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Leitsätze:
1) Der von der Freien und Hansestadt Hamburg angestellte Hafenlotse wird bei der Beratung der Schiffsführung nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes tätig. Wird durch sein Verschulden eine Hafenanlage beschädigt, so haftet er der Freien und Hansestadt Hamburg nach § 823 BGB.
2) Der Hafenlotse steht einer Person der Schiffsbesatzung im Sinne des § 485 HGB gleich.
Zum Tatbestand:
Der Dampfer M der Beklagten verholte am 29. Oktober 1963 im Hamburger Hafen unter Assistenz von drei Schleppern vom Hansehafen zu einem anderen Liegeplatz. Für diese Fahrt war das Schiff mit dem Oberlotsen Sch. besetzt. Sch. ist Hafenlotse der Klägerin. Er ordnete die Maschinenmanöver an und gab den Schleppern Weisungen. Das Schiff kollidierte mit einer Dalbe, die beschädigt wurde. Der Schaden beträgt 60 515,27 DM.
Die Klägerin verlangt mit der Klage von der Beklagten Zahlung dieses Betrages und Duldung der Zwangsvollstreckung in das Schiff. Sie hat geltend gemacht, der Schaden an ihrer Dalbe sei auf fehlerhaftes Verhalten der Schiffsführung zurückzuführen, die die Kommandos des Lotsen nicht ohne Verzug oder überhaupt nicht ausgeführt habe. Hilfsweise werde ein Verschulden des Hafenlotsen behauptet. Für ein solches hafte nicht sie, sondern die Beklagte.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt. Sie hat ein Verschulden ihrer Besatzung oder des Hafenlotsen bestritten. Für ein etwaiges Verschulden des Lotsen hafte zudem die Klägerin, in deren Diensten er stehe.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Ersatzpflicht der Beklagten für die schuldhafte Beschädigung der Dalbe nebst der beschränkten Haftung ergibt sich, soweit die eigentliche Schiffsbesatzung oder die Besatzung der Schlepper sich schuldhaft verhalten hat, aus §§ 823 BGB, 485, 481, 486 HGB (vgl. BGHZ 22, 197). In seinem Urteil vom 27. Juni 1957 - II ZR 344/55 - (VersR 1957, 515) hat der erkennende Senat nach der damaligen Gesetzeslage (ebenso RGZ 126, 81, 87 unter Berufung auf RGZ 13, 114, 117) angenommen, daß der Hafenlotse zur Schiffsbesatzung im Sinne der §§ 736, 481 HGB gehört. Nachdem durch § 1 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über das Seelotsenwesen vom 13. Oktober 1954 (BGBI II 1035) bestimmt ist, daß der das Schiff beratende Seelotse nicht zur Schiffsbesatzung gehört, neigt der Senat der Auffassung zu, daß der die gleiche Tätigkeit ausübende Hafenlotse nicht zur Schiffsbesatzung im Sinne des § 481 HGB zu rechnen ist. Haftungsrechtlich ist aber der Seelotse in den durch § 59 Abs. 2 Nr. 1 SeelotsG geänderten Vorschriften der §§ 485 Satz 1, 486 Abs. 1 Nr. 3 HGB einer Person der Schiffsbesatzung gleichgestellt. Sinngemäß muß auch der Hafenlotse bei seiner beratenden Tätigkeit eine entsprechende Gleichstellung erfahren vorbehaltlich des Umstandes, daß ihm diese Tätigkeit etwa als Amtspflicht gegenüber dem Reeder übertragen ist.
Die Beklagte meint, ihre adjektiztsche Haftung als Reeder für den Hafenlotsen nach § 485 HGB müsse aber jedenfalls deshalb entfallen, weil die Klägerin gegen den Hafenlotsen, der als Beamter oder Angestellter in ihren Diensten stehe, keine Ansprüche wegen der beschädigten Dalbe habe. Er habe die Lotsung in Erfüllung seiner Dienstpflichten vorgenommen und dabei unsachgemäße Weisungen gegeben, die zur Beschädigung der Dalbe geführt hätten. Da das Berufungsgericht offengelassen hat, ob das Verschulden die Schiffsbesatzung oder den Lotsen trifft, ist für die Revisionsinstanz davon auszugehen, daß der Lotse es war, dessen schuldhaftes Verhalten zur Beschädigung der Dalbe geführt hat. Die Beklagte macht nicht geltend, die Klägerin habe ihr für die Lotsung ihres Schiffes einen ungeeigneten oder nicht ordnungsgemäß überwachten Lotsen zur Verfügung gestellt.
Die Tätigkeit des Hafenlotsen im Hafen Hamburg beruht auf §§ 77 ff. des Hamburger Hafengesetzes vom 21. Dezember 1954 (GVBI 1954 S. 169). Nach § 7 Abs. 1 des Gesetzes wird Seeschiffen bestimmter Art vom Oberhafenamt auf Anforderung für den Verkehr im Hafen ein Hafenlotse gestellt. Er ist entweder Beamter oder Angestellter der Klägerin. Nach § 8 isst er nautischer Berater der Schiffsführung. Diese ist auch während der Anwesenheit des Lotsen an Bord für die Führung des Schiffes verantwortlich.
Der Hamburger Hafenlotse ist also ein freiwillig angenommener Beratungslotse. Er wird, wie das Berufungsgericht mit Recht hervorhebt, auch nicht dadurch zum verantwortlichen Führer des Schliffes, daß er selbst Kommandos an die Schiffsbesatzung gibt (vgl. OLG Hamburg MDR 1952, 681).
