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Leitsätze:
1) Über die Verwertbarkeit von Beweisen, inbesondere Sachverständigengutachten, die das Verklarungsgericht erhoben hat, entscheidet weder das Verklarungsgericht noch das Beschwerdegericht, sondern nur das mit der Hauptsache befasste Gericht.
2) Die Beschwerdebefugnis eines Beteiligten eines Verklarungsverfahrens geht nicht weiter als seine Antragsbefugnis auf Eröffnung des Verklarungsverfahrens.
3) Nur der Schiffer hat gemäß § 11 Abs. 1 BinSchG eine Antragsbefugnis auf Eröffnung eines Verklarungsverfahrens; die sonstigen Beteiligten des Verklarungsverfahrens haben gem. § 13 Abs. 3 S. 2 BinSchG eine Antragsbefugnis nur für eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel.
4) Daher sind Beteiligte des Verklarungsverfahrens nur beschwerdebefugt, wenn ein Antrag auf Ausdehnung der Beweisaufnahme abgelehnt worden ist. Sie haben aber weder eine Antagsbefugnis noch eine Beschwerdebefugnis im Verklarungsverfahren. Das Beschwerdegericht entscheidet daher nicht über die Frage, ob das Verklarungsgericht Beweise, insbesondere Sachverständigengutachten, zu Unrecht erhoben, respektive eingeholt haben könnte.
5) Die Anfechtung eines Eröffnungsbeschlusses ist nach § 402 II FamFG ausgeschlossen; das Beschwerdegericht entscheidet daher nicht über die Behauptung der Beteiligten, das Verklarungsverfahren sei zu Unrecht eröffnet worden.
6) Die Prüfungsbefugnis des Beschwerdegerichts nach § 68 II FarnFG bezieht sich über den Wortlaut hinaus auch auf die Prüfung der allgemeinen Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde, wie etwa die Beschwerdebefugnis.
Beschluss des Schifffahrtsobergerichtes Hamburg
vom 13. Januar 2014 (Schifffahrtsgericht Emden, Az. 5 C 358/12)
Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) und 5) gegen den Beschluss Amtsgerichts Emden vom 17.10.2012, Geschäfts-Nr. 5 C 358/12 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Gründe:
Die Beschwerde der Beteiligten zu 4) und 5) ist gemäß § 68 Abs. 2 FamFG als unzulässig
zu verwerfen. Die Prüfung im Rahmen von § 68 Abs. 2 FamFG bezieht sich über den reinen
Wortlaut hinaus auch auf die weiteren Zulässigkeitsvoraussetzungen wie etwa die Beschwerdebefugnis (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 30. Aufl.,§ 68 FamFG, Rn. 3). Gemäß §§ 375 Nr. 2, 402 FamFG ist die Beschwerde zwar grundsätzlich statthaft. Die Beteiligten zu 4) und 5) sind aber nicht gemäß § 59 Abs. 2 Farn FG beschwerdebefugt.
Gemäß § 11 Abs. 1 BinSchG kann nur der Schiffer den Antrag auf Durchführung des Verklarungsverfahren stellen. Die an Schiff und Ladung Beteiligten sowie die etwa sonst durch den Unfall Betroffenen können allerdings gemäß § 13 Abs. 3 Satz 2 BinSchG eine Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel beantragen. Der Senat hat eine Beschwerdebefugnis eines Beteiligten daher angenommen, wenn ein solcher Antrag abgelehnt worden ist (vgl. Beschluss vom 12. 9. 2011, 6 BSchW 30/11, veröffentlicht in BinSchiff 2011, 76 (ZfB 2011, Sammlung Seite 2160 ff), zitiert nach juris, dort mit der Geschäfts-Nr. 6 W 30/11 BSch angegeben, Tz. 8). Die Beteiligten zu 4) und 5) haben aber keinen konkreten Beweisantrag gestellt, der abgelehnt worden wäre. Im Schriftsatz vom 28.06.2012 haben die Beteiligten zu 4) und 5) vielmehr beantragt, die Verklarungsuntersuchung zu begrenzen.
Im Schriftsatz vom 02. Juli 2012 führen sie aus, dass sie sich einer Beweiserhebung widersetzen, die mit dem Gesetzesauftrag, der Aufklärung eines Schiffsunfalls, nicht im Zusammenhang stehe. Ein konkreter Beweisantrag ist das nicht. Im Schriftsatz vom 15.8.2012 führen die Beteiligten zu 4) und 5) aus, dass Gegenstand eines Veerklarungsverfahrens ein Schiffsunfall sei, zu dessen Klärung eine umfassende Beweisaufnahme nach dem Amtsermittlungsgrundsatz stattzufinden habe. Zu einer solchen Beweisaufnahme habe sich der Antragsteller »selbst zum Zeugnisse zu erbieten«. Nunmehr solle gesetzeswidrig ohne die Durchführung eines einzigen Verklarungstermins und ohne die Anhörung eines einzigen Zeugen eine Beweisaufnahme abgeschlossen werden, die streng genommen jedenfalls zum Thema des vom Antragsteller behaupteten Schiffsunfalls noch nicht einmal begonnen habe. Die Argumentation wird von den Beteiligten zu 4) und 5) in der Beschwerdeschrift vom 6.11.2012 wiederholt.
