteten Verklarungsakten (H 4/90 BSch - Schiffahrtsgericht Mannheim) lagen auch dem Senat - zu Informationszwecken - vor.
Entscheidungsgründe:
Beide Berufungen sind zulässig, haben in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Der Senat folgt in allen entscheidungserheblichen Punkten den tatsächlichen Feststellungen des Schiffahrtegerichte und kommt in deren Würdigung und Abwägung der beiderseitigen Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der jeweiligen Schiffsführung ebenfalls zu dem Ergebnis, daß die Klage dem Grunde nach gemäß § 823 BGH, §§ 3, 4, 92 ff, 114 BinSchG zu 1/3 gerechtfertigt ist.
Zutreffend ist die Erwägung des Schiffahrtegerichtes, daß in der Situation, die schließlich zur Kollision von MS "S" mit MS "K" führte, sowohl den Bergfahrer als auch den Talfahrer besondere Sorgfaltspflichten trafen, denen die jeweiligen Schiffsführer vorliegend beide nicht in vollem Umfange nachkamen:
1. a) Der Schiffsführer des zu nerg fahrenden MS "K" hatte gemäß § 6.04 BinSchSO unter Berücksichtigung der örtlichen Umstände (und des übrigen Verkehrs) dem Talfahrer MS "S" einen geeigneten Weg freizulassen. Der Bergfahrer hatte das Kursweisungsrecht. Er hatte in eigener Verantwortung zu prüfen, welchen Raum der Entgegenkommende benötigt. Die Sorgfalt eines ordentlichen Schiffers erfordert es, in einer Stromkrümmung den erschwerten Sichtverhältnissen Rechnung zu tragen. Dazu zählt, daß er auch selbst rechtzeitig seine Weisung des Fahrweges erteilt und diese Weisung vom Talfahrer auch rechtzeitig wahrgenommen wird.
b) Zunächst war nicht zu beanstanden, daß die Schiffsführung von MS "K", wie es im dortigen Revier üblich ist, eine Begegnung Steuerbord-über-Steuerbord bevorzugte. Allerdings war es wegen der stark eingeschränkten Sichtmög¬lichkeiten erforderlich, alles zu tun, um eine entsprechende Weisung zu erteilen, die die Schiffsführung des entgegenkommenden Talfahrers MS "S" auch wahrnehmen konnte. Hierzu gab es drei Möglichkeiten, die im vorliegenden Falle kombiniert werden mußten: Gemäß § 6.04 Nr. 3 BinSchSO durch Setzen der hellblauen Tafel gekoppelt mit weißem Funkellicht. Dies geschah jedoch erst nach dem Zeitpunkt, nachdem die Schiffsführung von MS "K" das entgegenkommende MS "S" optisch wahrgenommen hatte. Zu Recht hat das Schiffahrtsgericht ausgeführt, daß der Abstand beider Schiffe bei der ersten Sicht von Schiffsführer W auf die Begegnungstafel von MS "K"' so gering gewesen ist, daß eine Befolgung der Kursweisung des Bergfahrers mittels Tafel durch den Talfahrer nur noch mit erheblichen Schwierigkeiten möglich war. Dies gilt gleichermaßen, ob man von den ohnehin unbestimmten Abstandsschätzungen des
Entgegen der mit der Berufung vorgebrachten Behauptung der Beklagten fuhr MS "K" nicht etwa bereits mit gesetzter Seitenflagge, ehe ein Sichtkontakt möglich war. Vielmehr hat der Schiffsfahrer von MS "K" bei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren selbst angegeben, kurz vor km 21,8 Talfahrt gesehen zu haben. In diesem Moment sei diese etwa 200 m entfernt gewesen, da eine weitere Begegnungstafel konnte daher von der Schiffsführung von MS S" erst bei weiterer Verringerung des Abstandes gesehen werden.
