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Leitsätze:
1) Signalgebung beim Wenden.
2) Fehler des Wendenden bei der Durchführung des Wendemanövers hat derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 24. April 1967
II ZR 36/65
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Auf der Mainzer Reede legte das der Klägerin gehörende Fahrgastschiff M von dem Anlegesteiger der Wasser- und Schiffahrtsdirektion Mainz ab, fuhr mit leichtem Backbordkurs bergwärts und wendete weiter oberhalb nach Abgeben des Signals 1mal lang, 2mal kurz in weitem Bogen zu Tal. Dabei stieß es mit dem der Beklagten zu 1 gehörenden, vom Beklagten zu 2 geführten, etwa in der Mitte des ungefähr 500 m breiten Stromes zu Berg fahrenden TMS L zusammen. Beide Schiffe wurden beschädigt. TMS L hatte vorher zur Überholung eines linksrheinisch zu Berg fahrenden Rhenania-Schleppzuges an dessen Backbordseite angesetzt. Weiter unterhalb fuhr rechtsrheinisch ein Selbstfahrer, während unterhalb der Mainmündung das MS D zur Einfahrt in den Main verhielt.
Der Klageanspruch wurde vom Rheinschiffahrtsgericht zu '/5, vom Rheinschiffahrtsobergericht zu 4/5 für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts hat die Führung von M ihre Absicht, auf der Mainzer Reede in weitem Bogen zu Tal zu wenden, mit Recht durch Backbordwendesignal angekündigt (§ 47 Nr. 2 mit § 46 Nr. 2 RheinschPVO). Ob ein Schiff in kurzem oder in weitem Bogen wendet, ist für die Signalgebung unerheblich; beides ist immer ein Wenden, das durch Wendesignal angekündigt werden muß, wenn andere Fahrzeuge durch das beabsichtigte Manöver gezwungen sind, ihre Geschwindigkeit zu mindern oder (und) ihren Kurs zu ändern.
Im Zeitpunkt der Abgabe des Wendesignals hatte, wie sich aus den Feststellungen des Berufungsgerichts ergibt, MS L das Heck des Kahnes R noch nicht erreicht. Das entschuldigt ihn aber nicht, da die Partei von L keine Umstände dargetan und bewiesen hat, die das Nichthören des Schallzeichens rechtfertigen könnten (BGH VersR 1965, 251, 252; ZfB 1965, 167). Motorgeräusche des eigenen Schiffes sind kein Rechtfertigungsgrund; nur wenn auf dem Vorschiff von L ein Ausguck aufgestellt worden wäre und dieser trotz aufmerksamen Beobachtens das Signal - etwa wegen des dazwischenfahrenden Schleppzuges - nicht hätte hören können, hätte die Partei von L sich entlasten können. Darüber ist aber nichts vorgetragen. Sie muh sich daher so behandeln lassen, als hätte der Führer von L das Backbordwendesignal gehört. Es mag sein, daß dem Führer von L die Sicht auf M durch den Schleppzug verdeckt war. Dies ist aber unerheblich (BGH aaO). Aus der Schallrichtung muhte der Führer von L erkennen, daß sich das sein Wenden über Backbord ankündigende Schiff an seiner, des Führers von L, Steuerbordseite voraus befand, also vor dem Schleppzug wenden wollte. Um nicht in den Drehkreis dieses Schiffes zu kommen, hätte er daher insbesondere wegen der erschwerten Sichtverhältnisse in der Dunkelheit sofort, als das Schallsignal gegeben worden war, („unvermittelt", s. BGH aaO) von seinem Überholmanöver absehen und hinter dem Kahn R zurückbleiben müssen (§§ 47 Nr. 2, 46 Nr. 3 RheinSchPVO). M hat querfahrend den Kurs des SB R in einem Abstand von 80 bis 100 m gekreuzt. Dadurch allein entstand keine Gefahrenlage, das Schleppboot brauchte nicht einmal seine Geschwindigkeit zu verringern. Das Kreuzen des Schleppbootes ist auch nicht wegen des weiter unterhalb zu Berg fahrenden MS L zu beanstanden, da die Entfernung zu L 370 bis 410 m betrug.
Allerdings war es nautisch nicht unbedenklich, daß M bereits beim Kreuzen des Kurses von Rh den Kopf etwas talwärts gerichtet hatte. Wenn, wie hier, mit weiterer Bergfahrt zu rechnen ist, so gebietet es in der Regel die nautische Sorgfaltspflicht, daß der Kreuzende den Kopf des Schiffes leicht zu Berg richtet, da er hierdurch einer etwaigen Gefahrenlage besser begegnen kann.