Diese Ausführungen der Beteiligten zu 4) und 5) betreffen aber nicht eine »Ausdehnung der Beweisaufnahme auf weitere Beweismittel«. Ein konkreter Beweisantrag wird nicht gestellt. Es wird allgemein auf § 12 BinSchG hingewiesen, wonach im Verklarungsverfahren Termin anzuberaumen ist und der Schiffer und die sonst bezeichneten Zeugen zu laden sind. Es wird weiter darauf hingewiesen, dass unter diesem Gesichtspunkt das Verklarungsverfahren nnoch nicht einmal begonne habe. Wenn man von diesem Vortrag der Beteiligten zu 4) und zu 5) ausgeht und unberücksichtigt lässt, dass die Antragsgegner zu 4) und zu 5) davon ausgehen, dass ohnehin kein Schiffsunfall vorgelegen habe und deshalb das Verklarungsverfahren gar nicht zulässig sei, dann bezieht sich das Begehren der Beteiligten zu 4) und zu 5) der Sache nach auf die Durchführung des Verklarungsverfahrens an sich. Wie die Beteiligten zu 4) und zu 5) in der Beschwerdeschrift selbst schreiben, geht es ihnen nicht um "Fortsetzung" oder "Ausdehnung" des Verklarungsbeweisverfahrens, sondern darum, dass diese Verklarungsbeweisaufnahme überhaupt erst gesetzesmäßig beginnt.
Die Beteiligten zu 4) und zu 5) sind aber gemäß § 13 Abs. 3 S. 3 BinSchG nur hinsichtlich einer Ausdehnung der Beweisaufnahme antragsbefugt. Soweit es um die Durchführung (und damit auch den Beginn) des Verklarungsverfahrens an sich geht, ist nur der Schiffer antragsbefugt (§ 11 Abs. 2 BinSchG). Daher sind die Beteiligten zu 4) und zu 5) hinsichtlich des von ihnen verfolgten Begehrens nicht antragsbefugt. Das gilt dann gem. § 59 Abs. 2 FamFG auch für die Beschwerdebefugnis.
Auch hinsichtlich der Hilfsanträge sind die Beteiligten zu 4) und 5) nicht beschwerdebefugt. (Die Hilfsanträge hatten folgenden Wortlaut: ... festzustellen, a) dass ein Verklarungsverfahren im Sinne von § 11 BinSchG über den behaupteten Schiffsunfall des TMS »L« vom 08./09. Juni 2012 nie stattgefunden hat, und b) dass die im Rahmen des Verfahrens, Az.: 5 C 358112, durch das Amtsgericht-Schifffahrtsgericht Emden eingeholten Sachverständigengutachten wegen Fehlens eines Schiffsunfalls der gesetzlichen Grundlage entbehren und somit als Beweismittel im Sinne der ZPO aus scheiden. d. Red.)
Hinsichtlich des Hilfsantrags unter lit. a) handelt es sich um einen Feststellungsantrag für den sich eine Rechtsgrundlage im FamFG nicht finden lässt. Es besteht eine Beschwerdemöglichkeit gegen konkrete Beschlüsse der ersten Instanz. Die Feststellung in der Beschwerdeinstanz, dass ein Verfahren erstinstanzlich gar nicht stattgefunden habe, sieht das Gesetz nicht vor. Abgesehen davon besteht auch insoweit keine Beschwerdebefugnis der Beteiligten zu 4) und 5). Den Antrag, ein Verklarungsverfahren durchzuführen, kann (wie ausgeführt) nur der Schiffer stellen. Nur dieser könnte daher auch den Antrag stellen, das Verfahren auch - generell - durchzuführen, wenn dies bisher noch nciht geschehen sein sollte. Das muss dann aber auch für einen entsprechenden Feststellungsantrag gelten.
Dasselbe gilt auch für den Hilfsantrag unter lit b). Soweit es um die Verwertung der eingeholten Sachverständigengutachten in einem Hauptsacheverfahren nach der ZPO geht, akann nur das mit der Hauptsache befasste Gericht hierüber entscheiden. Im Übrigen läuft die Argumentation der Beteiligten zu 4) und 5) darauf hinaus, dass das Verklarungsverfahren zu Unrecht angeordnet worden sei und die Gutachten deshalb nicht hätten eingeholt werden dürfen.
