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Leitsätze:
1) Erbringt ein ausländisches Binnenschiff aufgrund eines Jahresmietvertrages, der vorwiegend den Einsatz im grenzüberschreitenden Verkehr vorsieht, ausnahmsweise Verkehrsleistungen zwischen deutschen Lade- und Löschplätzen, so gelten, sofern die Verkehrsleistungen entweder ganz oder im Falle einer durchgehenden Beförderung streckenweise auf Bundeswasserstraßen erbracht werden, die gesetzlich festgesetzten und nicht die niedrigeren, vertraglich vereinbarten Tagesmietsätze.
2) Ein ausländischer Binnenschiffer, der vor Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland sich nicht um die dortige Rechtslage kümmert, handelt grob fahrlässig, wenn er aus Unkenntnis gegen gesetzliche Tarifvorschriften verstößt.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 13. Oktober 1977
II ZR 226/75
(Landgericht Duisburg, Oberlandesgericht Düsseldorf)
Zum Tatbestand:
Die Beklagte zu 1, eine Reederei, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Beklagte zu 2 ist, hatte zur Durchführung grenzüberschreitender, zum geringeren Teil auch innerdeutscher Transporte Binnenschiffe von niederländischen und belgischen Partikulieren in Jahresverträgen zu Tagesmietsätzen angemietet, die nicht den Mietsätzen gemäß FTB entsprachen.
Die Bundesrepublik Deutschland klagt die Differenz zwischen vereinbarten und festgesetzten Mietsätzen in Höhe von rund 17 300,- DM ein mit der Behauptung, die Beklagten hätten schon früher gleichartige Tarifverstöße begangen und trotz Rüge nunmehr vorsätzlich fortgesetzt. Die ausländischen Partikuliere hätten grob fahrlässig gehandelt, weil sie sich um die Kenntnis der Tarifvorschriften nicht bemüht hätten.
Die Beklagten halten die Tarifvorschriften auf den vorliegenden Fall nicht für anwendbar. Die Mietvertragsparteien treffe kein Schuldvorwurf.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr stattgegeben. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
Die Entgelte für Verkehrsleistungen der Schiffahrt von und nach dem Ausland unterliegen keinen tariflichen Bindungen, weil das Gesetz über den gewerblichen Binnenschiffsverkehr insoweit keine Anwendung findet (§ 42 BinnSchVG). Deshalb konnten die Mietvertragsparteien die Schiffsmiete im grenzüberschreitenden Verkehr frei vereinbaren. Dagegen werden die Entgelte - auch die Schiffsmieten - für Verkehrsleistungen der Schiffahrt zwischen deutschen Lade- und Löschplätzen durch Frachtenausschüsse festgesetzt, sofern die Verkehrsleistungen entweder ganz oder im Falle einer durchgehenden Beförderung streckenweise auf Bundeswasserstraßen erbracht werden (§ 21 Abs. 1 BinnSchVG). Abweichungen von den Entgelten, die in diesen - gemäß §§ 28, 29 BinnSchVG vom Bundesminister für Verkehr genehmigten und als Rechtsverordnung erlassenen - Beschlüssen festgesetzt sind, sind nach § 31 Abs. 1 BinnSchVG unzulässig. Dies gilt auch für ausländische Schiffseigner, wenn sie ihre Schiffe unter den Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 BinnSchVG im innerdeutschen Verkehr einsetzen. Deshalb durften die Beklagten und ihre niederländischen und belgischen Vertragspartner die Tagesmietsätze für Beförderungsleistungen im innerdeutschen Verkehr nicht frei vereinbaren; hierfür waren vielmehr die vom Frachtenausschuß Rhein im Tarif A 100/14 vom 24. März 1973 festgesetzten Tagesmietsätze maßgebend. Diese waren höher als die von den Mietvertragsparteien vereinbarten Sätze. Die Differenz entspricht unstreitig der Klagsumme.
