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Leitsatz:
Dem Schleppzugführer obliegt es beim Verschleppen von Schwimmbaggern, sich vor jeder Reise nach der Lage des Baggers, seinem Tiefgang, dem Wasserstand auf der zu durchfahrenden Strecke und sonstigen besonderen Umständen zu erkundigen, um die ordnungsgemäße Durchführung einer Schleppreise zu sichern. Dies gilt unabhängig von der Pflicht des Baggerführers, den Schleppzugführer auf Besonderheiten aufmerksam zu machen, und auch dann, wenn frühere Verschleppungen zu dem gleichen Liegeplatz stets ohne Schwierigkeiten verlaufen sind.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 29. September 1975
(Schifffahrtsgericht Hamburg; Schifffahrtsobergericht Hamburg)
Zum Tatbestand:
Ein von der Klägerin mitversicherter Schwimmbagger wurde im Dezember 1969 von dem der Beklagten gehörenden Schlepper „J" in den Waltershofer Hafen in Hamburg geschleppt, wo er bei Ebbe fest kam und kenterte.
Die Klägerin verlangt Ersatz der erstatteten Schäden von 590000,- DM in Höhe des Wertes des Schleppers „J" sowie der der Beklagten ebenfalls gehörenden Schlepper „M" und „U". Durch das Verschulden des Schiffsführers von „J" sei der Bagger auf der schräg abfallenden Böschung im Hafen fest gekommen. Zusammen mit den zum Freiturnen herbeigerufenen Schleppern „M" und „U" sei der Bagger jedoch nicht ins tiefe Wasser, sondern noch näher zum Kai hingezogen worden. Der auf seiner Eimerkette aufsitzende Bagger sei dadurch gekentert.
Die Beklagte wendet ein, dass der Bagger, dessen Eigentümer gegenüber Schlepper „J" weisungsberechtigt gewesen sei, an seinem Liegeplatz erst stärkere Schlagseite bekommen habe, als die Schleppreise bereits beendet gewesen sei. Alle 3 Schlepper hätten ihn dann in tieferes Wasser gezogen. Das Kentern sei auf vorangegangene Fehler des Baggerführers zurückzuführen. Der Bagger habe schon bei Reiseantritt nach Backbord gekrängt, da wegen vereister Aufbauten sich in der Backbordlast eine große Wassermenge befunden habe. Die Drahtabweiser mit den daran befestigten Ankern seien nicht hochgezogen gewesen, hätten etwa 3,5 m über den Fahrzeugboden hinausgeragt und bei der Berührung mit der Hafensohle die Krängung verstärkt. Ferner habe der Baggerführer fehlerhaft versucht, das festsitzende Fahrzeug durch Absenken der Eimerleiter, deren Eimerkette auch nicht aufgefangen gewesen sei, hoch zu drücken. Das Schifffahrtsgericht hat der Klage stattgegeben, das Schifffahrtsobergericht hat sie abgewiesen. Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zur Anderweiten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Klägerin hatte unter Berufung auf ein Sachverständigengutachten vorgetragen, der gute Verlauf der gesamten Schleppreise bis zum Festkommen des Schwimmbaggers im Waltershofer Hafen zeige, dass dessen Stabilität weder durch eine angeblich starke Vereisung seiner Aufbauten noch durch die in der Backbordlast vorhandene, bereits bei einer geringfügigen Krängung als groß erscheinende Wassermenge beeinträchtigt gewesen sei. Auf dieses Vorbringen ist das Berufungsgericht nicht eingegangen. Das hätte es aber tun müssen, da sich ohne eine erschöpfende Prüfung in dieser Richtung nicht sagen lässt, Ursache für das Kentern könne anstelle der Grundberührung und des fallenden Wassers eine Instabilität des Schwimmbaggers gewesen sein.