c) Weiterer Beweis war hierzu nicht zu erheben. Hinsichtlich der Frage, wie weit beide Schiffe tatsächlich bei der Annäherung und beim ersten Ansichtigwerden und dem Setzen der Tafel mit Blinklicht und dessen Erkennen voneinander ent¬fernt waren, hat das Schiffahrtsgericht die im Verklarungsverfahren durchgeführten Erhebungen richtig gewürdigt. Was den Plußverlauf des Neckars im Unfallbereich betrifft, so ist er dem Senat bekannt, so daß hierzu kein gerichtlicher Augenschein eingenommen werden mußte. Im übrigen lagen dem Senat sowohl die von den Parteien vorgelegten Fotografien (AS 1 40, 41) als auch entsprechende Karten vor.
Ob es im weiteren Neckarverlauf noch engere und gefährlichere und damit noch schlechter einzusehende Kurvenkrümmungen gibt, ist nicht entscheidungserheblich und bedarf deshalb nicht der Erhebung des angetretenen Beweises.
d) Die von der Schiffsführung von MS "K" gewünschte Begegnungsweisung konnte auch über Funk erfolgen. Hierzu hat der Schiffsführer von MS "K" nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme insoweit Gebrauch gemacht, als er sich über Kanal 10 meldete. Da' indessen die Schiffsführung von MS "S" hierauf nicht reagierte, konnte eine Begegnung auch nicht abgesprochen werden.
e) Gemäß § 6.04 l3inSchSO müssen Bergfahrer, wenn zu befürchten ist, daß die Begegnungsabsicht von Talfahrern nicht verstanden wurde, "zwei kurze Töne" abgeben, wenn die Begegnung Steuerbord-an-Steuerbord stattfinden soll. Entgegen der mit der Berufung vorgetragenen Ansicht des Klägers durfte die Schiffsführung von MS "K" gerade im vorliegenden Falle darauf nicht verzichten. Weder der von der Klägerin ins Feld geführte Gesichtspunkt des Lärmschutzes noch der der angeblichen Ortsunüblichkeit haben Gewicht gegenüber der Verpflichtung des Bergfahrers, die vorgesehenen Schallzeichen zur Vermeidung einer Kollision und damit einer Gefahr für Leib und Leben der Besatzungen von Schiffen und für erhebliche Sachwerte zu geben, wenn Talfahrer Kursweisungen nicht befolgen oder sonst durch ihren Kurs eine einwandfreie Begegnung gefährden. In solchen Fällen ist stets zu befürchten, daß die Talfahrer die Kursweisung des Bergfahrers aus Unachtsamkeit oder aus anderen Gründen nicht bemerkt oder nicht verstanden haben (BGH VersR 1971, 759, 769; vgl. zur Bedeutung von unterlassenen Schallsignalabgaben auch BGH VersR 1966, 772, 773 und VersR 1963, 825).
Im Hinblick auf das nautisch falsche Verhalten der Führung von MS "S" (dazu unten Ziffer 2), die auf die ortsübliche Begegnungsart Steuerbord-über-Steuerbord nicht eingerichtet war, die über Funk angekündigte Begegnung nicht wahrnahm und weiter Steuerbordkurs fuhr, gebot es die Sorgfalt der Schiffsführung des Bergfahrers, einen Kurs zu wählen, der zu einer kollisionsfreien Begegnung führt, auch wenn er mit der ursprünglichen Kursweisung in Widerspruch stand. Daß sie dies unterließ und die Steuerbordbegegnung durchsetzen wollte, gereicht ihr zu einem gewichtigen Vor¬wurf (vgl. auch RhSchiffOG Karlsruhe ZfB 1972, 273). In der ober- und höchstrichterlichen Rechtsprechung wurde dies - wie das Schiffahrtsgericht richtig berücksichtigt hat - mehrfach bestätigt.