Die Revision will die Tätigkeit des Hamburger Hafenlotsen bei der nautischen Beratung der Schiffsführung als Ausübung eines öffentlichen Amtes betrachten, so daß das klagende Land nach Art. 34 GG für ihn einzustehen habe. Die Frage, ob der Hafenlotse bei der eigentlichen Lotsentätigkeit en öffentliches Amt ausübt, unterliegt der Nachprüfung durch das Revisionsgericht. Soweit allerdings dabei nichtrevisible Normen des hamburgischen Landesrechts, z. B. § 7 Hafengesetz, ausgelegt werden, ist die Auffassung des Berufungsgerichts bindend (vgl. BGH VersR 1958, 162, 163). Danach werden die Hgfenlotsen in Hamburg nach freier Entschließung des Schiffsführers angenommen und können nach seinem Ermessen auch jederzeit aus ihrer Beratungstätigkeit entlassen werden. Ein Organisationsakt, der die nautische Tätigkeit des Lotsen zur Ausübung eines öffentlichen Amtes macht, ist vom Berufungsgericht dem § 7 Hafengesetz nicht entnommen worden. Auch sonst verstößt die Auffassung des Berufungsgerichts nicht gegen bundesrechtliche Grundsätze.
Die Klägerin hat nach den Ausführungen des Berufungsgerichts entsprechend der Rechtslage, wie sie seit jeher in Hamburg bestanden hat (vgl. OLG Hamburg HansGZ 1907 HptBl. Nr. 43; HansRZ 1925 Nr. 170), die Lotsung der im Hafen Hamburg verkehrenden Schiffe in zulässiger Weise nicht in den Kreis ihrer staatlichen Aufgaben aufgenommen. Diese Ausführungen sind den Angriffen der Revision nach § 549 ZPO entzogen (vgl. RGZ 114, 197, 200 f).
Zutreffend hat auch das Berufungsgericht das Lotsen der Schiffe im Hafen nicht unter die von der Klägerin im Rahmen ihrer privatrechtlichen Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGHZ 9, 337; 20, 57) zu treffenden Maßnahmen gerechnet. Die Schiffe können im Hafen Hamburg auch ohne Annahme eines Lotsen verkehren (§ 7 Hafengesetz). Die Verwaltung der Wasserstraße hat sich entsprechend § 7 Abs. 1 Hafengesetz beim Hafenbetrieb darauf beschränkt, geeignetes Lotsenpersonal zur Erleichterung des Navigierens zur Verfügung zu stellen. Beim Schleusenbetrieb gehört z. B. das ordnungsmäßige Einschleppen durch einen Schleppwagen der Kanalverwaltung notwendig zur Erfüllung der Verkehrssicherungspflicht (vgl. BGH LM § 823 EA Nr. 23), nicht aber besteht die Pflicht des Schleusenpersonals, vor Abgabe des grünen Lichtzeichens zu prüfen, ob noch genügend Platz in der Schleusenkammer ist (BGH MDR 1965, 556). Diese Prüfung hat, wie das Navigieren sonst, der Schiffsführer unter seiner Verantwortung vorzunehmen. Die Verwaltung der Wasserstraße hat also nicht den Verkehr in der Art zu sichern, daß sie der Schiffsführung bei bestimmten nautischen Entscheidungen verantwortliche Hinweise gibt oder sogar wegen der Schwierigkeiten des Hafenbetriebes die laufende Beratung durch einen Lotsen übernimmt.
Auch aus dem Hafenbenutzungsverhältnis, mag dieses öffentlich-rechtlich oder privat-rechtlich geregelt sein, folgt keine Pflicht. die Lotsung der Schiffe im Hafen zu übernehmen. Damit ist zugleich entschieden, daß eine Haftung der Klägerin für ein Verschulden des Lotsen bei der Beratung der Schiffsführung weder aus einer unmittelbaren oder einer entsprechenden Anwendung des § 278 BGB auf öffentlich-rechtliche Verhältnisse noch aus § 831 BGB hergeleitet werden kann.
Die Klägerin ist hierdurch nicht durch beamtenrechtliche oder arbeitsrechtliche Grundsätze gehindert, gegen den Hafenlotsen Ansprüche aus § 823 BGB zu erheben, weil er - wie zu unterstellen ist - schuldhaft ihre Anlagen beschädigt hat, als er die Schiffsführung beriet.
Der Gesichtspunkt schadengeneigter Tätigkeit mag dem Lotsen gegen den Reeder, in dessen Diensten er steht, einen Anspruch auf Freistellung von der Haftung geben, berührt aber nicht die unbeschränkte Haftpflicht des Lotsen gegenüber dem Geschädigten (vgl. BGHZ 41, 203), hier gegenüber der Klägerin, mag er auch zu dieser in einem Beamten- oder Angestelltenverhältnis stehen.
Die Voraussetzung der sog. adjektizischen Haftung nach § 485 HGB, daß die Klägerin einen Ersatzanspruch gegen den Hafenlotsen hat, der der Schiffsbesatzung haftungsrechtlich gleichsteht, ist erfüllt. Voraussetzung der Haftung ist nicht, daß dem Reeder ein Regreßanspruch gegen den Lotsen zusteht.
Hiernach ist die Klage auch dann gerechtfertigt, wenn den Hafenlotsen ein Verschulden an der Beschädigung durch seine Manöver treffen sollte. Das Berufungsgericht hat jedenfalls ein schuldhaftes Manövrieren des Schiffes für erwiesen erachtet, was von der Revision nicht angegriffen wird. Für die rechtliche Beurteilung ist es gleichgültig, ob die für den Schaden ursächlichen Handlungen oder Unterlassungen von der eigentlichen Schiffsbesatzung oder vom Hafenlotsen herrühren. Für beide haftet die Beklagte."