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Leitsätze:
1) Hat ein Besatzungsmitglied einen Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft geschädigt, so unterliegt dessen Ersatzanspruch gegen den Eigner des Schiffes der einjährigen Verjährungsfrist des § 117 Abs. 1 Nr. 7 BinnSchG auch insoweit, als er ihn auf positive Vertragsverletzung in Verbindung mit § 278 BGB stützt.
2) Wird durch den Betrieb eines Schiffes ein Gewässer verschmutzt, so verjährt der Ersatzanspruch des Geschädigten aus § 22 WHG gegen den Eigner des Schiffes in sinngemäßer Anwendung des § 117 BinnSchG nach einem Jahr, gerechnet vom Schluß des Jahres an, in dem der Anspruch fällig geworden ist.
Urteil des Bundesgerichtshofs
vom 17. März 1980
II ZR 1/79
(Landgericht Kiel; Oberlandesgericht Schleswig)
Zum Tatbestand:
Am 1. August 1972 ging das MS O der Beklagten, einer Tank- und Schiffsreinigungsfirma, längsseits des der Klägerin gehörenden Zerstörers B, um im Auftrage des Marinearsenals W. auf der Grundlage eines schon 1969 geschlossenen Rahmenvertrages Heizöltanks des Zerstörers zu lenzen, zu reinigen und gasfrei zu machen. Nachdem ein Besatzungsmitglied des Zerstörers einen bordeigenen C-Schlauch an die Tanks zum Lenzen mit bordeigenen Pumpen angeschlossen hatte und das andere Ende von einem Besatzungsmitglied des MS O in dessen Altöltank gehängt worden war, geriet der Schlauch beim Oberpumpen von Öl- und Wasserrückständen unbemerkt aus dem Altöltank des MS O, so daß ein Teil des Gemisches in das Hafenbecken gelangte und es verschmutzte.
Die Klägerin verlangt mit der im Juli 1975 erhobenen Klage Ersatz aufgewendeter Reinigungskosten von ca. 4900,- DM und weiterer Kosten von etwa 2750,- DM für das Abwaschen der Außenhaut der B mit der Begründung, daß der Schlauch völlig unzulänglich nur mit einem Bindfaden an der Reling von MS O befestigt gewesen sei und sich infolgedessen habe lösen können.
Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung seit dem 31. 12. 1973. Im übrigen hat sie ein Verschulden der Besatzung von MS O bestritten. Nach dem Rahmenvertrag von 1969 hafte sie höchstens für grobes Verschulden ihrer Leute, was keinesfalls angenommen werden könne.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrages von ca. 4550,- DM verurteilt, das Oberlandesgericht hat die Klage in vollem Umfang abgewiesen einschließlich eines im Wege der Anschlußberufung von der Klägerin hilfsweise gestellten Antrages auf Feststellung, daß sie berechtigt sei, gegen Vergütungsforderungen der Beklagten in Höhe der vom Landgericht zuerkannten Forderung (ca. 4550,- DM) aufzurechnen, soweit die Vergütungsansprüche in der Zeit vom 1. B. 1972 bis zum 31. 12. 1973 entstanden waren. Die Revision der Klägerin wurde im wesentlichen zurückgewiesen, führte jedoch bezüglich des hilfsweise erhobenen Feststellungantrages zur Aufhebung des Urteils und zur Zurückverweisung an das Berufungsgericht.
