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Leitsatz:
Legt sich ein Schiff neben ein stilliegendes Fahrzeug und wird es mit diesem durch Drähte verbunden, so trägt der Führer des anlegenden Schiffes grundsätzlich selbst die Verantwortung für das sichere Liegen seines eigenen Schiffes und auch dafür, daß das stillliegende Schiff nicht durch sein Anlegen gefährdet wird.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 17. Januar 1963
(Schiffahrtsgericht Mannheim/Schiffahrtsobergericht Karlsruhe)
II ZR 48/61
Zum Tatbestand
Der bei der Klägerin versicherte Schleppkahn A" ging im Oberwasser einer Neckarschleuse auf der Backbordseite des am rechten Ufer auf Schleusung wartenden, der Beklagten zu 1 gehörenden, vom Beklagten zu 2 geführten Schleppkahnes B" längsseits. Beide Kähne hatten Anker gelegt, und zwar Kahn A" seinen vierflunkigen Heck-Warp-Anker, Kahn B" Bug- und Heckanker. Untereinander waren die Kähne mit Drähten verbunden. Kahn B" hatte mangels Befestigungsmöglichkeit keine Drähte an Land stehen.
Als ein Bergschleppzug, bestehend aus Boot C" und Kahn D", aus der Schleuse kam und Boot C" die stilliegenden Kähne A" und B "erreicht hatte, gingen deren Hinterschiffe vom rechten Ufer ab und verfielen so in den Fahrweg, daß Kahn D" gegen den Kahn A" fuhr und diesen so schwer beschädigte, daß er sank.
Die Klägerin verlangt von den Beklagten Schadensersatz mit der Begründung, daß der Beklagte zu 2 schuldhafterweise seinen Kahn B" nicht genügend befestigt und hierüber den Schiffsführer von A" nicht entsprechend gewahrschaut habe.
Die Klage blieb in allen 3 Instanzen erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen
Als Rechtsgrundlage für den Anspruch der Klägerin auf Ersatz des durch den Zusammenstoß entstandenen Schadens kommen §§ 3, 92 BSchG in Verbindung mit §§ 735 ff HGB hinsichtlich der Beklagten zu 1 und § 823 BGB hinsichtlich des Beklagten zu 2 in Betracht. Das Verschulden im Sinne dieser Vorschriften kann in dem unfallursächlichen Verstoß gegen bestimmte Gebots- und Verbotsnormen, aber auch in der Verletzung der allgemeinen Sorgfaltspflicht (§ 276 BGB) liegen.
Dem Berufungsgericht ist zuzustimmen, daß der Führer eines Schiffes, das sich neben ein anderes Fahrzeug legt, grundsätzlich selbst die Verantwortung für sein sicheres Liegen trägt und, wie ergänzend hinzuzufügen ist, auch dafür, daß das andere Fahrzeug durch sein Anlegen nicht gefährdet wird. Wenn der Führer des anderen Fahrzeuges es unterläßt, den Führer des anlegenden Schiffes auf Umstände hinzuweisen, die Gefahrenquellen darstellen können, so verletzt er in der Regel keine ihm gegenüber dem anlegenden Schiff bestehende Rechtspflicht; zu seinen Dienstobliegenheiten (vgl. § 3 BschO) gehört es nicht, das anlegende Schiff zu betreuen; dadurch daß er in das Anlegen einwilligt, übernimmt er keine Obhutspflicht für das anlegende Schiff. Der Führer des anlegenden Schiffes hat in eigener Verantwortlichkeit zu prüfen, ob der von ihm in Aussicht genommene Liegeplatz den schiffahrtspolizeilichen und nautischen Erfordernissen entspricht, ob durch sein Anlegen der Schiffsverkehr behindert oder gar gefährdet wird und ob nach den Wind-, Wetter- und Strömungsverhältnissen und der für sein Schiff bestehenden Befestigungsmöglichkeit ein gesichertes Liegen gewährleistet ist. Wenn er sein Schiff mit dem anderen Fahrzeug durch Drähte verbindet, so obliegt ihm die Prüfung, ob nicht durch sein Anlegen das andere Fahrzeug gefährdet wird. Erleidet sein eigenes Schiff infolge des Anlegens einen Schaden, so kann er sich grundsätzlich nicht darauf berufen, daß der Führer des anderen Fahrzeuges ihn auf gefahrenbringende Umstände hätte aufmerksam machen müssen, die ihm bei sorgfältiger Prüfung ebenso erkennbar waren wie dem Führer des anderen Fahrzeuges. Für den letzteren besteht gegenüber dem anlegenden Schiff eine Rechtspflicht zur Warnung regelmäßig nur dann, wenn von seinem eigenen Fahrzeug Gefahren ausgehen, die für die Führung des anlegenden Schiffes nicht, dagegen für den Führer des anderen Fahrzeuges erkennbar sind.