Letztlich behaupten die Beteiligten zu 4) und 5), dass dem Antrag des Antragstellers gemäß § 11 BinSchG zu Unrecht stattgegeben worden ist. Gemäß § 402 Abs. 2 FamFG ist eine Anfechtung eines Beschlusses, durch den einem Antrag nach § 11 BinSchG stattgegeben worden ist, aber ausgeschlossen. Dann kann eine solche Anfechtung aber auch nicht über den Umweg des von den Beteiligten zu 4) und 5) gestellten Hilfs-Feststellungsantrages erfolgen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Anmerkung der Redaktion:
Das Verklarungsverfahren ist eines der wichtigsten juristischen Instrumente zur schnellen und sachgerechten Bearbeitung von Schifffahrtsunfällen (vergleiche dazu: Stellungnahme zum Referentenentwurf für ein Gesetz zur Reform des Seehandelsrechtes, ZfB 2011, Sammlung Seite 2157 bis 2160). Im Interesse der Schifffahrtstreibenden werden die Kompetenzen des Verklarungsgerichtes dabei grundsätzlich sehr weit ausgelegt. Sehr oft wird unmittelbar nach einem Unfall eine umfassende Beweisaufnahme durchgeführt, die dann später Grundlage für eventuelle Hauptsacheverfahren, Streitverfahren, sein kann. Erscheint das Ergebnis oder der Umfang der Beweisaufnahme einem Verklarungsbeteiligten
als unzureichend, so hat er die Möglichkeit, durch entsprechende Anträge gegenüber dem Gericht eine Ausdehnung oder sogar Wiederholung der Beweisaufnahme zu beantragen.
Grundsätzlich nicht Gegenstand des Verklarungsverfahrens aber ist eine Beweiswürdigung
oder eine Entscheidung über die Verwertbarkeit der im Verklarungsverfahren erhobenen Beweise, beides bleibt dem Richter des eventuell nachfolgenden Streitverfahrens vorbehalten.
Daher eröffnet das Beschwerdeverfahren einem Beschwerdeführer nicht die Möglichkeit,
ein ihm unliebsames Beweisergebnis anzufechten, zum Beispiel mit der Behauptung, das Verklarungsverfahren sei zu Unrecht eröffnet oder über den gesetzlich vorgesehenen Rahmen des § 12 BinSchG hinaus ausgedehnt worden.
Das Verklarungsverfahren dient allein der Aufklärung des Unfalles (siehe dazu auch Schifffahrtsobergericht Hamburg, ZfB 2011, Sammlung Seite 2160 ff) und nichtder Beweiswürdigung oder Streitentscheidung.
Etwas vereinfacht kann man sagen, dass die Beschwerdebefugnis nach §§ 375 Nr. 2, 402 FamFG grundsätzlich das gesetzliche Ziel hat, einem Beteiligten die Möglichkeit zu geben, eine sachwidrige Beschränkung oder die Unterlassung von Beweisermittlungen anzugreifen, nicht aber den Umfang der Beweisaufnahme durch das Verklarungsgericht zu begrenzen. In der Praxis werden die Verklarungsrichter durch die Verfahrensbeteiligten dabei massiv unterstützt durch die Gestellung von Zeugen nach telefonischer Terminsabsprache, durch Vorschläge eines geeigneten Gerichtssachverständigen und - häufig - durch die Erklärung des verfahrensbevollmächtigten Rechtsanwaltes, für bestimmte Kosten der Beweisaufnahme (zum Beispiel Zeugenentschädigungen, Gutachterkosten) die persönliche Haftung zu übernehmen. Der Verklarungsrichter ist aber in seinem Ermessen, welche Umstände der Havarie in welchem Umfange aufzuklären sind, grundsätzlich frei und kann in der Ausübung dieses Ermessen durch die Verfahrensbeteiligten nicht beschränkt werden. Die vorstehend wiedergegebene Entscheidung des Schifffahrtsobergerichtes Hamburg bestätigt die Linie der bisherigen Rechtsprechung zum Zweck und Umfang des Verklarungsverfahrens und ist sehr zu begrüßen, sie liegt im Interesse alle Schifffahrtstreibenden, denen mit dem Verklarungsverfahren ein äußerst effizientes Instrument zur Verfügung steht, um eine umfassende Aufklärung von Sachverhalten vor einem Streitverfahren und unmittelbar nach dem Unfall zu betreiben.
Rechtsanwalt Dr. Martin Fischer,
Frankfurt am Main
Ebenfalls abrufbar unter ZfB 2014 - Nr. 4 (Sammlung Seite 2268 f.); ZfB 2014, 2268 f.