Decision Database
Leitsatz:
Unter schifffahrtpolizeilichen Vorschriften i. S. d. § 2 Abs. 3 BSchVerfG sind nicht nur solche Vorschriften zu verstehen, wie sie in der RheinSchPVO enthalten sind, sondern entsprechend dem materiellen Polizeibegriff alle dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Binnenschifffahrt dienenden Rechtsvorschriften. Bei Verletzungen dieser Vorschriften liegen grundsätzlich in die Zuständigkeit der sachkundigen Schifffahrtsgerichte fallende Binnenschifffahrtssachen vor.
Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts
vom 23.04. 1991
RReg. 4 St 54/91
(Amtsgericht Aschaffenburg)
Zum Tatbestand:
Am 19. 10. 1989 erließ das Amtsgericht „A" Strafbefehl gegen den Angeklagten wegen fahrlässiger Verunreinigung eines Gewässers. Ihm wurde zur Last gelegt, als Schiffsführer das unsachgemäß reparierte und bereits beanstandete Tankmotorschiff „D", für das kein gültiges Zulassungszeugnis vorlag, auf dem Main geführt zu haben. An der Reparaturstelle war am 17. B. 1989 01 aus der Schiffsladung ausgetreten, welches das Gewässer im Staatshafen „A" verunreinigt hatte.
Mit Beschluss vom 4. 9. 1990 erklärte sich das Amtsgericht „A" auf entsprechenden Einwand des Angeklagten hin für unzuständig und stellte das Verfahren gemäß § 206a StPO ein. Auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht „A" diese Entscheidung auf und vertrat die Ansicht, mangels Vorliegens einer Binnenschifffahrtssache sei das Amtsgericht „A" zuständig.
In der Hauptverhandlung vom 21. 1. 1991 verurteilte daraufhin das Amtsgericht A den Angeklagten wegen fahrlässiger Verunreinigung eines Gewässers gemäß 024 Abs. 3 StGB zu einer Geldstraße von 50 Tagessätzen a 50 DM. In den Urteilsgründen hob das Amtsgericht hervor, dass der Angeklagte als verantwortlicher Schiffsführer verpflichtet gewesen wäre, vor jeder Fahrt den technischen Zustand des Schiffs zu kontrollieren. Hätte er dies in ausreichender Weise getan, hätte er die im Bereich der Gangbord befindliche, also an einer hei normaler Begehung des Schiffes sichtbaren Stelle unzureichend reparierte und ersichtlich mit einer Kittmasse verschmierte Schweißnaht erkennen können und für eine ordnungsgemäße Reparatur Sorge tragen müssen. Den Angeklagten habe insoweit sogar eine erhöhte Sorgfaltspflicht getroffen, da für ihn erkennbar, für diese Fahrt ein Zertifikat zur Beförderung gefährlicher Güter, zu denen Heizöl gehört, nicht vorhanden war.
Mit seiner Revision, gestützt auf die Rüge. das Amtsgericht habe als unzuständiges Gericht entschieden, hatte der Angeklagte Erfolg. Das Urteil des sachlich unzuständigen Amtsgerichts wurde aufgehoben, und die Sache wurde zur Entscheidung an das Schifffahrtsgericht verwiesen.
Aus den Entscheidungsgründen:
„Auf das vorliegende Verfahren ist das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen vom 27. 9. 1952 (BGBI 1 S. 641) anwendbar. Der Main gilt gemäß § 1 Abs. 1 WaStrG i.V.m. dem Verzeichnis der dem allgemeinen Verkehr dienenden Binnenwasserstraßen des Bundes als Bundeswasserstraße. Nach § 2 Abs 3 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen sind Binnenschifffahrtssachen u. a. Strafsachen wegen Taten, die auf oder an Binnengewässern unter Verletzung von schifffahrtspolizeilichen Vorschriften begangen sind und deren Schwerpunkt in der Verletzung dieser Vorschriften liegt, soweit für die Strafsachen nach den Vorschriften des Gerichtsverfassungsgesetzes die Amtsgerichte zuständig sind. Die Voraussetzungen dieser Norm liegen, wie schon die Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht in ihrer Stellungnahme vom 14. 3. 1991 dargelegt hat, hier vor. Unter schifffahrtspolizeilichen Vorschriften im Sinn der angeführten Norm sind nicht etwa nur solche Vorschriften zu verstehen, wie sie in der Rheinschifffahrtspolizeiverordnung enthalten sind, sondern entsprechend dem materiellen Polizeibegriff alle dem Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung der Binnenschifffahrt dienenden Rechtsvorschriften. Zu den schifffahrtspolizeilichen Vorschriften zählen deshalb vor allem auch die Verordnung über die Schiffssicherheit in der Binnenschifffahrt (Binnenschiffs - Untersuchungsordnung - BinSchUO vom 17. 3. 1988 (BGBI 1 S. 238) und die Gefahrgutverordnung - Binnenschifffahrt - GGV BinSch. Bei einer Wasserverunreinigung liegt der Schwerpunkt dann in der Verletzung schifffahrtspolizeilicher Vorschriften, wenn das Auslaufen der Schadstoffe gerade auf einer Missachtung der zur Sicherheit und Ordnung auf den Gewässern erlassenen Vorschriften zurückzuführen ist. Das ist hier der Fall, da im vorliegenden Verfahren zu klären ist, ob der Transport der gefährlichen Güter mit dem fraglichen Schiff überhaupt zulässig war und ob das Auslaufen des Öls nicht gerade auf der Verletzung einer den Schiffsführer nach der Binnenschifffahrtsuntersuchungsordnung treffenden wasserpolizeilichen Pflicht zurückzuführen ist. Die Beurteilung dieser Fragen setzt eine besondere Sachkunde voraus. Deshalb wurde vom Gesetzgeber die Institution der Schifffahrtsgerichte eingerichtet (vgl. hierzu Erster Bericht des Sonderausschusses für die Strafrechtsreform rum Entwurf eines EGStGB - BT-Drucks 111261 S. 46 und BGH vom 20. 4. 1979 - 2 ARS 76/79).
Auf die Revision des Angeklagten ist deshalb entsprechend dem Antrag der Staatsanwaltschaft bei dem Bayerischen Obersten Landesgericht das Urteil des sachlich unzuständigen Amtsgerichts A samt den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben (§ 338 Nr. 4 StPO).
Zuständig zur Entscheidung ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtsachen V.m. §27 Nr. 8 der Verordnung über gerichtliche Zuständigkeiten im Bereich des Staatsministeriums der Justiz (Gerichtliche Zuständigkeitsverordnung Justiz - GZVJu) vom 2. 2. 1988 das Amtsgericht W’ als Schifffahrtsgericht. Die Sache ist deshalb zur Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Amtsgericht ,W’ als Schifffahrtsgericht zu verweisen (§ 355 StPO)."
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1991 - Nr.20 (Sammlung Seite 1341 f.); ZfB 1991, 1341 f.