Zu Recht hat das Schiffahrtsgericht auch darauf abgehoben, daß bei den örtlichen Gegebenheiten der Einhaltung eines klaren und unmißverständlichen Kurses durch die Bergfahrt bereits bei Annäherung an die Stromkrümmung eine besondere Bedeutung zukommt. Bei Annäherung muß die Bergfahrt der Talfahrt einen möglichst breiten Weg freimachen, damit die Seite, an der sie die Talfahrt passieren lassen will, dieser beim Insichtkommen eindeutig klar erscheint. Deshalb hätte die Schiffsführung von MS "K" in der Absicht der Talfahrt Steuerbord-über-Steuerbord zu begegnen, reits bei Annäherung an die Stromkrümmung einen Kurs am geographisch rechten Kanalufer fahren müssen. Nur so hätte sie von Anfang an auch dem Schiffsführer von MS "S" die Seite, an der er passieren sollte, klar und eindeutig gezeigt. Demgegenüber ist Schiffsführer nach seinen Angaben im Verklarungsverfahren aber bei Insichtkoznmen des Bergfahrers "knapp Mitte, mehr Steuerbord" gefahren, d.h. mehr zum linken Kanalufer hin. Dieser Kurs war geeignet, beim Talfahrer Mißverständnisse hinsichtlich der wünschten Begegnung entstehen zu lassen.
2. Der Verursachungs- und Verschuldensbeitrag der Schiffsführung von MS "S" besteht darin, daß sie sich nicht rechtzeitig über die im Revier üblichen Begegnungskurse informierte und darauf einrichtete und nicht für die Empfangsbereitschaft von Funksprüchen entgegenkommender Schiffe über Kanal 10 Sorge trug.
Für den Senat steht fest, daß Schiffsführer H von MS "S" annahm, im Unfallbereich werde grundsätzlich rechte gefahren, so daß nur Begegnungen Backbord-über-Backbord stattfinden würden. gei seiner Vernehmung im Verklarungsverfahren gab er an, daß er den Neckar vor dieser Reise das letzte Mal vor 20 Jahren befahren habe. Nach dem Unfall habe man ihm gesagt, daß an der Unfallstelle schiffahrtsüblich Steuer¬bord-über-Steuerbord begegnet würde. Er sei aber auf der fraglichen Strecke fremd gewesen und sei deshalb davon ausgegangen, daß er sich besser Steuerbord halte, wie dies auch in Belgien üblich sei.
Der ihn treffenden Sorgfaltepflicht hätte Schiffsführer de Winter jedoch nur dann genügt, wenn er sich rechtzeitig darüber unterrichtet hätte, welche Kurse an einer schwierigeren Stelle wie der im Unfallbereich üblicherweise eingehalten werden. Wenn er auf diese Weise erfahren hätte, daß die Stromkrümmung an der Unfallstelle üblicherweise zu einem Steuerbord-über-Steuerbord-Begegnungskurs führt, hätte er sich bereits bei der Annäherung darauf einstellen können und müssen und damit seinerseits einen klaren Kurs am linken Kanalufer fahren müssen. Nach seinen eigenen Angaben im Verklarungsverfahren ist er indessen an dem geographisch rechten Kanalufer entlanggefahren.
Zur Überzeugung des Senates steht fest, daß der Schiffsführer von MS "k" über Funk - Kanal 10 - sein Kommen ankündigte. Dies hat der am Unfallgeschehen völlig unbeteiligte und auch sonst ersichtlich am Ausgang des Rechtsstreites nicht interessierte Zeuge J seiner Vernehmung im Verführer von MS "K "laufend ... bald jeden Kilometer" meldete. Er habe jeweils seine Position und MS "K" auf Bergfahrt" durchgegeben.. Wenn ein Talfahrer engegengekommen sei, habe er Kursweisung gegeben. Vor der Begegnung mit MS "S" habe sich MS "K", wie folgt gemeldet: MS "K" zu Berg bei km 22". Kurze Zeit danach habe er eine Begegnung Steuerbord-über-Steuerbord angesagt. Von der Talfahrt sei jedoch danach keine Reaktion über Funk erfolgt. Im folgenden habe der Schiffsführer von MS "K" die Aufforderung zur Steuerbord-über-Steuerbord-Begegnung mehrfach wiederholt und sei dabei immer lauter geworden.
