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Leitsätze:
1) Zur Frage, ob der Schiffer, der beim eiligen Ablegen zur Rettung Dritter das Ruder seines Fahrzeuges beschädigt, den ihm daraus entstandenen Schaden nach den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag ersetzt verlangen kann.
2) § 680 BGB findet auch auf die Ersatzansprüche des Geschäftsführers wegen der ihm aus der Geschäftsbesorgung entstandenen Schäden Anwendung.
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17. Februar 1972
II ZR 46/70
(Schiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Schiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Der Beklagte segelte mit einem Vorschotmann das ihm gehörende Starboot T und geriet während einer Flaute infolge der Strömung gegen das rechte Rheinufer in Düsseldorf, wo es mit dem festgemachten Personenmotorschiff S kollidierte. Mit gebrochenem Mast trieb es sodann im Fahrtweg der Bergfahrt an dem etwas unterhalb gelegenen Bunkerboot S53 vorbei. Dessen Ausrüster (zugleich Schiffer) geriet beim Versuch der Hilfeleistung und beim Ablegen mit dem Ruder des Bunkerbootes gegen die Spundwand des Ufers. Der Beklagte konnte unter Mitwirkung des Schiffers von S53 gerettet werden, der Vorschotmann rettete sich selbst. Das Segelboot kenterte zwischen den Befestigungsketten eines Anlegesteigers und ging verloren.
Die Klägerin verlangt aus abgetretenem Recht Ersatz des Bunkerbootschadens einschl. Expertisekosten und Nutzungsverlust von zusammen ca. 4300,- DM unter Berufung auf die Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag.
Der Beklagte bestreitet eine Verpflichtung zum Ersatz von Schäden, die durch ein falsches Ablegemanöver des Bunkerbootes entstanden seien.
Beide Vorinstanzen haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die zugelassene Revision des Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Revision kann nicht bestreiten, daß der Schiffer von S53 ein Geschäft des Beklagten besorgte, als er dem Segelboot zu Hilfe eilte, dessen Besatzung sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts bereits während des Vorbeitreibens an S53 in höchster Lebensgefahr befunden hatte, und daß der Einsatz von S53 hierzu dem Interesse des Beklagten und seinem wirklichen oder mutmaßlichen Willen entsprach.
Es ist allgemein anerkannt, daß bei einer mit Gefahren verbundenen Geschäftsführung ohne Auftrag auch Schäden des Geschäftsführers zu den nach §§ 683, 670 BGB zu ersetzenden Aufwendungen gehören (BGHZ 38, 270, 277). Es muß sich dabei allerdings, wie von der Rechtsprechung zu § 670 BGB wiederholt ausgeführt worden ist (vgl. BGH VersR 1957, 388, 390), um Schäden handeln, die infolge der Gefährlichkeit der Geschäftsbesorgung eingetreten sind.
Die Revision meint jedoch in Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil, daß ein solcher Fall hier nicht vorgelegen habe, weil „die Geschäftsführung selbst mit Gefahren nicht verbunden gewesen" sei, und hält aus diesem Grunde - insoweit im Gegensatz zum Berufungsgericht - die Annahme einer Ersatzpflicht des Beklagten gemäß §§ 683, 670 BGB nicht für vertretbar.
An diesen Ausführungen ist lediglich richtig, daß das Ablegen vom Liegeplatz und die Zufahrt zum Ort der Hilfeleistung, wie sie der Schiffer von S53 auszuführen hatte, unter normalen Umständen keine besonderen Schwierigkeiten mit sich gebracht hätte, die das Bunkerboot hätten gefährden können. Darauf kommt es aber nicht an. Auch ein an sich gefahrloses Manöver kann von vornherein riskant und typischerweise mit Gefahren verbunden sein, wenn es in höchster Eile ausgeführt werden soll. Ist das der Fall, so kann die mit dem Manöver übernommene „Geschäftsführung" wegen der Besonderheiten der konkreten Situation durchaus „Gefährlich" im Sinne der oben dargelegten Grundsätze und der eingetretene Schaden eine adäquate Folge einer solchen Geschäftsführung sein. So lagen die Dinge hier (wird ausgeführt).
