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II ZR 189/67 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 16.06.1969
File Reference: II ZR 189/67
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Aus der Verantwortung des Schleppzugführers für den richtigen Kurs der Anhänge ergibt sich die Pflicht, diese - gegebenenfalls laufend - zu beobachten, und, sofern die Anhänge nicht richtig nachsteuern, den Fehler durch entsprechende Weisungen oder Gegenmaßnahmen zu berichtigen.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 16. Juni 1969

II ZR 189/67

(Rheinschiffahrtsgericht Duisburg-Ruhrort; Rheinschiffahrtsobergericht Köln)

Zum Tatbestand:

Die Klägerin als Versicherin des MS M verlangt von der Eigentümerin des Schleppkahnes K (Beklagte zu 1), dessen Schiffsführer (Beklagter zu 2) und dem Eigner und Schiffsführer (Beklagter zu 3) des den Kahn schleppenden Bootes E Ersatz eines Schadens von ca. DM 163000,00 der auf der Kollision zwischen M und K beruhte und wobei M bei km 839,3 gesunken war. Parteien in der Revision sind nur noch die Klägerin und der Beklagte zu 3 (kurz Beklagter genannt).
Die Klägerin trägt vor, daß die Führung des in Fahrwassermitte zu Tal fahrenden MS M bemerkt habe, daß das Schleppboot E rechtsrheinisch, SK K hingegen linksrheinisch zu Berg gekommen sei. Sie habe K zuerst für einen Selbstfahrer gehalten und ihn erst auf eine Entfernung von 200 m als Anhang des Bootes ausgemacht, auf dessen Weisung sie den Kurs ihres Schiffes sofort nach Backbord gerichtet und versucht habe, SK K zu umfahren. Letzterer sei aber weiter zum linksrheinischen Ufer gelaufen. Der Beklagte habe die Führung des Kahnes weder durch Glockenschläge noch sonstwie angehalten, nach Backbord beizugehen.
Der Beklagte bestreitet jedes Verschulden und behauptet, K sei erst unmittelbar vor der Begegnung nach Steuerbord ausgeschert. Das Boot habe sofort gestoppt, um M Gelegenheit zu geben, über den durchhängenden Schleppstrang zu fahren. Da MS M dies unterlassen habe, treffe dessen Führung ein unfallursächliches Mitverschulden.
Alle 3 Instanzen haben den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Berufungsgericht geht bei seinen Erwägungen ersichtlich von dem Grundsatz aus, daß der Schleppzugführer kraft seines nautischen Oberbefehls (§ 2 Nr. 4 RheinSchPolVO) sowohl auf der Tal- wie auf der Bergfahrt auch die Verantwortung für den richtigen Kurs der Anhänge - unbeschadet der Verantwortung der Kahnführer - trägt und, sofern auf den Anhängern nicht richtig nachgesteuert wird, diesen Fehler durch entsprechende Anweisungen, notfalls durch geeignete Gegenmaßnahmen seines Bootes zu berichtigen hat (BGH VersR 1968, 756; 1959, 608, 611) Die Mitverantwortung des Schleppzugführers für den Kurs der Anhänge gebietet deren Beobachtung (BGH VersR 1965, 455, 457). Das bedeutet selbstverständlich nicht, daß der Schleppzugführer seine Anhänge während der ganzen Fahrt ständig im Auge haben muß. Vielmehr richtet sich der Umfang seiner Beobachtungspflicht nach den gesamten Umständen des Falles, insbesondere nach den jeweiligen örtlichen Gegebenheiten, der Steuerfähigkeit seiner Anhänge und der Belegung des Reviers. Diese können allerdings dazu führen, daß der Schleppzugführer den Kurs seiner Anhänge fortlaufend zu beobachten hat (BGH VersR 1968, 843). Das verkennt die Revision. Wie sie selbst darlegt, war im Streitfall das Revier rechts- und linksrheinisch durch eine größere Zahl von Bergfahrern belegt, zwischen denen die Talfahrt (MS M und die