Demgegenüber will die Schiffsführung von MS "S" nichts gehört haben. Entgegen der Angriffe der Berufung der Beklagten hat das Schiffahrtsgericht völlig zu Recht entschieden. daß der mangelnde Empfang der bewiesenermaßen abgegebenen Funkdurchsagen die Schiffsführung von MS "S" belastet. Es ist nicht Aufgabe der Gegenseite im einzelnen darzulegen und zu beweisen, daß und weshalb das Empfangsgerät nicht bereit gehalten wurde oder defekt war und deshalb die wiederholten Positionsdurchsagen der Bergfahrt nicht gehört wurden. Der Bundesgerichtshof hat in einer neueren Entscheidung (VersR 1991, 605) betont, daß es die allgemeine Sorgfaltspflicht gebietet, daß Schiffsführer auf dem Rhein die an Bord vorhandenen technischen Einrichtungen, insbesondere ein Sprechfunkgerät, auch ohne ausdrückliche gesetzliche Verpflichtung benutzen, wenn damit die Gefährdung von Menschenleben, das Entstehen von Sachschäden oder Behinderungen der Schiffahrt vermieden werden können. Was der Bundesgerichtshof für die Schifffahrt auf dem Rhein ausgeführt hat, gilt gleichermaßen für die Schiffahrt auf dem Neckar, der ebenfalls wegen nicht gerade geringer Verkehrsdichte von zu Berg und zu Tal fahrenden Schiffen Gefahren für die Schiffahrt birgt. Technische Einrichtungen wie die vorhandenen Funfgerä e sind nicht nur aktiv einzusetzen, sie müssen auch in Betrieb gehalten werden, so daß über Sprechfunk gegebene Warnungen oder Begegnungsweisun¬gen empfangen werden können. Dies gilt in besonderem Maße an gefährlicheren Stellen wie Stromkrümmungen im Bereich des Schwabenheimer Kanales.
3. Der Senat teilt das Ergebnis der vom Schiffahrtsgericht vorgenommenen Abwägung der Verursachungs- und Verschuldensbeiträge. In der Ober- und höchstgerichtlichen Rechtsprechung wurde immer wieder betont, daß bei Kollisionen zwischen Berg- und Talfahrern besonders die hohe Verantwortung zu Buche schlägt, die sich aus der Weisungsbefugnis des Bergfahrers ergibt. Ihr kommt auch im vorliegenden Falle das entscheidende Gewicht zu. Ob über die im einzelnen oben bezeichneten Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Schiffsführungen beider beteiligter Motorschiffe noch zusätzlich anzulasten ist, daß die Kollision auch möglicherweise hätte dadurch vermieden werden können, daß an dem Bug des Schiffes Besatzungsmitglieder zum Wahrschauen hätten aufgestellt werden können, kann dahinstehen. Denn wenn man eine derartige Pflicht annimmt, so hätte sie für beide Schiffe gleichermaßen gegolten.
4. Beide Berufungen waren daher mit der sich aus §§ 92 Abs. 2, 97 ZPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet zurückzuweisen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Kosten eines Verklarungsverfahrens zu erstatten sind, ist nicht Gegenstand der Kostengrundentscheidung sondern des Kostenfestsetzungsverfahrens (ständige Rspr. des Senats - vgl. Beschluß vom 22.10.1991 - U 7/90 BSch - und vom 5.5.1992 - W 1/92 Bsch -). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Gemäß § 546 Abs. 2 ZPO war der Wert der Beschwer festzusetzen.