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Leitsatz:
Zur Irrtumsanfechtung eines Transportvertrages und ihren unterschiedlichen Rechtsfolgen gegenüber der Regelung in den §§ 36, 34 BSchG (Fehlfracht bei Kündigung des Absenders).
Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt
vom 6. Januar 1981
Zum Tatbestand:
Die Klägerin - eine Binnenschiffsreederei - und die tschechoslowakische Beklagte standen in Verhandlungen über den Abschluss eines Vertrages über den Binnenschiffstransport von 2500 t Elektrodenpech von Bamberg nach Rotterdam. Nachdem am 16. 8. 1978 die Verhandlungen zunächst gescheitert schienen, forderte die Klägerin nach einem weiteren am 17. 8. 1978 geführten Telefongespräch die Beklagte am Freitag, dem 18. 8. 1978, fernschriftlich zu einer definitiven Mitteilung auf, ob der Transport zu den genannten und schon festliegenden Bedingungen abgeschlossen werden könne. Dieses Fernschreiben - Nr. 8363 - hatte folgenden Wortlaut:
„Betreff: Transport von Elektrodenpech ab Bamberg nach Rotterdam.
Bezugnehmend auf das Ferngespräch, welches wir gestern Vormittag mit Ihnen hatten, bitten wir Sie, uns nun mitzuteilen, ob dieser Transport zu den von uns genannten Bedingungen nun endgültig mit Ihnen abgeschlossen werden kann und die Empfangstermine in Rotterdam so bleiben, wie Sie sie uns gestern durchgegeben haben.
Da wir disponieren müssen, wären wir für Ihren heutigen Bescheid dankbar."
In dem „Blitz" Telex - Nr. 348 - vom gleichen Tage antwortete die Beklagte wie folgt:
„ElektrodenpechTransport ab Bamberg nach Rotterdam - Ihr 18. 08.78
2500 t Elektrodenpech abgeschlossen Ankunftsdaten in Rotterdam:
12. September 1978 4/5. Okt. 78
26/27. Okt. 78 16/17. Nov. 78
6./7. Dez. 78
Bitten Mitteilung Ankunftsdaten in Bamberg und Versandadresse in Bamberg."
Die Klägerin hat dieses Fernschreiben ebenfalls per Telex - Nr. 8364 - am gleichen Tage (18. 08.1978, 13.47 Uhr) beantwortet, darin den Auftrag bestätigt, das Ankunftsdatum der 1. Partie in Bamberg und die Versandadresse genannt sowie außerdem Angaben über Empfangsadresse und Löschstelle in Rotterdam und über die Zollabfertigung in Bamberg und Rotterdam erbeten. Die Beklagte hat dann jedoch in einem Fernschreiben - Nr. 483 - vom Montag, dem 21. 08. 78, folgendes mitgeteilt:
„Transport von Elektrodenpech ab Bamberg nach Rotterdam. Danken für Ihr 8364 vom 18. 08. 78. Leider müssen wir Ihnen mitteilen, dass in der Zwischenzeit unserer Korrespondenz unsere Transportfirma C., die Monopolgesellschaft für Transport in der CSSR ist, den Transport o. a. Ware mittels anderer Firma sichergestellt hat. Sehr bedauern, dass aus diesem Grunde Ihre Transportdienste zurzeit nicht ausgenützt werden."
