Decision Database

C 0003/03 - Amtsgericht (Schiffahrtsgericht)
Decision Date: 08.10.2004
File Reference: C 0003/03
Decision Type: Urteil
Language: German
Court: Amtsgericht Bremen
Department: Schiffahrtsgericht

Urteil des Amtsgerichts - Schiffahrtsgericht Bremen

vom 08.10.2004

C 0003/03

Tatbestand:

Der Kläger nimmt den Beklagten aus übergegangenem und abgetretenen Recht aus einem Unfall in Anspruch, der sich am 06.11.2002 morgens gegen 7.00 Uhr unter Beteiligung des bei ihm kaskoversicherten Binnenmotorschiffes W auf der Weser in Höhe von km 288,66 ereignete.
Seinerzeit befand sich die W, die über alles 81,90 m lang und 8,21 m breit ist und eine Antriebsmaschine von 486 kw hat, in weseraufwärtiger Fahrt. Da die W, die eine Tragfähigkeit von 1153 t hat, beladen war mit 1151 t Steinkohle, hatte sie einen Tiefgang von 2,50 m bei einer aktuellen Wassertiefe von ca. 5 m, die darauf zurückzuführen war, dass die Weser gerade sehr viel Wasser führte.
In jenem Bereich befindet sich die von dem Beklagten betriebene Schweringer Fähre. Es handelt sich dabei um eine Hochseilfähre, die angetrieben wird von einem Motor, dessen Kräfte über eine schwere eiserne Grundkette, die quer durch den Strom verläuft und über ein Hochseil gesichert ist, auf Fixpunkte an Land übertragen werden. Der Betrieb erfolgt u.a. aufgrund einer vom 23.12.1999 datierenden Strom- und schifffahrtspolizeilichen Genehmigung, die diverse Auflagen beinhaltet, nach deren Nr. 15 der Beklagte "bei sich annähernder Schifffahrt und bei steigenden Wasserständen ... sicherzustellen (hat), dass die Antriebskette sich ordnungsgemäß auf der Gewässersohle ablegt".
Als die WIKING die Fährstelle passierte, blieb sie mit ihrem Ruder in der Kette hängen, die aus unklarer Ursache aufgeschwemmt war. Das Ruder wurde dabei erheblich beschädigt. Tags zuvor war ein anderes Binnenschiff mit größerem Tiefgang weserabwärts vorbeigefahren, ohne sich dabei in der Kette zu verfangen zu haben.
Zur Klärung der Frage, wieso die Kette aufgeschwemmt war, wurde das Expert-Büro G eingeschaltet. Der dort tätige Kapitän B führte am 28.01.2003 eine Ortsbesichtigung durch, an der nicht nur Mitarbeiter der Parteien, sondern auch der Eigner der W und Beamte des Wasser- und Schifffahrtsamtes Verden und der Wasserschutzpolizei Nienburg teilnahmen. Die Untersuchung blieb ergebnislos. In seiner Expertise vom 05.02.2003 (BI. 37 ff. d.A.) führte Kapitän B aus, dass alle Teilnehmer keinerlei Unregelmäßigkeiten an der Fähre festgestellt hätten, die auch über alle erforderlichen Genehmigungen verfüge. Kapitän B betonte, dass deshalb nicht habe geklärt werden können, wie die Kette, die normalerweise auf dem Wesergrund liegt, von der W, die nur ein Mittelruder hat, von diesem habe erfasst werden können.
Im Wege kontradiktorischer Taxe, durch die der Kläger durch Teilnahme eines seiner Mitarbeiter Expertisekosten von EUR 260,- entstanden, wurden die Reparaturkosten mit EUR 4.550,- ermittelt, die der Kläger dem Eigner der W erstattete. Den Nutzungsausfall der W, die reparaturbedingt 7 Tage nicht hatte eingesetzt werden können und ansonsten behauptetermaßen regelmäßig 16 Stunden täglich im Fahrbereich A2 im Einsatz gewesen wäre, beziffert der Kläger unter Zugrundelegung der "Verordnung über die Lade- und Löschzeiten und das Liegegeld in der Binnenschifffahrt" vom 23.11.1999 auf EUR 7.560,-, wobei er sich stützt auf eine entsprechende Abtretung des Eigners.
Die daraus resultierende Gesamtforderung verlangt der Kläger von dem Beklagten, weil nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen sei, dass er schuldhaft seine Verkehrssicherungspflichten verletzt habe.
Unter Hinweis darauf, dass er den Beklagten mit Schreiben vom 29.11.2002 (BI. 8 d.A.) mit Frist per 13.12.2002 ergebnislos zum Zahlungsausgleich aufgefordert hat, beantragt der Kläger, ihn zu verurteilen, an ihn EUR 12.370,- nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 14.12.2002 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen, die er für unbegründet hält. Von einer schuldhaften Verletzung von Verkehrssicherungspflichten könne keine Rede sein, weil die Fähranlage regelmäßig und auch außerhalb der Betriebszeiten täglich und so auch am 06.11.2002 durch Fachpersonal überprüft worden sei. Dass es gleichwohl zu dem Schadensfall gekommen sei, könne z.B. auf einen Fahrfehler der W zurückzuführen sein, deren Propeller im Falle eines Rückwärts- oder Aufstoppmanövers einen Sog entwickele, der ausreichend sei, die Kette vom Grund anzuheben. Deshalb habe schon Kapitän Böttger in seiner Expertise darauf hingewiesen, dass ein derartiger Fahrfehler der W nicht ausgeschlossen werden könne. Ergänzend dazu habe Kapitän B auch darauf hingewiesen, dass bei Hochwasser möglicherweise ein auf dem Wesergrund stromabwärts treibender Gegenstand wie z. B ein vollgesogener Baumstamm oder eine Tonne die Kette strammgezogen habe und so deren Aufschwimmen bewirkt habe. Deshalb sei es auch nicht gerechtfertigt, in Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises einen schuldhaften Verstoss gegen Verkehrssicherungspflichten anzunehmen.
Vorsorglich wendet sich der Beklagte auch gegen die Höhe, soweit es die Expertisekosten und die Nutzungsausfallentschädigung anlangt, Die Expertisekosten seien nicht erstattungsfähig, weil es um übliche Personalkosten des Klägers gehe. Die Nutzungsausfallentschädigung sei zu beanstanden in ihrer abstrakten Berechnung anhand der in Bezug genommenen Verordnung, die für Fälle deliktischer Haftung nicht herangezogen werden könne. Zu bestreiten sei dabei auch die Behauptung des Kläger, dass die W ohne den Unfall regelmäßig 16 Stunden täglich im Fahrbereich A2 eingesetzt worden wäre.