Als M vor dem Schleppzug querfahrend in die Sicht von L kam, war der Führer von L im Zweifel, ob M in den Main einfahren oder zu Tal wenden wollte. Er war danach verpflichtet, beiden Möglichkeiten bei seinen nautischen Malinahmen Rechnung zu tragen. Falls M in den Main einfahren wollte, so konnte bei dem Abstand der beiden Schiffe keine Gefährdung eintreten, welchen Kurs auch immer L einschlug. Anders war es, wenn M zu Tal fahren wollte, womit man auf L ebenfalls rechnete. Dann muhte ihr Führer nicht nur für M tatsächlich Platz zum Wenden lassen, sondern auch erkennbar machen, wo er dem MS M die Fortsetzung und Beendigung des Wendemanövers ermöglichte.
Da L Backbordkurs hielt und weiter diesen Kurs fahren wollte, muhte sie daher beim Insichtkommen von M sofort Backbordschallsignalgeben, um außer Zweifel zu stellen, daß sie diesen Kurs beibehalten wollte.
Dazu kommt, daß der Führer von L in dem Augenblick, als für ihn das grüne Steuerbordlicht von M sichtbar wurde, und er damit M als Talfahrer erkannte, das Blinklicht nach § 38 Nr. 3 b zeigen muhte, wenn er Begegnung an Steuerbord verlangte. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil (Wenden in weitem Bogen, Entfernung der beiden Schiffe, Kollisionsort) ist anzunehmen, daß M so rechtzeitig zur Talfahrt übergegangen ist (wie auch von ihrem Führer behauptet wird), daß von diesem Schiff die (unterlassene) Weisung des Bergfahrers zur Begegnung an Steuerbord noch hätte befolgt werden können und damit der Unfall vermieden worden wäre.
Als M den Kurs des Schleppzuges kreuzte, nahm ihr Führer das mit leichtem Backbordkurs zu Berg fahrende MS L wahr. Es taucht die Frage auf, ob er nicht verpflichtet war, sofort in kurzem Dreh kreis sein Wendemanöver zu Ende zu führen, da objektiv genügend Platz zwischen dem Schleppzug und L vorhanden war. Die Frage muh jedoch unter den gegebenen Umständen verneint werden. Der Führer von M sah, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, sich vor die Situation gestellt, daß L kein Zeichen gab und dabei Kurs nach Backbord hielt. Es ist nicht schuldhaft, wenn er damit rechnete, daß L den Backbordkurs aufgeben und sich nach Steuerbord begeben werde. Auch nach der Auffassung des Rheinschiffahrtsgerichts und des Rheinschiffahrtsobergerichts wäre ein solches Verhalten der Führung von L geboten gewesen. Die Fortsetzung der Querfahrt kann ihm daher nicht angelastet werden.
Fehler des Wendenden bei der Durchführung des Wendemanövers hat nach allgemeinen Grundsätzen derjenige zu beweisen, der sich darauf beruft, hier also der Bergfahrer. Die Partei von L sei, daß es zum Zusammenstoß auch dann gekommen wäre, wenn L auf diesen Übergang hin Blinklichtsignal gegeben hätte. Hiernach hat der Führer von M mindestens nicht schuldhaft gehandelt, wenn er entsprechend der Weisung des Bergfahrers zur Begegnung an Backbord Steuerbordkurs gehalten und erst zurückgeschlagen hat, als für ihn erkennbar wurde, daß er wegen des Herankommens des unbekannt gebliebenen Selbstfahrers nicht weiter nach Steuerbord habe ausweichen können. Auch die Schuldabwägung des Berufungsgerichts greift die Revision im Ergebnis ohne Erfolg an. Die Führung von L trifft das weit überwiegende Verschulden. Sie hat das Backbordwendesignal nicht gehört und mit dem Überholen des Schleppzuges begonnen, statt hinter diesem zurückzubleiben. Sie hat ihren eigenen Kurs gegenüber dem wendenden Schiff nicht klargestellt. Der Führer von M hat beim Kreuzen des Schleppzuges den Kopf seines Schiffes etwas zu Tal statt zu Berg gerichtet, ein Fehler, der - die Ursächlichkeit unterstellt - bei seinem kleinen, schnellen und wendigen Schiff nicht schwer wiegt, und hat es unterlassen, durch Achtungssignal den Bergfahrer zur Klarstellung seines Kurses zu veranlassen. Bei dieser Sachlage erscheint die vom Berufungsgericht vorgenommene Schadensverteilung im Verhältnis 4:1 zu Lasten des Bergfahrers L angemessen."