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Leitsatz:
Zur Frage, ob die Klausel in den Yacht- Kasko-Bedingungen eines Schiffsversicherers, daß bei Nichtbeachtung bestimmter Obliegenheiten seitens des Versicherungsnehmers „der Versicherungsschutz entfallen kann", einer Vereinbarung im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG entspricht.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom .18. Dezember 1989
II ZR 34/89
(Oberlandesgericht Hamburg, Landgericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Der Kläger war Eigentümer der Segelyacht „M". Das Fahrzeug ist am 22. April 1987 nach einem Brand unweit der jugoslawischen Küste gesunken. Die Beklagte war Kasko-Versicherer der Yacht. Der Kläger nimmt sie wegen seines Schadens auf Zahlung von 66 500 DM nebst Zinsen in. Anspruch. Die Beklagte hält die Forderung für unbegründet. Hierzu verweist sie in erster Linie auf § 9 der dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden Yacht-Kasko- Bedingungen (YKB) der für sie tätigen W&W GmbH — Assekuranzmakler für Yachtversicherungen in Verbindung mit § 6 Abs. 1 VVG. In § 9 („Obliegenheften") YKB heißt es:
1. Der Versicherungsnehmer hat dem Versicherer alle vor und bei Abschluß der Police gestellten Fragen nach bestem Wissen richtig und vollständig zu beantworten, damit der Versicherer das von ihm zu übernehmende Risiko übersehen kann.
2. ...
3. Bei Nichtbeachtung der unter Ziffer 1 und 2 aufgeführten Obliegenheiten kann der Versicherungsschutz entfallen.
Nach Ansicht der Beklagten hat der Kläger schuldhaft gegen § 9 Nr. 1 YKB verstoßen. Er habe, was unbestritten ist, in dem Versicherungsantrag die Frage „Welche Unfälle, Verluste oder Versicherungsansprüche sind in den letzten fünf Jahren im Zusammenhang mit einem Ihnen gehörenden oder von Ihnen benutzten Fahrzeug erfolgt?" wie folgt beantwortet: „Keine Unfälle, es bestand nur eine Haftpflichtversicherung." Dabei habe er verschwiegen, daß ihm im August 1978 ein Boot auf dem Parkplatz einer Autobahnraststätte gestohlen worden sei und er von dem damaligen Kasko-Versicherer eine Entschädigung von 40 000 DM erhalten habe. Im Hinblick auf diesen Vorgang hat die Beklagte, die davon bei routinemäßigen Nachforschungen nach dem Untergang der Yacht „M" Kenntnis erlangt hat, dem Kläger mit Einschreibebrief vom 18. August 1987 mitgeteilt, daß sie von der Police per Fälligkeit 1. Juli 1986 „zurücktrete".
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Klage kann schon deshalb nicht stattgegeben werden, weil die Beklagte entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts gemäß § 9 Nr. 1 und 3 YKB, § 6 Abs. 1 WG von der Verpflichtung zur Leistung frei ist.
1. Der Kläger hat in dem Versicherungsantrag den Diebstahl eines Bootes . .. sowie die Deckungsleistung des damaligen Kasko-Versicherers nicht angegeben und außerdem wahrheitswidrig und irreführend erklärt, daß nur eine Haftpflichtversicherung bestanden habe (also die Deckung eines Kaskoschadens überhaupt noch nicht in Betracht gekommen sei). Darin ist ein eindeutiger und zumindest fahrlässiger Verstoß gegen seine Pflicht aus § 9 Nr. 1 YKB zu sehen, nämlich alle vor oder bei Abschluß der Police gestellten Fragen nach bestem Wissen richtig und vollständig zu beantworten, damit der Versicherer das von ihm zu übernehmende Risiko übersehen kann. Unzweifelhaft gehört zu dem Verlust eines Fahrzeugs auch dessen Diebstahl. Nicht ersichtlich ist, daß das Wort „Verluste" in dem Versicherungsantrag nur solche durch Havarien gemeint haben soll. Das kann um so weniger angenommen werden, als die abzuschließende Versicherung auch den Schaden aus einem Diebstahl der Yacht umfassen sollte (vgl. § 3 Nr. 1, 3 und 4 YKB), es damit für das von dem Versicherer zu übernehmende Risiko von nicht geringer und für einen Versicherungsnehmer erkennbarer Bedeutung war, über frühere Bootsdiebstähle und deswegen gezahlte Dekkungsbeträge für eine umfassende Risikoübersicht unterrichtet zu werden.
