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Leitsatz:
Ist nur ein Teil eines Gesamtschadens, dessen Betrag sich aus Einzelforderungen zusammensetzt, mit der Klage geltend gemacht, so ist die Klage bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen auch dann wirksam und damit die Verjährung unterbrechend erhoben, wenn nicht nur die Aufgliederung des Klageantrages auf die Einzelforderungen, sondern auch die Bezifferung der Einzelforderungen erst nach Ablauf der Verjährungsfrist im Laufe des Rechtsstreits vorgenommen wird (Ergänzung zu BHG VersR 1959, 835=NJW 1959, 1819).
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 22. Mai 1967
II ZR 87/65
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Die Klägerinnen haben zunächst nur aufgewendete Bergungskosten von 17 000,- DM eingeklagt. In einem späteren, bei Gericht am 29. 12. 1962 eingegangenen Schriftsatz vom 28. 12. 1962, der den Beklagten am 11. 1. 1963 zugestellt wurde, haben sie ihre Klage um 35 864,32 DM auf 52 864,32 DM erhöht. Hiermit hatten sie 2/3 eines angeblichen Gesamtschadens von 79 296,48 DM geltend gemacht, der bei einer Havarie des bei ihnen versicherten Motorschleppers P entstanden war. Die Klägerinnen halten die Beklagte zu 1 als Eignerin, den Beklagten zu 2 als Schiffsführer und den Beklagten zu 3 als Lotsen des Kahnes L sowie die Beklagte zu 4 als Eignerin und den Beklagten zu 5 als Schiffsführer des Schleppers B für schadensersatzpflichtig. Den Gesamtschaden haben die Klägerinnen - zu einem noch späteren Zeitpunkt nach dem 11. Januar 1963 - im Prozel), wie folgt, spezifiziert:
Bergungskosten 17000,- DM
Hilfeleistung Sch. 77,50 DM
Interventionskosten 214,90 DM
Expertisekosten 1234,55 DM
Expertisekosten „St. Goar" 40,- DM
Expertisekosten „Leidel 1 " 118,60
DM Schaden lauf Taxe (einschließlich
des Habeschadens der Matrosen
K. und R. und der
Reederei) 60 610,93 DM
79 296,48 DM
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klagen gegen die Beklagten zu 1 und zu 4 zur Hälfte gegen die Beklagten zu 2, 3 und 5 zu 3/4 dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt und im übrigen abgewiesen. Das Rheinschiffahrtsobergericht hat die Beklagten zu 1) bis 3) nur in Höhe von 1/3 der Bergungskosten (= 5666,66 DM) verurteilt, die Klagen im übrigen wegen Verjährung abgewiesen. Auf die Revision der Klägerinnen wurde der Klageanspruch in Abänderung der vorinstanzlichen Urteile und soweit die Beklagten zu 1-3 nicht schon verurteilt waren, dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt gegenüber den Beklagten zu
1) in Höhe von 2/9
2) in Höhe von ¼
3) in Höhe von 1/4
= des Schadens abzüglich der Bergungskosten,
4) in Höhe von 1/9
5) in Höhe von 1/7
= des Schadens einschließlich der Bergungskosten.
des Schadens einschließlich 5) in Höhe von J der Bergungskosten.
Ferner wird in dem Revisionsurteil festgestellt, daß die Beklagten in Höhe ihrer Quote als Gesamtschuldner haften, jedoch zusammen nicht mehr als 1/3 des gesamten Schadens zu ersetzen haben.
Aus den Entscheidungsgründen:
Mit Recht wendet sich die Revision gegen die Ansicht des Berufungsgerichts, die Schadensersatzansprüche der Klägerinnen seien - mit Ausnahme des Anspruchs auf Ersatz der Bergungskosten, über den bereits rechtskräftig entschieden ist - verjährt.
Richtig ist, daß nur eine wirksam erhobene Klage die Verjährung unterbricht (§ 209 Abs. 1 BGB). Dazu gehört u. a., daß die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstandes und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthält (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). In der bei Gericht am 25. Juli 1962 eingegangenen, den Beklagten am 28. August 1962 zugestellten Klageschrift vom 20. Juli 1962 haben die Klägerinnen den Antrag gestellt, die Beklagten zur Zahlung von 17 000,DM zu verurteilen.
