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Leitsatz:
Der Absender ist verpflichtet, das zu verladende Gut darauf zu untersuchen, ob aus seiner Beschaffenheit Schäden für das Schiff entstehen können. Er hat dem Frachtführer hierüber Mitteilung zu machen.
Urteil des Bundesgerichtshofes
vom 5. Mai 1960
II ZR 174/58
Zum Tatbestand:
Bei der Kontrolle seines Schleppkahns stellte der Eigentümer fest, daß der Schiffsboden an mehreren Stellen angefressen war. Er führte diese Beschädigung auf einen 2 Wochen vorher für die Beklagte durchgeführten Transport von angeblich nicht handelsüblich beschaffenen Kiesabbränden von der Verladestelle der Fa. B. in X nach Y zurück, aus denen sich durch Oxydation und übermäßige Feuchtigkeit Schwefelsäure entwickelt habe, die auf die Metallteile des Bodens lösend und angreifend gewirkt hätte. Seine Schadensersatzansprüche von mehr als 13 000 DM hat der Kahneigentümer an den Kläger abgetreten.
Gegenüber dessen Klage hat der Beklagte handelsübliche Beschaffenheit der transportierten Abbrände behauptet, sich auf die in Schiffahrtskreisen vorhandene Kenntnis der Eigenschaften von Abbränden der verladenen Art berufen und die Entstehung der Schäden durch die beförderten Abbrände bestritten.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat sie dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Revision des Beklagten war erfolglos.
Aus den Entscheidungsgründen:
Der Bundesgerichtshof bestätigt zunächst die Feststellung des Berufungsgerichts, daß die in dem Kahn verladenen Kiesabbrände die Beschädigungen an dem Schiffsboden hervorgerufen hätten. Hierzu heißt es u. a.:
Die Revision hat nicht recht, wenn sie meint, der Kausalzusammenhang sei aufgehoben, weil der Schiffsboden ungeschützte Stellen aufgewiesen habe. Das Berufungsgericht läßt unentschieden, ob solche Stellen bereits vorher vorhanden waren oder erst durch die Säure hervorgerufen wurden. Es kommt hierauf auch nicht an. Auch wenn bereits früher ungeschützte Stellen vorhanden gewesen sein sollten, so hat doch nach dem Gutachten des Sachverständigen gerade die von den Kiesabbränden herrührende, im Bilgeraum des Kahnes befindliche grüngefärbte saure Lösung die Lochfraßbildung herbeigeführt und die Geschwindigkeit der Korrosion sehr stark erhöht. Damit steht der ursächliche Zusammenhang fest, ohne daß es von Bedeutung wäre, ob im Laufe der Zeit auch durch gewöhnliche Bilgewasser allmählich eine Korrosion eingetreten wäre.
Daß Kiesabbrände in großen Mengen ständig mit Kähnen befördert werden, besagt nichts. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, kann die Beschaffenheit der Abbrände von Fall zu Fall durchaus verschieden sein, da sie insbesondere von dem jeweiligen Feuchtigkeitsgrad, von der Korngröße und der chemischen Konstitution abhängt. Gerade aus dem Verladungszustand kann sich die Gefährlichkeit des Gutes ergeben (RGZ 170, 233, 243).
Sodann befaßt sich der Bundesgerichtshof eingehend mit der Frage, ob der Beklagte als Absender der Abbrände wegen schuldhafter Vertragsverletzung zum Schadensersatz verpflichtet ist. Im einzelnen wird hierzu ausgeführt:
Der Absender darf kein Gut verladen lassen, das dem Schiff Schaden bringt. Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß der Absender verpflichtet ist, dem Schiffseigner oder Schiffsführer Mitteilung zu machen, wenn die Beschaffenheit des zu verladenden Gutes dem Schiff gefährlich werden kann und der Absender dies weiß oder wissen muß. Das Reichsgericht hat bereits in RGZ 93, 163, 165 entschieden, daß der schuldhaft unrichtigen Angabe des Absenders (§ 45 BSchG) das Unterlassen jeglicher Angabe gleichsteht, wenn der Absender den schädigenden oder gefährlichen Charakter der Frachtgüter kennt. Dem Kennen ist das Kennenmüssen gleichzustellen, da §45 jedes Verschulden, also auch das Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 BGB) genügen läßt.
Daß die Beförderung von Kiesabbränden im allgemeinen ohne Schäden für das Schiff vor sich geht, verkennt auch das Berufungsgericht nicht. Es hält aber ohne Rechtsirrtum im Einzelfall eine Prüfung für erforderlich, ob das Gut insbesondere im Hinblick auf seinen Feuchtigkeitsgehalt und seine chemische Zusammensetzung den Metallteilen des Schiffes gefährlich werden kann. Eine solche Prüfung setzt Sachkenntnisse voraus, über die die Firma B., die das Gut verladen ließ, verfügte. Es kann dem Berufungsgericht nicht aus Rechtsgründen entgegengetreten werden, wenn es in dem Unterlassen einer solchen Prüfung und einer entsprechenden Mitteilung an den Frachtführer ein Verschulden der Firma B. sieht, die die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer acht ließ. Das Berufungsgericht hat auch recht, wenn es die Firma B. als Erfüllungsgehilfin der Beklagten (§ 278 BGB) ansieht. Die Prüfungs- und Mitteilungspflicht ist eine dem Absender obliegende, aus dem Frachtvertrag entspringende Schuldnerverpflichtung, die dem Schutz des Frachtführers dient. Unerheblich ist, ob die Beklagte in eigener Person diese Verpflichtung erfüllen konnte (RGZ 160, 310, 314). Mit ihrem Willen (BGHZ 13, 111; vgl. RGZ 66, 402, 405 f) hat die Firma B. die Verladung des Gutes und damit auch die Prüfungs- und Mitteilungspflicht übernommen. Ihr Verschulden bei der Vertragserfüllung hat sich die Beklagte anrechnen zu lassen, ohne daß es darauf ankommt, in welchen Rechtsbeziehungen sie zu der Firma B. stand.
Die Revision irrt, wenn sie meint, der Schiffseigner habe mit der schädlichen Einwirkung der Ladung auf das Schiff rechnen müssen. Gerade weil im allgemeinen Kiesabbrände ohne Schaden für das Schiff befördert werden, brauchten der Schiffseigner und Schiffsführer mit solchen Schäden nicht zu rechnen. Ob im Einzelfall die Beförderung von Kiesabbränden dem Schiff gefährlich werden kann, ist, die das Berufungsgericht zutreffend ausführt, eine schwer zu beurteilende Frage. Sie kann nur von einem Fachkundigen beurteilt werden. Eine solche Fachkenntnis kann von dem Schiffseigner oder dem Schiffsführer nicht verlangt werden (vgl. RGZ 141, 315, 317).