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Leitsatz:
Zur sachlichen Zuständigkeit der Schifffahrtsgerichte nach § 2 Abs. 1 Buchst. c) gehören auch vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Frachtführer wegen Beschädigung der Ladung durch während der Reise in die Schiffsladeräume eingedrungenes Wasser. Die Ansprüche können, sofern die allgemeinen Voraussetzungen des Art. 5 EuGVÜ gegeben sind, vor dem Schifffahrtsgericht geltend gemacht werden, in dessen Bezirk der Erfüllungsort für die Transportverpflichtung des Frachtführers liegt.
Urteil des Bundesgerichtshof
vom 26. Oktober 1981
II ZR 198/80
(Schifffahrtsgericht Mannheim; Schifffahrtsobergericht Karlsruhe)
Zum Tatbestand:
Die Klägerin hatte einen Reistransport mit MS „H" von Rotterdam zum Oberrhein versichert. Die Versicherungsnehmerin und Rechtsvorgängerin der Klägerin, nämlich eine Mühle in Mannheim, hatte den Transportauftrag der Beklagten zu 1 in Rotterdam erteilt, die ihrerseits einem holländischen Schiffseigner, dem Beklagten zu 2, die Durchführung des Schiffstransports übertragen hatte.
Die Klägerin hat einen Schaden von etwa 192000,- DM ersetzt, der durch Eindringen von Wasser in die Laderäume während der Reise und durch darauf beruhende Beschädigung der Partie entstanden war. Sie verlangt Ersatz von den Beklagten, weil die Schotten des MS „H" von Reisebeginn an undicht gewesen seien und infolgedessen aus dem nicht völlig geschlossenen Rohrleitungssystem Wasser in die Laderäume habe gelangen können.
Die Beklagten haben die Unzuständigkeit des angerufenen Schifffahrtsgerichts gerügt, weil nach den Konnossementsbedingungen in Verbindung mit den Transportbedingungen der Beklagten zu 1, Rotterdam als Gerichtsstand vereinbart worden sei. Letztere habe nur dort ihre Vertragspflichten gegenüber der Mühle erfüllen müssen und sei auch als Spediteur, nicht als Frachtführer tätig gewesen.
Demgegenüber beruft sich die Klägerin auf einen Frachtvertrag zwischen ihrer Rechtsvorgängerin und der Beklagten zu 1, nach dessen Inhalt die Transportbedingungen einer Schwesterfirma der Beklagten zu 1, der L.-Fa. in Mannheim, gegolten hätten. Darin sei Mannheim als Gerichtsstand für alle Streitigkeiten bestimmt gewesen.
Das Schifffahrtsgericht hat die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit als unzulässig zurückgewiesen. Das Schifffahrtsobergericht hat die Berufung zurückgewiesen, aber den Rechtsstreit gegen den Beklagten zu 2 an das Schifffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort verwiesen. Im Revisionsverfahren hat die Klägerin die Revision gegen das Berufungsurteil bezüglich des Beklagten zu 2 zurückgenommen. Soweit zum Nachteil der Klägerin im Verhältnis zum Beklagten zu 1 erkannt ist, sind die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben und ist die Sache insoweit zur anderweiten Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen worden.
Aus den Entscheidungsgründen:
„...
1. Allerdings ist dem Berufungsgericht zuzustimmen, dass die Rechtsvorgängerin der Klägerin und die Beklagte zu 1 die Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts Mannheim für Streitigkeiten aus ihren vertraglichen Beziehungen nicht vereinbart haben.
...
Die Klausel bezeichnet nur allgemein Mannheim als Gerichtsstand, hingegen besagt sie nichts über eine Zuständigkeit des dortigen Schifffahrtsgerichts.
2. Nicht zu folgen ist dem Berufungsgericht hingegen, soweit es die gesetzliche Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts Mannheim verneint hat.
a) Vorweg ist zu bemerken:
Bei der Forderung, welche die Klägerin gegen die Beklagte zu 1 verfolgt, handelt es sich um einen frachtvertraglichen Schadensersatzanspruch nach § 58 Abs. 1 BinnSchG und nicht, wie das Berufungsgericht ausgeführt hat, um einen Anspruch aus einem zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und der Beklagten zu 1 begründeten Speditionsverhältnis. Für ein solches Verhältnis geben weder das Auftragsschreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 12. August 1978 an die Beklagte zu 1 noch die Durchführung der Beförderung oder die sonstigen Umstände des Falles hinreichende Anhaltspunkte her. In dem genannten Schreiben wird der Beklagten zu 1 der Auftrag erteilt, die mit SS „MÜNCHEN" aus Übersee in Rotterdam ankommende Partie Reis nach Mannheim -Option Straßburg - weiterzuverfrachten. Diesen Auftrag hat die Beklagte zu 1 mit Schreiben vom 25. August 1978 übernommen, nachdem zuvor die Fracht für den Transport Rotterdam-Mannheim (18,-DM p. t.) beziehungsweise für die Option Rotterdam - Straßburg - Mannheim (24,- DM p. t.) ausgehandelt worden war. ...