Die Klägerin bestätigte dieses Fernschreiben noch am gleichen Tag mit dem Hinweis, dass sie wegen des Rücktritts vom Vertrag Anspruch auf Fehlfracht habe (1/3 der vereinbarten Fracht), nämlich 10,- DM/t - ein Betrag, dem nach Darstellung der Klägerin bei der 1/3-Berechnung nicht einmal die volle Höhe der vereinbarten Fracht zugrunde gelegt war - und der Beklagten eine Rechnung darüber zusenden werde. Mit Telex vom 23. 8. 1978 erklärte darauf die Beklagte, dass sie keinen Vertrag mit der Klägerin abgeschlossen habe und alle Gespräche und Korrespondenzen nur informativen Charakter, insbesondere bezüglich des „Vertrages mit Rotterdam", gehabt hätten. Außerdem habe nicht sie, die Beklagte, sondern nur die Fa. C. in Prag Transportverträge abschließen können. Das Angebot der Klägerin sei der Fa. C. auch vorgelegt, der Auftrag jedoch wegen nicht entsprechender Frachtsätze einem anderen Unternehmen übertragen worden. Die negative Stellungnahme zu dem Angebot der Klägerin sei dieser rechtzeitig mitgeteilt worden. Nachdem die Klägerin in einem Schreiben vom 24.8.1978 ihren Rechtsstandpunkt, insbesondere ihre Auffassung über das Zustandekommen des Transportvertrages, dargelegt hatte, hat sich die Beklagte im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung nach wie vor darauf berufen, dass ein Frachtvertrag mit ihr nicht abgeschlossen worden sei.
Die Klägerin hat mit der Klage Zahlung einer Fehlfracht von 25000,- DM verlangt und sich auf die Rechtswirksamkeit des Transportvertrages berufen.
Die Klage ist in beiden Instanzen abgewiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen des OLG:
Der auf §§ 34, 36 Binnenschifffahrtsgesetz (BSchG) gestützte Zahlungsanspruch setzt das Zustandekommen eines Frachtvertrages zwischen den Parteien voraus. Ein solcher ist dadurch geschlossen worden, dass die Klägerin in ihrem Fernschreiben Nr. 8363 vom 18.8. 1978 mit der Aufforderung zum endgültigen Bescheid ein Vertragsangebot abgegeben hat, das von der Beklagten mit dem Fernschreiben vom selben Tag angenommen worden ist.
Nachdem zunächst am 16. 8. 1978 die Verhandlungen auf Grund des Inhalts des Fernschreibens der Beklagten gescheitert schienen, kam es noch am selben Tag wieder zu einer telefonischen Aufnahme der Kontakte und zu einem erneuten Fernschreiben der Klägerin an die Beklagte. Darauf fand am 17. 8. 1978 ein weiteres Telefongespräch statt. Dieses Gespräch war für die Klägerin Anlass, in ihrem Fernschreiben Nr. 8363 vom 18. 8. 1978 die Beklagte zu einer definitiven Mitteilung aufzufordern, ob der „Transport" zu den von ihr genannten Bedingungen „nun endgültig" mit ihr „abgeschlossen werden kann".
Die Antwort der Beklagten im Fernschreiben vom selben Tage zitiert zunächst „elektrodenpech Transport ab Bamberg nach Rotterdam" - insoweit inhaltlich übereinstimmend mit dem Betreff der Anfrage der Klägerin -, nennt das Datum des Fernschreibens der Klägerin und fährt dann fort: „2500 t elektrodenpech abgeschlossen". Daneben werden noch die Ankunftsdaten in Rotterdam genannt.
