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Leitsatz:
Allgemeine Geschäftsbedingungen, welche Schadensersatzansprüche bei schuldhaft versäumter Nachbesserung ausschließen, können trotz eines stattdessen eingeräumten Rücktrittsrechts unwirksam sein, wenn hiervon Gebrauch zu machen für den Besteller nach den Umständen praktisch nicht in Betracht kommt.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 18. Juni 1979
II ZR 65/78
(Landgericht Hamburg; Oberlandesgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Die beklagte Werft hatte für die Klägerin für rd. 4,4 Mill. DM einen Spezial-Motortanker zum Transport von flüssigem Asphalt (bis zu 200 C) und von anderen flüssigen Produkten gebaut. An der eingebauten Thermoöl-Tankheizungsanlage, deren Verwendung auf einem Schiff technisches Neuland bedeutete, zeigten sich von Anfang an Funktionsmängel und Schäden.
Die Klägerin hat behauptet, daß ihr wegen strömungstechnischer Fehler im Leitungssystem und darauf beruhender Druckstöße, Vibrationen und steigender Öltemperaturen sowie der im Schiffsbetrieb entstandenen Lager-, Dichtungs-, Wellen- und Zahnradschäden, die längere Nachbesserungsarbeiten auf der Werft der Beklagten und anderen Werften bedingt hätten, ein Schaden von fast 240000,- DM infolge Verletzung der Nachbesserungspflicht entstanden sei. Die macht diesen Betrag als Teilschaden geltend, den sie vorwiegend mit Nutzungsausfall während der Werftliegezeiten begründet.
Die Beklagte bestreitet eine Verletzung der Nachbesserungspflicht und beruft sich vor allem auf den Gewährleistungsansprüchen. U. a. sollte nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Art. IX Abs. 6) die Erstattung solcher Schäden ausgeschlossen sein, die nicht an dem betreffenden Liefergegenstand selbst entstanden waren.
Das Landgericht hat der Klage zum größten Teil stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie im vollem Umfang abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur anderweiten Entscheidung zurückverwiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
„....
Es kommt darauf an, ob die Beklagte durch Nr. IX Abs. 6 der Geschäftsbedingungen die hier in Betracht kommenden Schadensersatzansprüche rechtswirksam ausschließen konnte
oder diesem Ausschluß der Grundsatz von Treu und Glauben entgegensteht. Das Berufungsgericht hat gemeint, jene Bestimmung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht beanstanden zu können, weil die Klägerin nicht rechtlos gestellt gewesen sei, sondern nach IX Abs. 5 ein Rücktrittsrecht gehabt habe. Seine Ansicht läßt sich aber jedenfalls ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht halten.
Zwar hat der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung als Mindesterfordernis einer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthaltenen Beschränkung der Mängelhaftung, die noch im Einklang mit Treu und Glauben stehen soll, angesehen, daß dem Besteller, dem Schadensersatzansprüche verwehrt sein sollen, ein Mängelbeseitigungsanspruch sowie - für den Fall verzögerter, verweigerter oder mißlungener Nachbesserung - ein Recht auf Rücktritt, Wandlung oder Minderung eingeräumt ist (BGHZ 48, 264, 267; 62, 323, 325; 65, 107, 111 f; 70, 240, 242 f; das zum Abdruck im Nachschlagewerk bestimmte Urteil v. 22. 3. 79 - VII ZR 142/78, BB 1979, 804 sämtl. m. w. N.).
