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II ZR 17/79 - Bundesgerichtshof (Berufungsinstanz Rheinschiffahrt)
Decision Date: 22.05.1980
File Reference: II ZR 17/79
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Department: Berufungsinstanz Rheinschiffahrt

Leitsatz:

Anordnungen der Schleusenaufsicht nach § 6.28 Nr. 1 RheinSchPolVO haben hoheitlichen Charakter. Deshalb können Schadensersatzansprüche wegen einer solchen falschen Anordnung nicht vor den Rheinschiffahrtsgerichten verfolgt werden.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 22. Mai 1980

 II ZR 17/79

 (Rheinschiffahrtsgericht Mannheim; Rheinschiffahrtsobergericht Karlsruhe)


Zum Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von der beklagten Bundesrepublik Ersatz eines Schadens von ca. 84000,- DM, der an dem von ihr versicherten MS J bei einer Bergschleusung in der rechten Kammer der Schleuse Iffezheim entstanden ist. Sie führt dazu aus, daß anweisungsgemäß neben 2 bereits in der ersten Reihe liegende Motorschiffe MS J gefahren und geklemmt gekommen sei, weil die Gesamtbreite der 3 Schiffe 24,10 m gegenüber einer lichten Breite der Kammer von 24 m betragen habe. Diese falsche Belegung sei verursacht worden durch das Fehlen einer Anordnung der Beklagten für das Schleusenpersonal über die nutzbare Breite der Kammer und zur ordnungsmäßigen Feststellung der einzelnen Schiffsbreiten. Die nicht unterrichteten Schleusenbediensteten hätten sich vielmehr zwecks Orientierung über die Schiffsbreiten einer privat angefertigten Liste bedient, in der die Breite eines der beiden anderen Schiffe statt mit 9,3 m nur mit 8,2 m angegeben gewesen sei.

Die Beklagte hat in erster Linie die Einrede der Unzuständigkeit des Rheinschiffahrtsgerichts erhoben, die auch vom Rheinschiffahrtsgericht und vom Rheinschiffahrtsobergericht als durchgreifend erachtet wurde. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos.

Aus den Entscheidungsgründen:

1. Die Entscheidung über die Zulässigkeit der gegen die Beklagte gerichteten Klage hängt davon ab, ob es um einen Amtshaftungsanspruch (§ 839 BGB, Art. 34 GG) oder um einen Anspruch mit privatrechtlichem Charakter (§ 823 f BGB) geht. Im ersten Falle ist die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte nicht gegeben (BGHZ 45, 237, 245; 63, 228, 232/233), wogegen im zweiten Falle keine Bedenken gegen diese bestehen (BGHZ 60, 92 f; vgl. auch Senatsurt. v. 12. 6. 1978 - II ZR 78/76), LM BGB § 823 Dc Nr. 118 = VersR 1978, 842).

2. Nach Ansicht beider Vorinstanzen handelt es sich bei dem Klageanspruch um einen Amtshaftungsanspruch. Dem ist zuzustimmen.

a) Nicht zutreffend ist allerdings die Meinung des Rheinschifffahrtsgerichts, das einen solchen Anspruch angenommen hat, weil die Beklagte durch § 7 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 4 Nr. 1 WaStrG die Pflicht zur Sicherung des Verkehrs in den Schleusen der Bundeswasserstraßen öffentlich-rechtlich gestaltet habe. Diesen Vorschriften läßt sich nicht der hierfür von der Rechtsprechung geforderte ausdrückliche Organisationsakt (vgl. BGHZ 9, 373, 387/388; 20, 57, 59; 35, 111, 113) entnehmen.

b) Demgegenüber ist den Ausführungen des Rheinschiffahrtsobergerichts beizutreten, das von einem derartigen Anspruch wegen der Regelung des § 6.28 Nr. 1 RheinSchPolVO ausgeht. Nach dieser Vorschrift „haben die Schiffsführer in den Schleusen und in deren Vorhäfen die Anordnungen zu befolgen, die ihnen von der Schleusenaufsicht für die Sicherheit und die Leichtigkeit des Verkehrs oder zur Beschleunigung der Durchfahrt durch die Schleusen und zu ihrer vollen Ausnutzung erteilt werden". Befolgen sie eine solche Anordnung nicht, so liegt eine mit einem Verwarnungsgeld oder einer Geldbuße bedrohte Ordnungswidrigkeit vor (Art. 5 Abs. 1 der VO zur Einführung der RheinschiffahrtspolizeiVO vom 5. August 1970 - BGBI. 1 1305; § 7 des Gesetzes über die Aufgaben des Bundes auf dem Gebiet der Binnenschifffahrt vom 15. Februar 1956 in der zur Unfallzeit geltenden Fassung, vgl. Weska 1979, 935; Abschnitt IV lfd. Nr. 1.88 des Verwarnungsund Bußgeldkataloges für Zuwiderhandlungen gegen strom- und schiffahrtspolizeiliche Vorschriften des Bundes auf Binnen- und Seeschiffahrtsstraßen sowie auf der Hohen See vom 11. Dezember 1974, VkBl. 1975, 15 f).

c) Nun geht es im Streitfall nicht nur darum, daß die Einweisung des MS J als drittes Fahrzeug in die erste Reihe der zu schleusenden Schiffe falsch gewesen sein soll. Vielmehr hat die Klägerin den gegen die Beklagte gerichteten Anspruch auch damit begründet, daß sie es pflichtwidrig unterlassen habe, das Schleusenpersonal über die nutzbare Breite der Kammern der - erst kurz vor dem Unfall in Betrieb genommenen - Schleuse Iffezheim zu unterrichten und außerdem festzulegen, wie die Breiten der die Schleuse benutzenden Fahrzeuge festzustellen sind. Entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich daraus jedoch nichts für die Zuständigkeit der Rheinschiffahrtsgerichte. Denn die von der Klägerin vermißten Maßnahmen sind lediglich vorbereitender der Art für die von der Schleusenaufsicht im Rahmen des § 6.28 Nr. 1 RheinSchPolVO zu erteilenden Anordnungen, insbesondere zur vollen Ausnutzung der Schleusenkammer, weshalb auch sie hoheitlichen Charakter haben.

d) Ohne Erfolg sind die Angriffe der Revision gegen die Abweisung der Klage durch die Vorinstanzen auch insoweit, als sie meint, diese hätten, sofern man mit ihnen von der Zuständigkeit der Rheinschiffahrsgerichte ausgehe, dann als Schifffahrtsgericht sachlich entscheiden müssen. Das ist, wie der Senat mit eingehender Begründung bereits in der in BGHZ 45, 237 f abgedruckten Entscheidung) ausgeführt hat, rechtlich nicht zulässig. Den dortigen Ausführungen ist nichts hinzuzufügen.
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