Aus den Entscheidungsgründen:
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Nach § 3 Abs. 1 BinnSchG ist der Schiffseigner für den Schaden verantwortlich, den eine Person der Schiffsbesatzung oder ein an Bord tätiger Lotse einem Dritten in Ausführung von Dienstverrichtungen schuldhaft zufügt. Allerdings haftet er dem Dritten nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BinnSchG nicht persönlich, sondern nur mit Schiff und Fracht, wozu nach § 114 Abs. 1 BinnSchG eine auf den Wert des Schiffes beschränkte persönliche Haftung treten kann. Sowohl der dingliche als auch der persönliche Anspruch verjähren, sofern es sich um keinen Ersatzanspruch aus dem Zusammenstoß von Schiffen oder aus einer Fernschädigung (vgl. § 92 Abs. 2 BinnSchG) handelt, mit dem Ablauf eines Jahres, gerechnet von dem Schlusse des Jahres an, in welchem die Forderung fällig geworden ist (§ 117 Abs. 1 Nr. 7 und Abs. 2 BinnSchG). Im Streitfall kann es nicht zweifelhaft sein, daß die Übernahme von Dl- und Wasserrückständen aus Heizöltanks der B zu den Dienstverrichtungen der Besatzung des MS O, einem Spezialschiff für derartige Aufgaben, gehört hat und damit ein Anspruch der Klägerin aus § 3 Abs. 1, § 114 Abs. 1 BinnSchG am 31. Dezember 1973 verjährt ist.
Das gilt entgegen der Ansicht der Revision auch insoweit, als die Klägerin die Klageforderung auf positive Vertragsverletzung in Verbindung mit § 278 BGB gründet. Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum fallen unter die Vorschrift des § 117 Abs. 1 Nr. 7 BinnSchG nicht nur Ansprüche aus einem außervertraglichen, sondern auch diejenigen aus einem vertraglichen Verschulden der Schiffsbesatzung (RGZ 105, 198, 199/200; Mittelstein, Das Recht der Binnenschiffahrt, 1918, S. 426; Vortisch/Zschucke, Binnenschiffahrts- und Flößereirecht, 3. Aufl. BSchG, § 117 Anm. 3 b; Bartholomeyczik, Binnenschiffahrtsrecht, 2. Aufl. BSchG, § 117 Anm. 1; Lindeck, Das Binnenschiffahrtsrecht, S. 165; Wassermeyer, Der Kollisionsprozeß in der Binnenschifffahrt, 4. Aufl., S. 389; Bemm/Kortendick, Rheinschiffahrtspolizeiverordnung 1970, S. 47). Damit steht nicht, wie die Revision meint, in Widerspruch, daß in § 117 Abs. 1 Nr. 7 BinnSchG auf die Worte „die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung oder eines Lotsen" der Klammerzusatz „§§ 3, 4 Nr. 3, § 7" folgt, da es sich hierbei nur um die beispielhafte Aufzählung einzelner Haftungsbestimmungen handelt (BGHZ 19, 82, 83; 69, 62, 65; RGZ 105, 198, 200; 127, 72, 76). Aus dem gleichen Grunde ist es ohne rechtliche Bedeutung, daß die Vorschrift des § 4 Abs. 1 Nr. 2 BinnSchG in dem Klammerzusatz nicht aufgeführt ist. Ebenso gibt der Gedanke der Revision, „das Entölen und seine sorgfältige Ausführung habe nichts mit dem Schiffsbetrieb zu tun und erzeuge nicht die mit der Verwendung des Binnenschiffes verbundenen Risiken", nichts dafür her, daß § 117 Abs. 1 Nr. 7 BinnSchG im Streitfall nicht anwendbar sei. Denn abgesehen davon, daß die Vorschrift nach den Worten „die Forderungen aus dem Verschulden einer Person der Schiffsbesatzung" alle Forderungen aus einem solchen Verschulden umfaßt, besteht kein Zweifel daran, daß die Übernahme von 01- und Wasserrückständen aus Tanks der B zum Betrieb des mit derartigen Aufgaben betrauten MS O gehört hat.