Auch hat sich die Beklagte zu 1 zweifellos selbst als (Haupt-) Frachtführer angesehen. In dem von ihr auf einem Formular der L.-Firmengruppe ausgefüllten „Konnossement" vom 25. August 1978 ist bestimmt, dass dem Transport ihre Übernahme- und Transportbedingungen (Konnossementsbedingungen) zugrunde liegen. Diese sind aber auf die Tätigkeit als Frachtführer zugeschnitten und bezeichnen die Beklagte zu 1 jeweils als „Reederei". Dass diese in dem „Konnossement" ihren Namen in der Spalte „Absender/Ablader" eingetragen hat, gibt für eine Spediteurstätigkeit nichts weiter her, weil der Hauptfrachtführer im Verhältnis zum Unterfrachtführer Absender ist. Schließlich ist es ohne wesentliche Bedeutung, dass die Beklagte zu 1 über keine eigenen Schiffe verfügt und dieser Umstand der Rechtsvorgängerin der Klägerin auch bekannt gewesen sein soll. Das nötigt schon deshalb nicht zu der Annahme einer speditionellen Tätigkeit der Beklagten zu 1, weil die Tätigkeit eines Frachtführers in der Binnenschifffahrt keine, eigenen Schiffe voraussetzt.
b) Nach § 2 Abs. 1 Buchst. c) des Gesetzes über das gerichtliche Verfahren in Binnenschifffahrtssachen vom 27. September 1952 (BinnSchVerfG) sind die Schifffahrtsgerichte sachlich zuständig für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die mit der Benutzung von Binnengewässern durch Schifffahrt zusammenhängen und vertragliche Schadensersatzansprüche aus einem Unfall, der durch ein Schiff oder bei dem Betrieb eines Schiffes entstanden ist, zum Gegenstand haben. Um eine solche Rechtsstreitigkeit handelt es sich hier.
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c) Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG ist - vorbehaltlich einer abweichenden Parteivereinbarung - in den Fällen des § 2 Abs. 1 Buchst. c) BinnSchVerfG nur das Schifffahrtsgericht (örtlich) zuständig, in dessen Bezirk sich die den Anspruch begründende Tatsache ereignet hat. Letzteres ist hier - unbestritten - im Bezirk des Schifffahrtsgerichts Mannheim nicht geschehen. Dessen Zuständigkeit lässt sich daher aus § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG nicht herleiten. Die Vorschrift schließt aber auch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, eine Anwendung des § 29 ZPO (Gerichtsstand des vertraglichen Erfüllungsorts) aus. Durch den Gebrauch des Wortes „nur" macht sie deutlich, dass es sich - abgesehen von dem hier nicht vorliegenden Fall einer abweichenden Parteiabsprache - um einen ausschließlichen Gerichtsstand handelt (ebenso Spreckelsen/Herber aa0 S. 11; vgl. auch die in der Deutschen Justiz 1937 S. 175/176 veröffentlichte Begründung zu dem Gesetz über das Verfahren in Binnenschifffahrtssachen vom 30. Januar 1937 - RGBI. 1 97, dessen Regelung der örtlichen Zuständigkeit der Schifffahrtsgerichte der Vorschrift des § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG 1952 zu grundegelegt - BT-Drucks. 1/3303 S. 8; vgl. ferner Koffka in Deutsche Justiz 1937 S. 226).
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d) Dennoch ist die Zuständigkeit des Schifffahrtsgerichts Mannheim für die Klage gegen die Beklagte zu 1 gegeben. Insoweit greift zu Gunsten der Klägerin Art. 5 Nr. 1 des Übereinkommens über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 27. September 1968 (EuGVÜ) - BGBI. 197211 774 ein, das für die Bundesrepublik
Deutschland am 1. Februar 1973 in Kraft getreten ist - BGBI. II 60 und im Verhältnis zu den sechs ursprünglichen EWG-Staaten gilt (Baumbach/ Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO 39. Aufl. S. 1965). Nach dieser Bestimmung kann eine Person, die ihren Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden, wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem solchen den Gegenstand des Verfahrens bilden, und zwar vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre.
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Zu bemerken bleibt noch, dass die Frage des Vorrangs von Art. 5 Nr. 1 EuGVÜ gegenüber § 3 Abs. 1 Satz 2 BinnSchVerfG mit der dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften vorbehaltenen Auslegung des Übereinkommens (vgl. Art. 1 und 3 des Protokolls betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof vom 3. Juni 1971 -BGBI. 19 11 846) nichts zu tun hat, so dass es keiner Vorlage dieser Frage an diesen Gerichtshof zur Entscheidung bedarf. ...
e) Die Bedenken des Berufungsgericht gegen Mannheim als Erfüllungsort der vertraglichen
Verpflichtung der Beklagten zu 1 teilt der Senat nicht.
Für die frachtrechtliche Verpflichtung der Beklagten zu 1, die Partie Reis nach Mannheim zu befördern und dort abzuliefern, war dieser Ort aber Erfüllungsort. Allerdings trifft es zu, dass die Beklagte zu 1 in der Auftragbestätigung vom 25. August 1978 von einem Transport nach „Straßburg (via Mannheim)" gesprochen und in dem „Konnossement" vom 25. August 1978 Frankreich als Bestimmungsort beziehungsweise als Bestimmungsland bezeichnet und ein im Straßburger Hafen ansässiges, Unternehmen in der Spalte „Meldeadresse" eingetragen hat. Dass sie damit bewusst von dem ihr von der Rechtsvorgängerin der Klägerin erteilten Transportauftrag hat abweichen wollen, ist um so weniger ersichtlich, als ihr aus dem Auftragsschreiben der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 11. August 1978 bekannt war, dass die Partie aus zolltechnischen Gründen über Straßburg nach Mannheim (Löschstelle: H.-Mühle in Mannheim) zu befördern war, was auch in der Frachtvereinbarung seinen Niederschlag gefunden hat. ...“