Der Kläger erwidert.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze ggfls. mit Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 23.07.2004 (BI. 76/77 d.A.).

Entscheidungsgründe:

Der Rechtsstreit ist teilweise zur Entscheidung reif, wobei das Gericht es für sachgerecht hielt, in diesem Umfang gemäß § 301 ZPO durch den Erlass eines Teilurteiles zu entscheiden.
Soweit es die Expertisekosten anlangt, ist die Klage unbeschadet der Frage der grundsätzlichen Haftung des Beklagten deshalb unbegründet, weil es sich um Personalkosten handelt für denjenigen Mitarbeiter des Klägers, der an der kontradiktorischen Taxe beteiligt gewesen ist. Es geht deshalb um Sowieso-Kosten, die der Kläger auch ohne Beteiligung seines Mitarbeiters an der kontradiktorischen Taxe gehabt hätte. Derartige Kosten sind nicht erstattungsfähig.


Dagegen ist die Klage gemäß § 67 WG in Verbindung mit § 823 Abs. 1 BGB begründet wegen des Kaskoschadens.
Als Betreiber der Schweringer Fähre obliegen dem Beklagten umfangreiche Verkehrssicherungspflichten, wie sie u.a. niedergelegt sind in den Auflagen der Strom- und schifffahrtspolizeilichen Genehmigung vom 23.12.1999. Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang insbesondere die Auflage Nr. 15, derzufolge der Beklagte "bei sich annähernder Schifffahrt und bei steigenden Wasserständen ... sicherzustellen (hat), dass die Antriebskette sich ordnungsgemäß auf der Gewässersohle ablegt".
Dabei ist nach den Grundsätzen des Anscheinsbeweises davon auszugehen, dass der Beklagte diese Verpflichtung schuldhaft verletzt hat; denn entgegen der Auflage Nr. 15 lag die Kette nicht auf Grund, sondern war aufgeschwemmt, als die W die Fährstelle passierte, so dass das Mittelruder der W sich in der Kette verfing.
Diesen Anscheinsbeweis hat der Beklagte nicht erschüttert. Die von dem Beklagten benannten Alternativursachen hält das Gericht für alles andere als überzeugend, unbeschadet dessen, dass er sich dabei auf Kapitän Böttger stützen kann, der in seiner Expertise vom 05.02.2003 in der Tat auf die Möglichkeit eines Fahrfehlers der W sowie darauf hingewiesen hat, dass die Kette durch Hochwasser und Treibgut, das sich in ihr verfangen hatte, aufgeschwemmt sein könnte. Hinzugefügt hat Kapitän Böttger allerdings, dass diese Alternativursache "nicht gänzlich ausgeschlossen" werden könnten, woran deutlich wird, dass er sie letztlich nicht als realistisch eingeschätzt hat. Diese Einschätzung wird vom Gericht geteilt.
Deshalb sei nur am Rande erwähnt, dass es hierauf im Ergebnis überhaupt nicht ankommt. Selbst wenn nämlich feststünde, dass ein Fahrfehler der W oder das Hochwasser zusammen mit irgendwelchem Treibgut für das Aufschwemmen der Kette ursächlich war, wäre der Beklagte zur Überzeugung des Gerichts nicht aus der Haftung.
An die von dem Beklagten zu tragenden Verkehrsicherungspflichten ist ein strenger Maßstab anzulegen, weil es um erhebliche Vermögens- und sonstige Werte geht, die es zu schützen gilt. Die den Strom querende und mitten im Wasser hängende Kette stellt eine beachtliche Gefährdung der passierenden Schiffe und ihrer mitunter sehr wertvollen Ladungen dar, die ihrerseits gefährdend sein können. Erwähnt seien beispielsweise Chemikalien, die in Verbindung mit Wasser ätzende oder sonst wie umweltgefährdende Verbindungen eingehen. Die Folgen, wenn im Zuge eines Schiffsunfalles, wie er in Rede steht, eine derartige Fracht in den Strom gelangt, sind weitreichend und würden womöglich gar Menschenleben gefährden.
Der Bundesgerichtshof hat schon vor Jahrenden (NJW 1965, 197 ff., 199) hervorgehoben, dass "die Pflicht zur Sicherung des Verkehrs ... sich aus dem Gedanken (ergibt), dass derjenige, der eine Gefahrenlage herbeiführt, auch verpflichtet ist, den gefährdeten Verkehrsteilnehmern eine ausreichende Sicherheit zu verschaffen", und zwar insbesondere "bei Gefahren, die von den Gefährdeten nicht vermutet werden", wobei sich das Ausmaß der Sicherungspflicht "bestimmt ... nach der jeweiligen Sachlage".
Vor diesem Hintergrund muss der Beklagte in sein Sicherungsprogramm die Möglichkeit einbeziehen, dass die Maschine eines passierenden Schiff plötzlich von Vortrieb auf rückwärts umgesteuert wird. Dies stellt im eigentlichen Sinne nicht einmal einen Fahrfehler dar. Vielmehr handelt es sich dabei um ein normales Fahrmanöver, um Fahrt aus dem Schiff zu nehmen.