Für den Revisionsrechtszug ist zu Gunsten der Klägerin davon auszugehen, dass der Bagger vor Abschluss der Reise fest gekommen ist. Das legt insoweit ein schuldhaftes Verhalten des Schiffsführers von „J", der zuletzt den Schwimmbagger längsseits seines Fahrzeugs geschleppt hatte, nahe. Ein solches Verhalten wird jedoch von dem Berufungsgericht aus folgenden Gründen verneint:
Der Bagger könne nicht mit der Eimerkette auf Grund geraten sein. Vielmehr müsse das mit den beiden Ankern geschehen sein, die an den beiden - wegen Vereisung nicht hochziehbaren-Drahtabweisern mittels Rollen befestigt gewesen seien und tiefer als die Eimerkette gereicht hätten. Jedoch sei zweifelhaft, ob der Schiffsführer von „J" über den Zustand der Drahtabweiser unterrichtet gewesen sei. Selbst wenn das aber anzunehmen sein sollte, so habe er jedenfalls nicht zu wissen brauchen, dass von den Drahtabweisern mit den Ankern eine Gefahr für den Bagger ausgehe. Als Schlepperführer habe er derartige Kenntnisse nicht besitzen müssen. Auch habe er sich, da er bestimmten Weisungen der Eigentümerin des Schwimmbaggers unterlegen habe, bis zu einem gewissen Grade darauf verlassen dürfen, dass der Bagger für die Schleppreise geeignet gewesen sei, zumal dieser schon viele Male ohne Schwierigkeiten von einer Einsatzstelle auf der Elbe an denselben Liegeplatz im Waltershofer Hafen geschleppt worden sei.
Dem ist entgegenzuhalten: Dem Schiffsführer von „J" oblag als Schleppzugführer die Pflicht, für eine ordnungsgemäße Durchführung der Reise zu sorgen. Dazu gehörte, dass er für die Fahrt von Bützfleth bis zu dem angewiesenen Liegeplatz im Waltershofer Hafen einen Weg nahm, auf dem der Schwimmbagger nicht fest kommen konnte. Das war nur möglich, wenn er auch wusste, wie tief der Schwimmbagger in das Wasser reichte. Deshalb musste er sich unabhängig von der Pflicht des Baggerführers, den Schleppzugführer auf die besondere Lage des Schwimmbaggers infolge der festgefrorenen Drahtabweiser aufmerksam zu machen, darüber vor Reisebeginn unterrichten. Das ist, wie er selbst vor dem Schifffahrtsgericht bekundet hat, nicht geschehen. Nach seinen Angaben hat er die Reise angetreten, ohne zu wissen, wie tief der Schwimmbagger ging, und ohne sich im einzelnen nach dem Wasserstand in dem ihm nur vom Durchfahren her bekannten Waltershofer Hafen zu erkundigen. Von diesem schuldhaften Verhalten entlastet ihn nicht, dass der Schwimmbagger zuvor schon viele Male ohne Schwierigkeiten an den vorgesehenen Liegeplatz geschleppt worden war. Abgesehen davon, dass diese Fahrten von anderen Schleppzugführern vorgenommen worden sind, befreit der gute Verlauf früherer gleicher oder ähnlicher Reisen einen Schleppzugführer nicht von der Pflicht, sich vor jeder neuen Reise Kenntnis von dem Tiefgang seiner Anhänge und dem nun¬mehrigen Wasserstand zu verschaffen. Auch kann zu Gunsten des Schiffsführers von „J" nicht angeführt werden, dass sein Fahrzeug nach einer Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Eigentümerin des Schwimmbaggers von der letzteren unmittelbar zum Schleppen eingesetzt werden konnte. Denn dadurch wurde seine Verantwortung für eine ordnungsgemäße Durchführung der Reise nicht eingeschränkt.
Das Berufungsgericht ist beim Prüfen der Frage, ob ein Fehlverhalten der Schiffsführer von „J", „MIV" und „U" beim Abziehen des festsitzenden Schwimmbaggers festzustellen ist und die Beklagte dafür einzustehen hat, nicht auf den Vorwurf der Klägerin eingegangen, die Schlepper hätten den Schwimmbagger in die falsche Richtung gezogen, so dass er noch mehr auf die schräg abfallende Böschung des Predöhl-Kais geraten sei. Schon deshalb ist das Verneinen dieser - bisher auch nur aus der Sicht des § 831 BGB erörterten - Frage durch das Berufungsgericht rechtlich nicht einwandfrei begründet.