Die Erhöhung des Klagebetrages kann nicht anders verstanden werden, als daß die Klägerinnen damit einen weiteren Betrag ihres Gesamtschadens, auf den sie bereits in der Klageschrift hingewiesen hatten, ersetzt verlangten; denn bei sinngemäßer Auslegung kann sich das ,Grundverfahren' nur auf den durch den Schiffsuntergang entstandenen Schaden beziehen, den die Klägerinnen bisher nur hinsichtlich der aufgewendeten Bergungskosten spezifiziert hatten, während sie sich weitere Spezifizierung in dem Schriftsatz vom 28. Dezember 1962 vorbehielten.
Nach der Lebenserfahrung war es selbstverständlich, daß hierdurch nicht nur ein Aufwand für Bergungskosten geleistet werden mußte, sondern daß auch das Schiff und die Habe der Besatzungsmitglieder und der Reederei Schäden erlitten hatten und Nutzungsverlust für die Reparaturzeit eingetreten war; ebenso war es klar, daß hierdurch Nebenkosten, insbesondere Interventions- und Expertisekosten entstanden. Allerdings waren diese Schäden nicht spezifiziert, insbesondere ihre Höhe im einzelnen nicht angegeben. Die Angabe der Höhe der einzelnen Schadensposten war aber für eine wirksame Klageerhöhung nicht erforderlich. Zur Unterbrechung der Verjährung genügt eine wirksame Klage oder Klageerhöhung. Eine solche liegt vor, wenn der Sachverhalt, der dem Klagebegehren zugrunde liegt, geschildert ist und daraus sich die Rechtsfolge, die in dem Klagebegehren zum Ausdruck kommt, ergeben kann. Ein mangelhafter, insbesondere nicht genügend substantiierter Sachvortrag steht der Wirksamkeit der (erhöhten) Klage nicht entgegen. Die ausreichende Substantiierung, die zum Erlaß eines Urteils erforderlich ist, kann nachgebracht werden, wie sich aus den Vorschriften der §§ 139, 268, 278, 529 ZPO ergibt. Es kann dahinstehen, ob die Aufwendungen, die die Klägerinnen als Rechtsfolgerinnen der Schiffseignerin machten, einen einheitlichen Schadensersatzanspruch gemäß § 249 BGB darstellen oder nicht. Zur wirksamen Klageerhöhung bedurfte es nicht der ziffernmäßigen Angabe der einzelnen Forderungen.
Ist ein Gesamtschaden, dessen Betrag sich aus Einzelforderungen zusammensetzt, noch nicht zu übersehen, so kann zwecks Unterbrechung der Verjährung auf Feststellung geklagt werden, daß aller Schaden zu ersetzen ist, der auf dem Schadensereignis beruht. Dieser Feststellungsantrag kann der Höhe nach begrenzt werden. Wird eine Klage in dieser Weise erhoben, so werden alle Einzelforderungen rechtshängig, wobei der Kläger später, wenn er zur Leistungsklage übergeht, für die Schlüssigkeit seiner Klage substantiiert darlegen kann und darlegen muß, in welcher Höhe die Einzelforderungen für den Klageantrag herangezogen werden oder ob und in welcher Höhe die einzelnen Forderungen im Eventualverhältnis geltend gemacht werden. Wenn diese Rechtslage bei der Feststellungsklage besteht, so kann sie bei der Leistungsklage nicht anders sein, da der Streitgegenstand der Leistungsklage den der Feststellungsklage umfaßt.
Als angemessen erscheint es, für die Schiffseignerhaftung gemäß § 92 BSchG, § 736 Abs. 1 HGB den Schaden im Verhältnis von 1 (B):2 (L):6 (P) zu verteilen. Hiernach hat die Beklagte zu 1 zwei Neuntel, die Beklagte zu 4 ein Neuntel des Schadens der Klägerinnen, soweit er dem Klageanspruch einschließlich der abgetretenen Forderungen zugrunde liegt und über ihn noch nicht rechtskräftig (hinsichtlich der Bergungskosten) entschieden ist, zu ersetzen.
Unter den gleichen Voraussetzungen haben Führer und Lotse von L (Beklagte zu 2 und 3) ein Viertel, Führer von B (Beklagter zu 5) ein Siebentel des Schadens zu ersetzen. Jedoch haben alle Beklagten zusammen nicht mehr als ein Drittel zu ersetzen, während den Klägerinnen zwei Drittel des Schadens selbst zur Last fallen."