Entscheidend ist jedoch, ob das dem Besteller eingeräumte Rücktrittsrecht als Schutz ausreicht. Das hat der Bundesgerichtshof in den oben genannten Fällen bejaht, es muß jedoch - wie auch in jenen Entscheidungen zum Ausdruck gekommen ist - in jedem Einzelfall unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände geprüft werden, ob der Besteller trotz des ihm formal zustehenden Rücktrittsrechts nicht doch praktisch rechtlos gestellt ist. Hierbei kommt es im vorliegenden Falle neben der rechtlichen Ausgestaltung des Rücktrittsrechts, deren Beurteilung durch das Berufungsgericht nicht zu beanstanden ist, wesentlich darauf an, ob die Klägerin dem wiederholten Fehlschlagen der Nachbesserung kaufmännisch zumutbar dadurch entgegentreten konnte, daß sie den Rücktritt erklärte. Gewichtige Zweifel daran drängen sich deshalb auf, weil bei Objekten der Art und Größenordnung wie dem von der Beklagten gebauten Schiff die wirtschaftliche Nutzung in der Regel langfristig geplant sowie durch entsprechende vertragliche Bindungen abgesichert werden muß und zum anderen die Rückabwicklung eines Auftrags von rund 4,4 Mio. DM normalerweise mit unübersehbaren Schwierigkeiten und Risiken verbunden ist. Hinzu kommt unabhängig von der vertraglichen Bindung die Frage, ob die Klägerin ihre geschäftlichen Planungen in kaufmännisch vertretbarer Weise kurzfristig auf ein anderes Objekt hätte umstellen können, wenn sie sich von dem Schiff trennte, das eine längere Vorbereitungs- und Bauzeit erfordert hatte. Schließlich darf die besondere Erschwerung nicht übersehen werden, die für die Klägerin daraus erwuchs, daß sie immer wieder den Rücktritt von einem Objekt mit mehr als 4 Mio. DM Anschaffungskosten gegenüber dem in der finanziellen Größenordnung nicht vergleichbaren Nutzungsausfall infolge eines weiteren Nachbesserungsversuchs abzuwägen hatte.
Gegenüber diesen gewichtigen Zweifeln an einem ausreichenden Schutz der Interessen des Bestellers greift die vom Berufungsgericht angestellte Erwägung nicht durch, es sei Sache der Klägerin gewesen, die einen längeren Zeitchartervertrag habe abschließen wollen oder auch bereits abgeschlossen hatte, sich durch entsprechende ausdrückliche Vereinbarungen zu sichern. Vielmehr geht es darum, daß die Beklagte mit ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vom gesetzlichen Leitbild des Werklieferungsvertrags abgewichen ist und sie die abweichende Regelung nicht für sich in Anspruch nehmen kann, wenn die Klägerin hierdurch im Ergebnis rechtlos gestellt wird. Die Beklagte vermag entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts auch daraus nichts für sich herzuleiten, daß die Heizungsanlage technisches Neuland darstellte und die Übernahme der Haftung für Charterausfälle ein kaum überschaubares Risiko bedeutet hätte. Richtig ist zwar - was im Rahmen von Treu und Glauben berücksichtigt werden muß -, da6 der Werkunternehmer ein verständliches Interesse am Ausschluß von Schadensersatzansprüchen gerade dann haben wird, wenn es sich um eine für den Einzelfall besonders konstruierte Anlage handelt (vgl. BGH, Urt. v. 24. 1. 63 - VII ZR 100/61, NJW 1963, 1148; v. 6. 12. 73 - VII ZR 17/72, LM BGB § 635 Nr. 35 unter II 3). Hierauf kann sich aber die Beklagte nicht berufen, wenn sie - wovon für die Revisionsinstanz auszugehen ist - gerade das Vertrauen der Klägerin dafür in Anspruch genommen hat, sie - Beklagte - sei fähig, eine betriebssichere Anlage zu erstellen. Denn die Klägerin hatte behauptet, ihr Inhaber habe bei den Vertragsverhandlungen immer wieder gefragt, ob er sich angesichts der in Aussicht genommenen langfristigen Vercharterung des Schiffes auch darauf verlassen können, daß die Heizungsanlage funktioniere. Die Vertreter der Beklagten hätten aber erwidert, hierauf könne er sich mit Sicherheit verlassen.
...“