unmittelbar nachfolgende, besonders breite Schubeinheit Kr) ihren Weg nehmen mußte. Außerdem hatte das Boot E mit SK K einer leichten Linksbiegung des Stromes zu folgen, so daß die Strömung gegen die Backbordseite des auf langem Strang hängenden, nahezu voll abgeladenen Kahnes - ihn mithin in Richtung Fahrwassermitte - drückte. Unter diesen besonderen Umständen war aber der Beklagte, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, gehalten, laufend auch auf den Kurs des SK K zu achten und, wenn ihm dies mit Rücksicht auf den übrigen Verkehr nicht möglich gewesen sein sollte, seinen Matrosen zur Erfüllung diesar Pflicht mit heranzuziehen.
Unbegründet ist weiter die Rüge der Revision, das Berufungsgericht habe nicht hinreichend festgestellt, daß ein etwaiges Mitverschulden des Beklagten für den Schiffsunfall ursächlich gewesen sei. Die Rüge, die im wesentlichen auf Berechnungen gestützt ist, für deren Ausgangswerte das angefochtene Urteil keine hinreichenden Anhaltspunkte gibt, beachtet nicht die rechtsfehlerfreie Feststellung des Berufungsgerichts, wonach SK K nach Verlassen des rechtsrheinischen Kurses des Schleppzuges langsam und stetig in Richtung linkes Ufer bis zu der in Ufernähe Zusammenstoßsteile gefahren ist. Hiervon ausgehend konnte ,das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß den Schluß ziehen, daß eine unverzügliche, durch Glockenschläge (§ 58 Nr. 1 Abs. 2 RheinSchPolVO) oder durch Schallzeichen nach § 58 Nr. 2 RheinSchPolVO gegebene Weisung des Beklagten zum ordnungsgemäßen Nachsteuern an die lediglich unaufmerksame Führung seines nach Steuerbord ausscherenden Anhanges zur Vermeidung des Schiffsunfalles, geführt hätte, zumal nach den weiteren Ausführungen des Berufungsgerichts bereits eine geringfügige Backbordbewegung des Kahnes genügt hätte, den Zusammenstoß zu verhindern.
Wenn die Revision meint, Schiffsführer O. (von MS M) habe die sich vor ihm vollziehenden Vorgänge sorgsam beobachten und bereits beim Ausscheren des SK K aus dem Kurs seines Bootes ein Achtungssignal (§ 24 Nr. 1 a RheinSchPolVO) geben müssen, so beachtet sie nicht die rechtsfehlerfreie Feststellung des Breufungsgerichts, O. habe zunächst auf Grund der Fahrweise des SK K dieses Schiff für einen Selbstfahrer halten dürfen; hierzu ist weiter zu bemerken, daß das letztgenannte Schiff die blaue Seitenflagge unstreitig nicht gesetzt hatte und damit O. davon ausgehen konnte, der Selbstfahrer" wolle mit MS M eine Backbordbegegnung durchführen. Weiter kann Schiffsführer O. nicht, Wie der Beklagte in der Revisionsverhandlung ergänzend dargelegt hat, vorgeworfen werden, er habe ein Achtungssignal oder ein Kurssignal (§ 4 Rheinar h PolVO) zumindest in dem Augenblick geben müssen, als er erkannt habe, daß SK Karl Heinz" von SB E geschleppt wurde und außerhalb des Kurses seines Bootes fahre. Denn O., der nach Erkennen dieser Lage sofort entsprechend der Kursweisung des Bootes klaren Bug nach Backbord gezeigt hat, durfte nunmehr darauf vertrauen, daß SK Karl Heinz" - zumindest auf eine von dem Boot zu erteilende Weisung - seinerseits nach Backbord beigehen werde. Insbesondere brauchte er nicht damit zu rechnen, daß der Beklagte, der grundsätzlich für das richtige Nachsteuern seines Anhangs zu sorgen hatte, jede diesbezügliche Anordnung an die Führung des SK E unterlassen, und der Kahn unter Mißachtung der- Weisung seines Bootes an MS M, den Schleppzug an Steuerbord vorbeifahren zu lassen, seinen Kurs bis in die Nähe des linken Ufers fortsetzen werde.