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Leitsatz:
Das Kursänderungsverbot in § 37 Nr. 3 RhSchPVO bezweckt, im Interesse der Verkehrssicherheit klare Verhältnisse zu schaffen. Es soll jede Gefahr eines Zusammenstoßes verhindern und die Zweifel anderer Verkehrsteilnehmer über den Fahrtweg, den das Schiff einschlagen wird, ausschließen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 25. September 1967
II ZR 181/65
(Rheinschiffahrtsgericht St. Goar, Rheinschiffahrtsobergericht Köln)
Zum Tatbestand:
Das der Klägerin gehörende leere MTS M stieß auf der Talfahrt im Bopparder Hamm mit dem auf der Bergfahrt befindlichen, damals der Beklagten zu 1 gehörenden und zur Unfallzeit vom beklagten Matrosen zu 3 geführten S zusammen. Beide Schiffe wurden an ihrer Steuerbordseite beschädigt. Die Begegnung fand steuerbords statt, nachdem der zu Berg fahrende beladene S einem vorausfahrenden Schleppzug, bestehend aus MS „Haniel Kurier 31" und den leeren Anhangkähnen Ma backbords und D steuerbords, bereits den Weg an Steuerbord gewiesen hatte.
Die Klägerin verlangt Schadensersatz, weil S nicht der rechter Stromkrümmung gefolgt, sondern geradeaus gefahren und nach plötzlichem Steuerbordkurs gegen M geraten sei. Die Beklagten bestreiten dies und behaupten, M, die den vorausfahrenden Haniel-Zug an dessen Steuerbordseite habe überholen wollen, sei zu spät nach-Backbord ausgewichen.
Das Rheinschiffahrtsgericht hat die Klage in vollem Umfang, das Rheinschiffahrtsobergericht hat sie zu 2/3 dem Grund nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision der Beklagten blieb erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Die Führung von S hat gegen das Kursänderungsverbot des § 37 Nr. 3 RhSchPVO verstoßen. Unter Kurs i. S. dieser Vorschrift ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (VersR 1959, 608, 609 f; 1962, 320, 321; 1964, 184, 186) nicht die Lage und Richtung des Schiffes im Zeitpunkt der Zeichengebung, sondern der Fahrtweg zu verstehen, den das Schiff nach nautischen Grundsätzen zur gefahrlosen Vorbeifahrt einzuschlagen hat. Dies verkennt die Revision, wenn sie meint, S sei nicht verpflichtet gewesen, den üblichen Weg der Bergfahrt einzuhalten, es komme ausschließlich darauf an, ob der Bergfahrer dem Talfahrer einen geeigneten Weg zum Begegnen freigelassen habe. Die Vorschriften des § 37 Nr. 2 und 3 RhSchPVO wollen im Interesse der Verkehrssicherheit klare Verhältnisse schaffen. Das Verbot der Kursänderung bezweckt, jede Gefahr eines Zusammenstoßes zu verhindern und die Zweifel anderer Verkehrsteilnehmer über den Fahrtweg, den das Schiff einschlagen werde, auszuschließen.
Der Bergfahrer S ist bei der Umfahrung des Osterspaier Grundes an der rechten Fahrwassergrenze, die dort wegen des Grundes in Strommitte verläuft, gefahren. Sein ,Kurs" i. S. des § 37 Nr. 3 RhSchPVO verlief entsprechend der von ihm der Talfahrt gegebenen Weisung an der rechten Fahrwassergrenze. Diesen Kurs hätte er beibehalten müssen, als der Grund zu Ende war und die Fahrwassergrenze nunmehr näher am rechten Ufer verlief. Um seinen Fahrtweg an der . rechten Fahrwassergrenze fortzusetzen, hätte daher S nach Backbord gehen müssen. Das hat ihr Rudergänger, der Beklagte zu 3, nicht getan; er ist vielmehr geradeaus in Strommitte, die nun nicht mehr mit der rechten Fahrwassergrenze zusammenfiel, weitergefahren. Damit hat er seinen Kurs nach Steuerbord in Richtung des vom Talfahrer M zu befahrenden Fahrtweges geändert. Das war verboten. Die etwaige Unkenntnis des. Beklagten zu 3 über die Lage und Ausdehnung des Osterspaier Grundes kann nicht entschuldigen.
Hätte S von km 573,5 an die Fahrt an der rechten Fahrwassergrenze beibehalten, statt in Richtung Fahrwassermitte zu fahren, so wäre es zu der Kollision 70 bis 100 m auf dem linken Ufer nicht gekommen.
An die Feststellung im angefochtenen Urteil, es sei ungeklärt geblieben, ob auf M die blaue Seitenflagge rechtzeitig und ordnungsgemäß gesetzt gewesen sei, ist das Revisionsgericht gebunden.
Richtig ist, daß das Unfallgeschehen verhältnismäßig schnell verlaufen ist und daß die Fahrweise von M den Führer von S irritiert hat. Das kann ihn aber nicht entlasten. Hätte er entsprechend seiner Kursweisung seine Fahrt an der rechten Fahrwassergrenze fortgesetzt, so hätten in ihm Zweifel über die Fahrweise von M überhaupt nicht aufkommen können.
Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht das Verschulden der Führung von M, die den Bergfahrer „reichlich spät" erkannt habe, darin gesehen, daß „Margna' erst kurz vor dem Zusammenstoß nach Backbord ausgewichen sei und durch seine bis zu diesem Ausweichen nach Steuerbord gerichtete Schräglage den Eindruck hervorgerufen habe, M wolle den Entgegenkommer entgegen dessen Weisung an Backbord passieren, wodurch dieser irritiert worden sei.
Die Führung von M hat hierdurch gegen § 39 Nr. 1 RhSchPVO verstoßen und ihre nautische Sorgfaltspflicht (§ 4 RhSchPVO, § 276 BGB) verletzt.
Beide Schiffsführer sind nicht den vom Bergfahrer gewiesenen Weg gefahren. S hat nicht den Kurs an der rechten Fahrwassergrenze beibehalten und ist erst im letzten Augenblick nach Backbord ausgewichen. Auch ; hat nicht rechtzeitig Backbordkurs eingeschlagen, sondern ist erst kurz vor dem Zusammenstoß nach Backbord ausgewichen. Das überwiegende Verschulden der Führung von S sieht das Berufungsgericht darin, daß sie, nachdem sie schon zunächst unzureichend nach Backbord beigegangen sei, dann unter grobem Verstoß gegen die grundlegenden Begegnungsregeln kurz vor dem Talfahrer den festgelegten und noch durch Backbordsignal bekräftigten Kurs gewechselt habe. Zwar ist der Revision zuzugeben, daß angesichts der Fahrweise von M und des sich schnell abspielenden Unfallgeschehens von einem groben Verstoß des Bergfahrers nicht gesprochen werden kann. Trotzdem überwiegt sein Verschulden, weil erst durch seine eigene falsche Fahrweise in ihm Zweifel über die Kursabsichten von M aufkommen konnten."