Nach § 680 BGB hat der Geschäftsführer nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden Gefahr bezweckt. Die Vorschrift bezieht sich allerdings, wenn man sie lediglich im Zusammenhang mit den weiteren Bestimmungen der §§ 678 ff BGB sieht, nur auf solche Schäden, die dem Geschäftsherrn durch die Tätigkeit des Geschäftsführers zugefügt werden. Ihr liegt jedoch der Gedanke zugrunde, daß ein helfendes Eingreifen Dritter in Augenblicken dringender Gefahr im allgemeinen Interesse erwünscht ist und ein Sichvergreifen in den Mitteln der Hilfe wegen der durch die Gefahr erforderlichen Schnelligkeit der Entschließung, die ein ruhiges überlegenes Abwägen ausschließt, nur zu leicht stattfinden kann (BGB-RGRK, 11. Aufl. § 680 Anm. 1). Die Vorschrift will deshalb den Geschäftsführer nicht nur vor Ersatzforderungen des Geschäftsherrn in weiterem Maße als gewöhnlich schützen, sondern ihm in gewissem Umfange auch das Risiko abnehmen, seine in der Regel spontane und daher in ihren Ergebnissen nicht mit der sonst erforderlichen Sorgfalt abwägbare Hilfeleistung mit eigenen Verlusten bezahlen zu müssen (Esser, Schuldrecht 3. Aufl. Bd. II S. 324; vgl. auch Hauß Anm. zu LM § 680 BGB Nr. 1). Demgemäß hat die Rechtsprechung der Vorschrift des § 680 BGB den allgemeinen Rechtsgedanken entnommen, daß der Geschäftsführer in allen Fällen nur Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten hat, wenn die Geschäftsführung die Abwendung einer dem Geschäftsherrn drohenden dringenden Gefahr bezweckte (BGHZ 43, 188, 194). Es gibt keinen Grund, diesen allgemeinen Rechtsgedanken hier nicht anzuwenden. Das leicht fahrlässige Verhalten des Schiffers von S53 kann entgegen den Darlegungen der Revision auch nicht dazu führen, daß der Beklagte nur einen Teil der Schäden, die dem Schiffer von S53 durch das Rettungsmanöver entstanden sind, zu ersetzen hat. Das gilt auch dann, wenn man sich der neuerdings vertretenen Meinung anschließt, dem Richter müsse eine gewisse Freiheit bei der Bemessung des erst von der Rechtsprechung aus Billigkeitsgründen entwickelten Anspruchs des Geschäftsführers auf Ersatz bestimmter Schäden durch den Geschäftsherrn eingeräumt werden (Erman/Hauß, BGB 4. Aufl. §670 Anm. 7; vgl. auch BGHZ 38, 270, 277/279). Damit soll lediglich vermieden werden, daß die Anwendung des sonst unter Schadensersatzrecht beherrschenden Grundsatzes der „Totalreparation" im Einzelfall zu unbefriedigenden Ergebnissen führt. Das Berufungsgericht hat den Streitfall jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt geprüft. Wenn es zu dem Ergebnis gelangt ist, es sei mit Rücksicht darauf, daß der Beklagte seine lebensgefährliche Lage ganz allein verschuldet gehabt habe, nicht unbillig, daß er die geltend gemachten Schäden ersetzen müsse, so ist das aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, zumal die Schäden nicht so außergewöhnlich hoch sind, daß die Frage gestellt werden könnte, ob es der Höhe nach Grenzen gibt, über die hinaus einen Aufopferungsschaden zu ersetzen dem Ersatzpflichtigen nicht zugemutet werden kann.Ob für Ansprüche der vorliegenden Art überhaupt eine Beschränkung der Haftung auf Schiff und Fracht nach § 4 BinnSchG in Betracht kommt, kann unerörtert bleiben. Denn auf den Beklagten als Schiffseigner-Schiffer ist die Vorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 BinnSchG schon deshalb nicht anzuwenden, weil es sich bei dem Starboot T um ein Sportboot gehandelt hat (vgl. BGHZ 35, 150 ff).