Ähnlich verhält es sich mit dem Treibgut. Wenn die Kette bei Hochwasser durch Treibgut tatsächlich aufgeschwemmt werden kann, ist das eine Gefährdung, der der Beklagte in seinem Sicherungsprogramm gleichermaßen Rechnung tragen muss und die deshalb nicht als höhere Gewalt o.ä. beurteilt werden kann.

Infolgedessen ist es Sache des Beklagten, zunächst einmal dezidiert und im einzelnen darzulegen, was getan worden ist, um sicherzustellen, dass die Kette im Unfallzeitpunkt am Grund hätte abgelegt sein müssen. Der Vortrag dazu ist unzureichend. Der Beklagte beschränkt sich auf die Behauptung, dass die Fähranlage regelmäßig und auch außerhalb der Betriebszeiten täglich und so auch am 06.11.2002 durch Fachpersonal überprüft worden sei, ohne auch nur mit einem Wort zu erklären, welche Überprüfung hinsichtlich der Ablage der Kette auf Grund vorgenommen worden sein soll.

In Konsequenz daraus hat der Beklagte dem Kläger als dem in Vorlage getretenem Kaskoversicherer der W den Kaskoschaden zu ersetzen, der durch kontradiktorische Taxe mit EUR 4.550,- ermittelt worden und unstreitig ist. Die hierauf zuerkannte Verzinsung beruht auf den §§ 286, 288 Abs. 1 BGB.

Hinsichtlich der Nutzungsausfallentschädigung ist die Klage noch nicht entscheidungsreif, weil noch geklärt werden muss, ob die W damals regelmäßig 16 Stunden täglich im Fahrbereich A2 im Einsatz war. Fest steht allerdings, dass die Klage insoweit nach dem Vorstehenden in Verbindung mit § 398 BGB dem Grunde nach gerechtfertigt ist, so dass gemäß § 304 Abs. 1 ZPO ergänzend und unter Einschluss der Verzinsung gemäß §§ 286, 288 Abs. 1 BGB ein Zwischenurteil über den Grund erlassen werden konnte. Dabei bestehen keine Bedenken dagegen, dass der Kläger die Nutzungsausfallentschädigung nicht konkret anhand von § 252 BGB, sondern abstrakt nach Maßgabe der "Verordnung über die Ladeund Löschzeiten und das Liegegeld in der Binnenschifffahrt" vom 23.11.1999 berechnet. In Abkehr von seiner früheren Auffassung schließt sich das Gericht damit dem Rheinschiffahrtsobergericht des OLG Köln an, dass der Ansicht ist, "dass der Geschädigte den Nutzungsausfall im Wege der abstrakten Schadensberechnung nach den gesetzlichen Liegegeldsätzen berechnen kann", weil diese "das von den beteiligten Schifffahrtskreisen für den Normalfall geschätzte Interesse des Schiffseigners an der Benutzbarkeit seines Schiffes" und damit "den Durchschnittssatz" darstellen, "der unter gewöhnlichen Verhältnissen mit einem solchen Schiff vereinnahmt wird" (TranspR 2002, 2441245). Dem ist nichts hinzuzufügen.