2. Das Berufungsgericht, das die vorstehend erörterte Frage nicht weiter geprüft hat, ist der Ansicht, daß eine Leistungsfreiheit der Beklagten nach § 9 Nr. 2 YKB nicht in Betracht kommt. Die Bestimmung bringe nicht klar und unmißverständlich zum Ausdruck, daß die Beklagte bei einer Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 9 Nr. 1 YKB von der Verpflichtung zur Leistung frei ist. In den Worten „... kann der Versicherungsschutz entfallen" liege nach allgemeinem Sprachgebrauch nur ein neutraler Hinweis auf anderweit bestehende, vertragliche oder gesetzliche Regelungen, also auf außerhalb dieser Klausel liegende Verwirkungstatbestände, wie beispielsweise die Vorschriften der §§ 16 ff. VVG.
3. Die Revision wendet sich mit Erfolg gegen diese Ausführungen. ... Zunächst ist dem Berufungsgericht darin nicht zu folgen, daß § 9 Nr. 3 YKB nicht Nr. 1 und 2 dieser Vorschrift im Auge habe, sondern nur einen neutralen Hinweis auf anderweit bestehende Regelungen beinhalte. Gegen diese Auffassung spricht der systematische Aufbau des § 9 YKB und die Fassung seiner Nr. 3. Die Bestimmung (Überschrift: Obliegenheiten) beschreibt in Nr. 1 und 2 bestimmte Beantwortungs- und Anzeigepflichten des Versicherungsnehmers und legt in Nr. 3 die Rechtsfolge bei Nichtbeachtung dieser Pflichten fest. Nicht ersichtlich ist, wieso sie auf „anderweit bestehende Regelungen" hinweisen soll. Hingegen trifft es zu, daß der Wegfall der Leistungspflicht des Versicherers im Falle einer Obliegenheitsverletzung im Versicherungsvertrag vereinbart sein muß (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 VVG), und zwar wegen der besonderen Bedeutung einer solchen Absprache für die Vertragsparteien, insbesondere den Versicherungsnehmer, klar und eindeutig (vgl. auch Prölss/Martin, VVG 24. Aufl. § 6 Anm. 9 A a; Bruck/Möller, VVG 8. Aufl. § 6 Anm. 17). Das hat offensichtlich zu der in zahlreichen Allgemeinen Versicherungsbedingungen gebrauchten Formulierung geführt, daß der Versicherer (bei der Obliegenheitsverletzung des Versicherungsnehmers) „von der Verpflichtung zur Leistung frei ist" (für die Schiffsversicherung vgl. AVB Wassersportfahrzeuge 1976 und 1985 Nr. 10; Flußkaskopolice § 45; ADS § 20). Allerdings ist anerkannt, daß die allein im Interesse des Versicherers geschaffene Verwirkungsklausel wegen der besonderen Rechtsbeziehungen, die innerhalb eines Versicherungsverhältnisses bestehen, sowie ferner aus wirtschaftlichen Überlegungen zur Disposition des Versicherers stehen oder, anders ausgedrückt, die Inanspruchnahme des ihm eingeräumten Leistungsverweigerungsrechts von seiner Entschließung abhängen muß (vgl. BGH, Urt. v. 24. April 1974 — IV ZR 202/72, LM AVB f. KraftfVers. Nr. 30 = VersR 1974, 689, 690). Das wird im Streitfall durch die in § 9 Nr. 3 YKB benutzte Formulierung „kann der Versicherungsschutz entfallen" deutlich gemacht. Insoweit kann deshalb von keiner unklaren Regelung in § 9 Nr. 3 YKB die Rede sein. Die Vorschrift beinhaltet nichts anderes als die Vereinbarung eines Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten im Falle einer Obliegenheitsverletzung im Sinne von § 9 Nr. 1 und 2 YKB...
4. . . Die Kenntnis von einem früheren Kaskoschaden ist generell geeignet (vgl. BGH, Urt. v. 7. Dezember 1983 — IV a ZR 231/81, VersR 1984, 228 f.), die Intensität der Prüfung des Versicherungsantrages oder des neuen Versicherungsfalles durch den Versicherer zu beeinflusseen, zum Beispiel mit Blick auf den Abschluß des Versicherungsvertrages oder das Vorliegen eines fingierten Kaskoschadens. Auch ist die Verletzung der Obliegenheitspflicht durch den Beklagten relevant, weil die (hier unterlassene) Angabe des früheren Schadens geeignet war, den Versicherer zu veranlassen, über seine jetzige Leistungspflicht nähere Überlegungen oder Nachforschungen anzustellen (vgl. Deutsch, Versicherungsvertragsrecht 2. Aufl. Rn. 206).
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.4 (Sammlung Seite 1293 f.); ZfB 1990, 1293 f.