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Leitsatz:
Die Wasserstraßenverwaltung ist nicht verpflichtet, das Fahrwasser außerhalb der Fahrrinne zu kennzeichnen. Wenn Wasserstand und Abladung kein unbedenkliches Überfahren eines außerhalb der Fahrrinne befindlichen gefährlichen Grundes gestatten, liegt bei Befahren des Grundes eine nautisch fehlerhafte Fahrweise vor. Eine allgemeine Übung, derartige Stellen in leichtfertiger Weise zu befahren, stellt sich als Mißbrauch dar und kann ebenfalls keine Verpflichtungen der Verwaltung im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht auslösen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 17. Dezember 1964
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort, Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Der der Klägerin gehörende 1350-to-Kahn A", auf erster Länge im Anhang eines Motorschleppers zu Berg fahrend und bei einem Bonner Pegel von 1,68 m und Kölner Pegel von 1,71 m mit 1 042 to Kohlen auf 2,08 m bzw. 2,11 m abgeladen, blieb rechtsrheinisch bei Rhöndorf (km 642,95) auf einem großen Stein sitzen (1,90 m lang, 1,60 m breit, 0,53 m hoch nach oberstrom und 0,85 m hoch unterstrom); der Stein wurde etwa 1 Jahr nach diesem Unfall von der beklagten WSD beseitigt.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz für die erheblichen, durch das Auffahren entstandenen Schiffsschäden, weil die Beklagte ihre Verkehrssicherungspflicht verletzt habe. Kahn A" sei richtig beladen gewesen. Der rechtsrheinische Kurs des Schleppzuges sei, wenn sich linksrheinisch weitere Bergfahrt befinde, seit Jahren durchaus üblich. Die Beklagte habe den im Fahrwasser der durchgehenden Schiffahrt zumindest in unmittelbarer Nähe der Fahrrinne gelegenen Stein entfernen oder wenigstens kennzeichnen müssen, besonders nachdem seine Gefährlichkeit durch Raken schon vorher des Kahnes B" und späterhin weiterer Schiffe erkennbar geworden sei.
Die Beklagte bestreitet alle vorgenannten Verpflichtungen. Der Stein habe weder in der Fahrrinne oder in ihrer Nähe noch in dem bei dem Wasserstand des Unfalltages befahrbaren Strombereich gelegen. Er sei Bestandteil des als besondere Gefahrenstelle bekannten und von der überwiegenden Mehrheit der Bergfahrer gemiedenen Drachenfelser Grundes, der ein natürliches Hindernis darstelle und unter Berücksichtigung des Wasserstandes und des Tiefganges des Kahnes nicht hätte befahren werden dürfen. Der Schiffsschaden müsse auf die nautisch fehlerhafte Fahrweise des Kahnes der Klägerin, also auf ihr eigenes Verschulden, zurückgeführt werden. Das Rheinschifffahrtsgericht hat die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt, das Rheinschiffahrtsobergericht hat sie abgewiesen. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Senat hat sich in seinem Urteil vom 29. März 1962 II ZR 43/60*) mit der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten auf dem Rhein auseinandergesetzt. An den in diesem Urteil aufgestellten Grundsätzen wird festgehalten.
Das angefochtene Urteil hält sich im Rahmen dieser Grundsätze.
Der erkennende Senat hat eine Kennzeichnungspflicht der Beklagten für Hindernisse im Fahrwasser außerhalb der Fahrrinne nur insoweit anerkannt, als Hindernisse neu entstehen und die Beklagte hiervon Kenntnis erhält. Um ein solches neues Hindernis handelt es sich jedoch nach der Feststellung des Berufungsgerichts nicht, vielmehr um eine seit langer Zeit bestehende Unebenheit im Gefahrenbereich des Drachenfelser Grundes. Die von der Revision vertretene Auffassung, auch solche Hindernisse seien zu beseitigen, würde dazu führen, daß die Beklagte gezwungen wäre, die Fahrrinne zu erweitern, was nicht rechtens ist. Auch eine Kennzeichnung kommt nicht in Frage. Das Fahrwasser außerhalb der Fahrrinne kann überhaupt nicht gekennzeichnet werden, da es u. a. von der Abladetiefe des Schiffes abhängt. Theoretisch denkbar wäre nur, jeweils die flachste Stelle des Fahrwassers zu kennzeichnen. Das ist aber praktisch nicht durchführbar, da bei den außerordentlich zahlreichen Unebenheiten von Fahrwassergrund außerhalb der Fahrrinne eine überaus grobe Zahl von Gefahrenstellen gekennzeichnet werden mühte, eine zuverlässige Kennzeichnung auch nur durch Bojen erfolgen könnte, die nach der Erfahrung oft in kürzester Zeit von Schiffen abgefahren werden. Soweit geht die Verkehrssicherungspflicht der Beklagten nicht; ein solches Verlangen wäre unzumutbar.
Der Revision kann zwar zugegeben werden, daß nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Zahl der rechtsrheinischen Bergfahrer zugenommen hat. Dem steht aber die weitere Feststellung im angefochtenen Urteil nicht entgegen, daß die Bergfahrt in ihrer groben Mehrheit den ihr wohlbekannten Gefahrenbereich des Drachenfelser Grundes durchaus respektiert und sich, zwar auch rechtsrheinisch, aber in genügendem Abstand vom Grund entfernt hält, sofern nicht Wasserstand und Abladung ein unbedenkliches Überfahren des Grundes gestatten. Aus der zunehmenden Verkehrsdichte läßt es sich ohne weiteres erklären, daß die Bergfahrt unter Beachtung nautischer Sorgfaltspflicht bei entsprechender Abladetiefe und entsprechendem Wasserstand häufiger als früher den rechtsrheinischen Kurs wählt.
Der Umstand, daß bis zum Unfall des Kahns "A" trotz des außerordentlich starken Bergverkehrs nur der Kahn "B" unter Verletzung nautischer Sorgfaltspflicht die Unfallstelle befuhr und dabei rakte, zeigt die Richtigkeit der Auffassung des Berufungsgerichts, daß von einer Übung, die Unfallstelle in leichtfertiger Weise zu befahren, keine Rede sein kann, ganz abgesehen davon, daß sich eine solche Übung, wie der Senat im Vorprozeß ausgeführt hat, als Mißbrauch darstellen würde, die keine Malinahmen der Beklagten im Rahmen ihrer Verkehrssicherungspflicht hätte auszulösen brauchen."