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Nach § 22 Abs. 1 WHG ist derjenige, der in ein Gewässer Stoffe einbringt oder einleitet, zum Ersatz des daraus einem anderen entstehenden Schadens verpflichtet. Die Worte „einbringen" oder „einleiten" bezeichnen nicht, wie insbesondere die Fassung des § 22 Abs. 2 Satz 1 WHG deutlich macht, jede Verursachung des Hineingelangens von Stoffen in ein Gewässer. Vielmehr beschreiben sie ein zielgerichtetes Handeln (Giesecke/Wiedemann/Czychowski, Wasserhaushaltsgesetz, 3. Aufl., § 22 Rnr. 7). Ob dieses bewußt sein muß, oder ob hierfür ein Verhalten genügt, das nur nach seiner objektiven Eignung auf das Hineingelangen gerichtet ist, bedarf keiner Erörterung. Denn in einem Fall, in dem beim Überpumpen von Wasser- und Ölrückständen aus einem Schiff in ein zu deren Aufnahme bestimmtes anderes Fahrzeug ein Teil der Rückstände lediglich deshalb in das Wasser gerät, weil sich der Verbindungsschlauch aus der Öffnung des Altöltanks des übernehmenden Fahrzeugs gelöst hat, fehlt es überhaupt an einem zielgerichteten Handeln in jenem Sinne. Ein solcher Fall liegt nicht anders, als wenn die Rückstände aus einer undichten Stelle des Schlauches oder eines der Tanks in das Wasser gelangt wären.
Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 WHG ist der Inhaber einer Anlage, die bestimmt ist, Stoffe herzustellen, zu verarbeiten, zu lagern, abzulagern, zu befördern oder wegzubringen, zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der einem anderen dadurch entsteht, daß derartige Stoffe in ein Gewässer gelangen, ohne in dieses eingebracht oder eingeleitet zu sein. Diese Anlage war im Streitfall nicht, wie die Revision meint, der Altöltank des MS O, sondern der Zerstörer B der Klägerin. Aus dessen Tanks wurde mit Hilfe seiner Pumpen und einer eigenen Schlauchleitung das 01-Wassergemisch auf das MS O übergepumpt. Daß die beiden Fahrzeuge durch einen Schlauch - lose - miteinander verbunden waren, ließ die Beklagte nicht zum Inhaber oder Mitinhaber der zum Überpumpen benutzten Einrichtungen der B werden.
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Nur dann käme eine Inhaber- oder Mitinhaberschaft der Beklagten im Sinne des § 22 Abs. 2 Satz 1 WHG in Betracht (vgl. das zum Abdruck in der Entscheidungssammlung des Bundesgerichtshofes - BGHZ - bestimmte Urteil v. 29. 11. 1979 - III ZR 101/771) VersR 1980, 280 f.). Richtig ist es, daß auch der Altöltank des MS O als Anlage im Sinne dieser Vorschrift anzusehen ist. Für den Anspruch der Klägerin ist das jedoch ohne Bedeutung. Das Gemisch aus 01- und Wasserrückständen ist nicht aus diesem Tank, sondern schon vor dessen Erreichen aus dem Verbindungsschlauch der B in das Hafenbecken geflossen ist.
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Das Wasserhaushaltsgesetz enthält keine Bestimmung, innerhalb welcher Zeit Ansprüche aus § 22 Abs. 1 und 2 WHG verjähren. Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat diese Frage a I I g e m ein dahin entschieden, daß dies nach der insoweit heranzuziehenden Regelung des § 852 Abs. 1 BGB in drei Jahren von dem Zeitpunkt an geschehe, in welchem der Verletzte von der Entstehung des Schadens und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt habe (BGHZ 57, 170, 176). Dem hat sich das Berufungsgericht für den Streitfall angeschlossen. Jedoch hat es dabei nicht geprüft, ob dann, wenn die Verwirklichung eines oder mehrerer Tatbestände des § 22 Abs. 1 oder 2 WHG in einem engen Zusammenhang mit dem Schifsbetrieb steht, nicht an die Stelle der dreijährigen Verjährungsfrist des § 852 Abs. 1 BGB die einjährige Frist des § 117 BinnSchG in sinngemäßer Anwendung dieser auf Ansprüche aus einem solchen Betrieb zugeschnittenen Vorschrift tritt. Das ist zu bejahen.
