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Leitsatz:
Ein Verstoß gegen das Kursänderungsverbot des § 37 Nr. 3 RhSchPolVO 1954 liegt nur vor, wenn der Begegnungskurs nach §§ 38 bis 40 RhSchPolVO 1954 festgelegt ist. Dies ist bei einer Backbordbegegnung erst der Fall, wenn keine rechtzeitige Kursweisung für eine Steuerbordbegegnung mehr gegeben werden kann.
Urteil des Bundesgerichtshofes vom 17. Dezember 1973
II ZR 41/72
(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin gehörende, bei niedrigem Wasserstand zu Tal fahrende MS W und das dem Beklagten gehörende, von ihm auf der Bergfahrt geführte MS C stießen bei Dormagen mit den Vorschiffen zusammen und wurden beschädigt.
Die Klägerin verlangt Ersatz ihres Schadens von ca. 100000,- DM. MS C sei zunächst linksrheinisch gefahren, um verschiedene rechtsrheinisch fahrende Bergfahrer, die die blaue Flagge gezeigt hätten, zu überholen, ohne selbst die blaue Flagge zu setzen. MS W, dem damit der Weg zur Zwischendurchfahrt gewiesen worden sei, habe etwas vom linken Ufer abgehalten und die Sichtzeichen der Bergfahrer erwidert. Bei einem Abstand von nur 200 m habe auch MS C plötzlich die blaue Seitenflagge gezeigt und den Kurs nach Backbord genommen. Der Talfahrer habe nicht mehr durch eine Backbordkursänderung ausweichen können.
Der Beklagte will die blaue Seitenflagge bereits auf eine Entfernung von 500 bis 1000 m gesetzt haben und nach rechts zu den Bergfahrern beigegangen sein. Mangels einer Reaktion von MS W zur Steuerbordbegegnung habe er „2 x kurz" gegeben. Trotzdem habe MS W die Zwischendurchfahrt versucht.
Rheinschiffahrtsgericht und Rheinschiffahrtsobergericht haben die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Das Berufungsgericht ist der Ansicht, daß der Beklagte gegen § 37 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 („Beim Begegnen oder Überholen dürfen Fahrzeuge ihren Kurs nicht ändern, nachdem dieser nach den §§ 38 bis 40 oder 43 festgelegt ist") schuldhaft verstoßen habe und deshalb den Interessenten des MS W schadensersatzpflichtig sei.
Das Kursänderungsverbot des § 37 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 gelte von dem Augenblick der Kursfestlegung bis zum Ende der Vorbeifahrt, und zwar grundsätzlich unabhängig von der jeweiligen Entfernung der sich begegnenden Fahrzeuge, weil durch das strikte Verbot einer Kursänderung nach dem Sinn und Zweck dieser Vorschrift jede Gefahr eines Zusammenstoßes ausgeschlossen werden solle.
Der Revision ist zuzugeben, daß diese Ausführungen ein schuldhaftes Verhalten des Beklagten nicht hinreichend begründen. Allerdings stimmt die Ansicht des Berufungsgerichts, das Kursänderungsverbot des § 37 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 gelte grundsätzlich unabhängig von der jeweiligen Entfernung der sich begegnenden Fahrzeuge bis zur Beendigung der Vorbeifahrt, mit der Rechtsprechung des Senats überein (Urt. v. 8. November 1971 - II ZR 46/69), VersR 1972, 41). Indessen kommt ein Verstoß gegen dieses Verbot nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung nur in Betracht, wenn der Begegnungskurs nach den §§ 38 bis 40 RheinSchPolVO 1954 festgelegt ist. Das ist aber für die Backbordbegegnung grundsätzlich erst dann der Fall, wenn keine rechtzeitige Kursweisung für eine Steuerbordbegegnung mehr gegeben werden kann (BGH, Urt. v. 12. Oktober 1972 - II ZR 141/70, VersR 1973, 77, 78). Diesem Gesichtspunkt tragen die Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht den Verstoß des Beklagten gegen § 37 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 begründet hat, nicht genügend Rechnung. Denn die Annahme, der Kurs für eine Backbordbegegnung zwischen MS C und MS W - und damit für eine Zwischendurchfahrt des Talfahrers - habe bereits festgelegen, als der Beklagte auf die von ihm angegebene Entfernung von ca. 500 m die blaue Seitenflagge für eine Steuerbordbegegnung mit dem Talfahrer setzte, wäre nur dann zutreffend, wenn die damit MS W erteilte Weisung, an der Steuerbordseite des Bergfahrers vorbeizufahren, nicht mehr rechtzeitig gewesen wäre. Das hat das Berufungsgericht aber nicht festgestellt.
Der aufgezeigte Fehler nötigt allerdings nicht zu einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Denn der von diesem bejahte Verstoß des Beklagten gegen das Kursänderungsverbot des § 37 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 ergibt sich jedenfalls aus den Ausführungen, mit denen das Berufungsgericht jedes Mitverschulden der Führung des MS W an der Kollision verneint hat. Hierzu hat es anhand des Beweisergebnisses dargelegt, MS C sei nur noch etwa 200 m von MS W entfernt gewesen, als es die blaue Seitenflagge gesetzt und den Kurs nach rechtsrheinisch geändert habe; zwar habe es dadurch MS W die Weisung zu einer Steuerbordbegegnung erteilt; jedoch habe der Talfahrer dieser Weisung nicht mehr mit Erfolg nachkommen können, weil er bereits auf Steuerbordkurs gelegen habe, um zwischen MS C und MS A hindurchzufahren, und die Zeitspanne zwischen der Kursänderung des MS C und der Kollision bei einer Annäherungsgeschwindigkeit von 30 km/st (Bergfahrer: 10 km/st; Talfahrer 20 km/st) lediglich 24 Sekunden betragen und damit nicht ausgereicht habe, den Kurs des auf 1,85 m abgeladenen Talfahrers nach Backbord zu ändern.
Beurteilt man das Verhalten des Beklagten nach diesen Feststellungen, so kann es nicht zweifelhaft sein, daß er § 37 Nr. 3 RheinSchPolVO 1954 verletzt hat. Das folgt daraus, daß er die blaue Seitenflagge nicht rechtzeitig gesetzt hat, somit im Zeitpunkt dieser Zeichengebung bereits die Weisung zu einer Backbordbegegnung gegeben war."