Auch wenn die Beklagte nur zum Ausdruck hat bringen wollen, dass sie einen Liefervertrag über das Elektrodenpech „abgeschlossen" hat, liegt eine Vertragsannahme vor. Denn die Beklagte muss sich daran festhalten lassen, wie ihr Verhandlungspartner objektiv den Inhalt ihrer Erklärung verstehen durfte. Nachdem die Klägerin die Beklagte zu einer bindenden Erklärung aufgefordert und dabei die Formulierung „Transport ... abgeschlossen werden kann" für einen möglichen Vertragsabschluß verwendet hat, stellte sich die Verwendung desselben Wortes „abgeschlossen" und die Nennung des Transportes als eine Erklärung über den Transportvertrag der Parteien und nicht über einen Liefervertrag der Beklagten mit einem Dritten dar. Das Fernschreiben der Beklagten war vom äußeren Ablauf her eine unmittelbare Reaktion auf die Aufforderung der Klägerin zu definitiver Stellungnahme, griff die auf den Transport bezogene Formulierung der Klägerin auf und musste deshalb auch inhaltlich als Erklärung zum erörterten Transportvertrag verstanden werden. Unterstützt wird dieser Eindruck noch durch die Angabe der für die Ausführung des Transportes wesentlichen Daten. Da Gewicht, Preis, Strecke und ein zeitlicher Rahmen schon festlagen, waren auch die notwendigen Elemente eines Frachtvertrages erfüllt, ohne dass es der weiteren von der Beklagten im Prozess geforderten Einigungen über Einzelheiten bedurfte (vgl. auch RGZ 155, 180, 181). Ebenso wenig ist von Bedeutung, ob die Beklagte im Verhältnis zu Fa. C. deren Zustimmung hätte einholen oder gar dieser den Vertragsschluss überlassen müssen. Die Beklagte wendet jedoch gegen den Vertrag mit Erfolg ein, dass sie diesen angefochten habe, weil sie etwas anderes habe erklären wollen. Sie hat ihre Anfechtung darauf gestützt, dass ihr Fernschreiben vom 18. 8. 1978 nur eine Mitteilung enthalten sollte darüber, dass sie einen Liefervertrag über 2500 t Elektrodenpech mit einem Dritten abgeschlossen habe. Darin liegt ein Inhaltsirrtum, der nach § 119 Abs. 1 BGB, 2. Alternative zur Anfechtung berechtigt. Die Anfechtung ist unverzüglich erklärt worden durch Fernschreiben der Beklagten vom 23.8. 1978 und den Brief der Beklagten vom 31. 8.1978, nachdem ihr aus den weiteren schriftlichen Stellungnahmen der Klägerin klar geworden war, dass die Klägerin von einem Vertragsschluss aufgrund des Telexwechsels vom 18. 8. 1978 ausging. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der 18.8. 1978 ein Freitag war. In ihrem Fernschreiben vom nächsten darauf folgenden Werktag, dem 21. 8. 1978 ging die Beklagte noch davon aus, dass das letzte Fernschreiben der Klägerin vom 18.8. 1978 (Nr. 8364) nur ein Angebot darstelle und gibt eine ablehnende Stellungnahme. Nach dem sie dann aufgrund weiterer Schreiben der Klägerin erkannte, dass diese von einem Vertragsschluss ausging, hat sie in ihrem Fernschreiben vom 23. 8. und in dem Brief vom 31. 8. 1978 Erklärungen abgegeben, die eine Anfechtung enthalten.
Nachdem im Fernschreiben der Beklagten vom 16. 8. 1978 gerade das Scheitern der Lieferverträge mit Dritten als Grund für die Beendigung der Verhandlungen mit der Klägerin angegeben worden war, erscheint es wahrscheinlich, dass hier ein sprachlicher Missgriff der Beklagten vorlag und sie sich über die Bedeutung der in ihrem Fernschreiben vom 18. 8. 1978 verwendeten Formulierungen in diesem Zusammenhang nicht im klaren war. dass bei der Beklagten insofern falsche Vorstellungen bestanden, hat die Klägerin auch nicht bestritten.
Die Auffassung der Klägerin, dass ihr auch bei erfolgreicher Anfechtung die Entschädigung nach § 36 BSchG zustehe, weil diese Vorschrift als lex specialis den Schadensersatz nach § 122 BGB konkretisiere, ist unrichtig. § 36 BSchG ist ein Ersatz für das Kündigungsrecht nach § 649 BGB, der sonst zur Anwendung käme, weil der Frachtvertrag ein Werkvertrag ist (RGZ 155, 180, 182). Das Anfechtungsrecht nach § 119 BGB besteht aber unabhängig von der Kündigungsmöglichkeit nach § 649 BGB (Palandt/Thomas, § 649 Anm. 4). Die Rechtslage ist bei dem Kündigungsrecht nach § 36 BSchG nicht anders. Die Kündigung nach § 36 BSchG löst den Vertrag nicht von Anfang an, sondern nur für die Zukunft auf und beläßt dem Frachtführer den Anspruch auf Gegenleistung in dem in § 34 BSchG festgelegten Umfang (RG a.a.O.).
Einen konkreten nach § 122 substantiierten Schaden hat die Klägerin nicht dargelegt.