Die einjährige Verjährungsfrist des § 117 BinnSchG beruht auf dem Gedanken, daß die Verhältnisse der Binnenschiffahrt eine schleunige Abwicklung der aus dem Schiffsbetrieb entspringenden Forderungen gebieten, weil mit ihnen vielfach ein gesetzliches Pfandrecht verbunden ist oder sie nach Ablauf eines längeren Zeitraums häufig nicht mehr zuverlässig geprüft werden können (vgl. Entwurf eines Gesetzes betreffend die privatrechtlichen Verhältnisse der Binnenschiffahrt, S. 126). Dieser Gedanke hat die Rechtsprechung bewogen, die Verjährungsregelung des § 117 BinnSchG im allgemeinen auch in den Fällen einheitlich anzuwenden, in welchen ein Anspruch aus dem Betrieb eines Schiffes sowohl auf Vorschriften des Binnenschiffahrtsgesetzes als auch auf diejenigen anderer Gesetze (z. B. § 823 BGB) gestützt werden kann. Ferner hat sie es für notwendig erachtet, solche Ansprüche der einjährigen Verjährungsfrist des § 117 BinnSchG zu unterwerfen, die zwar keinen Bezug zu den Haftungsvorschriften des Binnenschiffahrtsgesetzes haben, jedoch in einem engen Zusammenhang mit dem Schiffsbetrieb stehen und bei denen eine schleunige Abwicklung, insbesondere wegen der sonst bei der Aufklärung des Sachverhalts zu erwartenden Schwierigkeiten, erforderlich erscheint. So hat der 1. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes den Anspruch, der einer Werft wegen der Beschädigung ihrer Slipanlage durch das Werfen eines Ankers gegen den Ausrüster des Schiffes aus § 904 Satz 2 BGB zusteht, der Verjährungsregelung des § 117 BinnSchG unterstellt und insoweit eine entsprechende Anwendung des § 852 Abs. 1 BGB ausdrücklich abgelehnt (BGHZ 19, 82, 83/84). Alsdann hat der erkennende Senat den Anspruch, der dem Eigentümer einer Schiffahrtsstraße auf Ersatz seiner Aufwendungen für die Suche und Bergung, des von einem Schiff verlorenen Ankers gegen dessen Eigner nach §§ 677, 683 BGB zuzubilligen ist, in die Verjährungsregelung des § 117 BinnSchG einbezogen (Urt. v. 10. 4. 1969 - II ZR 239/67 2) VersR 1969, 562). Weiter hat er entschieden, daß für Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag auf Ersatz von Aufwendungen und Schäden, die einem Schiffseigentümer infolge des Einsatzes seines Fahrzeugs bei der Rettung der in Gefahr geratenen Besatzung eines anderen Fahrzeugs erwachsen sind, die einjährige Verjährungsfrist des § 117 BinnSchG entsprechend gilt (Urt. v. 9. 7. 1979 - II ZR 192/78 3) VersR 1979, 958). Ferner hat er bei der Prüfung eines Anspruchs aus § 823 BGB (wegen nauti¬schen Verschuldens) gegen einen Schiffseigner-Schiffer ebenfalls § 117 BinnSchG herangezogen und die Anwendung von § 852 Abs. 1 BGB verneint (BGHZ 69, 62 f.). Auch insoweit war ganz wesentlich, daß ein solcher Anspruch wegen der Besonderheiten des Schiffsbetriebs nach längerem Zeitablauf vielfach nicht mehr zuverlässig geprüft werden kann. Das trifft ebenso auf Ansprüche aus § 22 WHG gegen einen Schiffsinhaber zu.
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Den Hilfsantrag der Klägerin hat das Berufungsgericht wegen fehlenden Feststellungsinteresses als unzulässig abgewiesen.
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Dem kann, wie die Revision zu Recht rügt, nicht gefolgt werden. Die Beklagte hat gegen die streitige Forderung nicht nur die Verjährungseinrede erhoben, sondern deren Berechtigung überhaupt bestritten. Zugleich hat sie behauptet, ihrerseits Werklohnforderungen gegen die Klägerin zu haben, wogegen diese mit der Klageforderung, sofern sie besteht, trotz Eintritts der Verjährung mit Erfolg ausrechnen könnte. Die Klägerin hat daher an der Klärung der Frage, ob sie eine zwar verjährte, aber sachlich begründete und daher zur Aufrechnung geeignete Forderung (§ 390 Satz 2 BGB) gegen die Beklagte besitzt, schon jetzt ein rechtliches Interesse.
...“