Die von der Revision vertretene Ansicht kann nicht gebilligt werden, die tarifrechtlichen Vorschriften seien in einem Falle wie dem vorliegenden, wo während der einjährigen Mietdauer nur ganz ausnahmsweise rein innerdeutsche Transporte ausgeführt worden seien, nicht anzuwenden, weil gegen ihren Zweck nicht verstoßen worden sei. Wie der Senat im Urteil vom 3. Juli 1975 - II ZR 71/73, LM BinnSchVerkG Nr. 4 ausgeführt hat, erfordern Sinn und Zweck der Tarifvorschriften aus den dort dargelegten Gründen ihre umfassende Geltung für den gesamten Bereich eines Ver. kehrsträgers. Dieser Grundsatz läßt keine Ausnahme zu; andernfalls wäre der Umgehung der Tarifvorschriften Tür und Tor geöffnet. Es ist somit festzuhalten, daß die Mietverträge der Beklagten mit den Partikulieren, soweit sie für den innerdeutschen Verkehr gelten, den objektiven Tatbestand des § 31 Abs. 3 BinnSchVG durch die Vereinbarung eines vom festgesetzten abweichenden Entgelts erfüllen.
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Das Berufungsgericht ist der Ansicht, die Beklagte habe mit bedingtem Vorsatz, mindestens aber grob fahrlässig gehandelt.
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Der Beklagten war bekannt, daß die für den innerdeutschen Verkehr festgesetzten Tagesmietsätze höher waren als diejenigen, die sie mit den ausländischen Partikulieren vereinbart hatte. Sie war indessen der Ansicht, der Zwangstarif gelte aus Rechtsgründen für diese Schiffsmietverträge nicht. Wenn in dem maßgeblichen Tarif A 100/14 unter Ziffer III 2 bestimmt sei, daß die Tagesmietsätze in allen Fällen für mindestens 30 ununterbrochene Miettage (Kalendertage) zu vergüten seien, dann ergebe sich daraus, daß die Anwendung des Tarifs auf die innerdeutschen Transporte mit den von ihr gemieteten ausländischen Binnenschiffen zu unsinnigen Ergebnissen führe. Bei wörtlicher Anwendung verpflichte sie der Tarif, für jede Fahrt im innerdeutschen Verkehr 30 Tagesmietsätze zu verrechnen, was wirtschaftlich untragbar sei. Daran zeige sich, daß der Tarif nicht für Mietverträge passe, in denen der Einsatz der Schiffe im Auslands- und innerdeutschen Verkehr vorgesehen sei. Dieser Rechtsirrtum vermag die Beklagte nicht zu entlasten; er beruht auf grob fahrlässiger Verkennung der Rechtslage. Der Tarif knüpft eindeutig an die im Mietvertrag vereinbarte Mietdauer ohne Rücksicht auf die vorgesehene Einsatzart an. Danach kann kein Zweifel bestehen, daß hier die Tagesmietsätze gelten, die für Binnenschiffe festgesetzt sind, die für ein Jahr und länger gemietet sind. Die Vorschrift unter Ziffer 111 2 soll dagegen offensichtlich verhindern, daß Schiffe für kürzere Zeit als 30 Tage gemietet werden. Es gibt keinen vernünftigen Grund, diese Bestimmung mit den zu beurteilenden Jahresmietverträgen in Verbindung zu bringen. Die Rechtsauffassung der Beklagten ist daher schlechthin abwegig. Hinzu kommt, daß die zuständige Wasser- und Schiffahrtsdirektion die Beklagte Ende des Jahres 1972 in drei Schreiben unter Darlegung der Rechtslage auf gleichartige Tarifverstöße hingewiesen und deswegen verwarnt hat.
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Das Berufungsgericht ist der Auffassung, die Partikuliere hätten bei der Mietvereinbarung in grob fahrlässiger Unkenntnis des festgesetzten Entgelts gehandelt. Entgegen der Ansicht der Revision läßt dies keinen Rechtsfehler erkennen. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen ist, ausländischen Binnenschiffern sei die zwingende Tarifregelung im innerdeutschen Verkehr bekannt. Der Vorwurf der groben Fahrlässigkeit wird allein durch den Umstand getragen, daß sich die Partikuliere nicht darum gekümmert haben, ob und gegebenenfalls welche gesetzlichen Vorschriften sie bei der gewerblichen Betätigung im innerdeutschen Verkehr zu beachten haben. Ein Gewerbetreibender, der vor Aufnahme einer gewerblichen Tätigkeit im Ausland sich nicht um die dortige Rechtslage kümmert, läßt die verkehrserforderliche Sorgfalt in besonders hohem Maße außer acht, denn in jedem Staate muß damit gerechnet werden, daß die gewerbliche Betätigung bestimmten gesetzlichen Vorschriften unterliegt.