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II ZR 129/89 - Bundesgerichtshof (-)
Decision Date: 22.01.1990
File Reference: II ZR 129/89
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Bundesgerichtshof Karlsruhe
Department: -

Leitsatz:

Die Reparaturunwürdigkeit eines Fahrzeugs nach einem Unfall stellt keinen Totalverlust im Sinne der AVB f. Wassersportfahrzeuge 1985 Nr. 6.1 dar.

Urteil des Bundesgerichtshofes

vom 22. Januar 1990

  II ZR 129/89


(Oberlandesgericht Schleswig, Landgericht Lübeck)

Zum Tatbestand:


Der Kläger hat im April 1986 sein Segelboot „N" mit einer Versicherungssumme von 40 000 DM bei der Beklagten teilkaskoversichert. Das Boot ist am 15. Juli 1986 nach Wassereinbruch auf der Trave gesunken. Wenige Tage später ist es gehoben worden. In dem Schadenfeststellungsbericht .vom 18. August 1986 hat der von der Beklagten beauftragte Sachverständige F den Zeit- und Verkehrswert der „N" vor dem Unfall auf 22 000 DM und die voraussichtlichen Reparaturkosten auf 6200 DM geschätzt. Nach der Schadenstaxe vom 6. Mai 1987, die der Sachverständige I in einem vom Kläger beantragten Beweissicherungsverfahren erstellt hat, haben — jeweils schätzungsweise — der Verkehrswert des Bootes vor Eintritt des Schadens 16 000 DM bis 16 500 und die Kosten für eine Reparatur 23 003 DM betragen.
Der Kläger verlangt von der Beklagten den Verkehrswert des Bootes entsprechend der Schätzung des Sachverständigen I ersetzt. Er hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 16 500 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Den Antrag hat er wie folgt begründet:
Nach Nr. 2 a) I. der für den Versicherungsvertrag geltenden „Klauseln von Fall zu Fall" habe die Beklagte die „Schäden durch Totalverlust infolge eines Unfalls des Fahrzeugs" zu decken. Als ein solcher Verlust sei auch ein „konstruktiver" Totalverlust anzusehen, wenn also, wie hier, die Reparaturkosten für das Fahrzeug dessen Verkehrswert vor dem Schadensfall überstiegen, somit dessen Reparaturunwürdigkeit gegeben sei.
Demgegenüber meint die Beklagte, daß der Begriff Totalverlust in Nr. 2 a) I. der „Klauseln von Fall zu Fall" den „konstruktiven" Totalverlust eines Fahrzeugs nicht umfasse. Zudem habe im Streitfall ein solcher Verlust ausweislich des Schadenfeststellunsberichts des Sachverständigen F nicht vorgelegen. Im übrigen sei sie von der Verpflichtung zur Leistung auch deshalb frei, weil der Kläger den Schadensfall grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen.
...

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Revision hat keinen Erfolg. Der Senat stimmt der Ansicht der Vorinstanzen zu, daß für den Schaden des Klägers auch dann kein Deckungsschutz besteht, wenn, was beide Vorinstanzen zu seinen Gunsten unterstellt haben, das Segelboot „N" nach dem Unfall reparaturunwürdig gewesen ist.
Nach dem Versicherungsschein vom 14. Mai 1986 waren für den Vertrag die AVB Wassersportfahrzeuge 1985 und die Nrn. 2 und 7 der „Klauseln von Fall zu Fall" maßgebend. . . .
. . . Nach den AVB Wassersportfahrzeuge 1985 hat der Versicherer alle Gefahren, denen die versicherten Sachen während der Dauer der Versicherung ausgesetzt sind, zu tragen (Nr. 3.1) und Ersatz für Verlust oder Beschädigung der versicherten Sachen als Folge einer versicherten Gefahr zu leisten (Nr. 3.3). . . . Ferner bestimmen die genannten Bedingungen in Nr. 6 („Ersatzleistung"):
6.1 Verlust versicherter Sachen
Gehen versicherte Sachen total verloren, werden sie ohne Aussicht auf Wiedererlangung entzogen oder sind sie in der ursprünglichen Beschaffenheit zerstört, so ersetzt der Versicherer die jeweilige Versicherungssumme.
6.2 Beschädigung versicherter Sachen
Werden versicherte Sachen beschädigt, so kann der Versicherungsnehmer Ersatz für die zum Zeitpunkt des Schadeneintritts notwendigen Kosten für die Wiederherstellung der beschädigten Teile verlangen, jedoch nur bis zur Höhe des Fahrzeug-Zeitwerts.
Danach erblicken die AVB Wassersportfahrzeuge 1985 in der Reparaturunwürdigkeit der versicherten Sache keinen Fall des Verlustes, sondern einen solchen der Beschädigung, wobei sie die Ersatzleistung auf die Höhe des Zeitwerts begrenzen, was dem Bereicherungsverbot des § 55 VVG entspricht. . . .
An dieser Betrachtungsweise ändert sich entgegen der Ansicht der Revision für den Streitfall nichts durch die — nach , dem Versicherungsschein gegenüber den AVB Wässersportfahrzeuge 1985 vorrangigen — „Klauseln von Fall zu Fall". Deren Nr. 2 („Umfang der Versicherung") lautet:
2. a) Zu Ziffer 3.1 AVB Wassersportfahrzeuge 1985
— Teilkasko —
Die Versicherung gilt nur gegen Schäden durch
1. Totalverlust infolge eines Unfalls des Fahrzeugs,
2. Brand, Blitzschlag und Explosion,
3. Diebstahl des ganzen Fahrzeugs.
Nr. 2. a) der „Klauseln von Fall zu Fall" umschreibt damit — abweichend von der grundsätzlichen Allgefahrendeckung nach Nr. 3.1 AVB Wassersportfahrzeuge 1985 — den auf ganz bestimmte Gefahren und Schäden begrenzten Dekkungsbereich der Teilkaskoversicherung. Nicht erkennbar ist jedoch, daß bei einer solchen Versicherung der Begriff Totalverlust auch die Reparaturunwürdigkeit eines Fahrzeugs („konstruktiver" Totalverlust oder „wirtschaftlicher" Totalschaden) umfassen soll. Im Gegenteil zeigen die vom Kläger vorgelegten Yacht-Kasko-Bedingungen der Assekuranzmakler H. P sowie W, daß auch dort die Reparaturunwürdigkeit der (noch vorhandenen) versicherten Sache als kein Fall des Totalverlustes angesehen und demgemäß zwischen beiden in diesen Bedingungen sprachlich und inhaltlich unterschieden wird. Das entspricht übrigens einer jahrzehntelangen Übung in der Schiffsversicherung (vgl. §§ 854, 873 HGB; § 71 Abs. 2, § 77 Abs. 2; § 123 ADS; §§ 36, 39, 40 Flußkasko-Police . . .). Danach kann es nicht zweifelhaft sein, daß die Reparaturunwürdigkeit des Segelbootes „N" kein (versicherter) Totalverlust des Fahrzeugs im Sinne des Versicherungsvertrages ist, sondern eine, wenn auch schwere, (unversicherte) Beschädigung....

Ebenfalls abrufbar unter ZfB 1990 - Nr.4 (Sammlung Seite 1292 f.); ZfB 1990, 1292 f.